Doppelstandards: Bundesregierung verurteilt Zensur von Al Jazeera in Israel – Zensur von RT legitim
Am 5. Mai hat Israel den Sender Al Jazeera in Israel verboten. Dem in Katar ansässigen Sender, der aus dem Staatshaushalt Katars finanziert wird, wirft die israelische Regierung vor, Sprachrohr der Hamas zu sein.
In einem Tweet verurteilt das Auswärtige Amt den Schritt. Eine freie und vielfältige Presselandschaft sei ein wichtiger Grundpfeiler der Demokratie, heißt es dort.
Eine freie & vielfältige Presselandschaft ist wichtiger Grundpfeiler jeder liberalen Demokratie. Gerade in Krisenzeiten gilt es, die Pressefreiheit besonders zu schützen. Die Entscheidung der israelischen Behörden, #AlJazeera in Israel zu schließen, ist das falsche Signal.
— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) May 6, 2024
Der Redakteur der NachDenkSeiten Florian Warweg wollte auf der Bundespressekonferenz wissen, wie sich diese deutliche Positionierung des Auswärtigen Amts mit dem Verbot von RT und Sputnik in Deutschland und der EU verträgt.
Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes bringt diese Frage ersichtlich in argumentative Schwierigkeiten. Im weiteren Verlauf verheddern sich sowohl sie als auch die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung in Widersprüche. Zudem verbreiten sie Falschinformationen.
Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung behauptet, die Entscheidung über das Verbot von RT und Sputnik in Deutschland sei von der EU-Kommission getroffen worden. Das entspricht nicht den zeitlichen Abläufen. Deutschland hatte bereits vor dem EU-weiten Verbot des russischen Senders RT deutsch die Ausstrahlung in Deutschland untersagt. Begründung war, es liege keine Sendelizenz vor. RT deutsch hatte jedoch eine serbische Sendelizenz. Damit war nach bisheriger Rechtsauffassung ein europaweiter Betrieb möglich. Die deutsche Medienaufsicht untersagte den Betrieb dennoch. Serbien reagierte irritiert auf die Neuauslegung.
Grundsätzlich argumentieren die EU und Deutschland einerseits und Israel andererseits nahezu wortgleich hinsichtlich ihrer Zensurvorhaben. RT respektive Al Jazeera sei kein echter Journalismus, argumentieren die Regierungen hier wie dort. Die zensierten Sender würden Propaganda und Desinformation verbreiten. Trotz der Argumentation über von den Sendern angeblich publizierte unwahre Inhalte haben weder Israel noch Deutschland oder die EU für ihre Behauptung stichhaltige Belege vorgelegt. Dabei müsste das denkbar einfach sein, schließlich sind alle Beiträge öffentlich. Doch im Gegenteil, eine inhaltliche Auseinandersetzung wird verweigert.
Kernelement der Pressefreiheit ist, dass nicht die Regierungen entscheiden, was Journalismus ist und über ein vermeintliches Qualitätskriterium eine Vorauswahl treffen. Sowohl die israelische Regierung als auch die EU-Kommission tun jedoch genau das und verengen den Informationsraum. Sie legen für ihre Bürger fest, welche Informationen ihnen zugänglich sind und welche nicht.
Besonders schändlich für Deutschland ist, dass sich der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) dieser die Pressefreiheit einschränkenden Argumentation angeschlossen hat. Als Organisation, die vorgibt, die Interessen von Journalisten und Medien zu schützen, gibt er deren Interessen faktisch preis und ordnet sie der Politik unter.
Warweg weist in seinem Beitrag zudem daraufhin, dass die Bundesregierung das Verbot der Webseiten von Sputnik und RT durch die EU-Kommission unmittelbar umgesetzt hat, obwohl die Medienaufsicht ganz klar nicht in den Zuständigkeitsbereich von Brüssel fällt. Die Kommission hat sich selbst ermächtigt.
Dass sie die einmal angemaßte Kompetenz nicht wieder abgeben wird, machte die EU-Kommission mit dem sogenannten "Medienfreiheitsgesetz" deutlich, das ab heute gültig ist. Dies sieht unter anderem die Schaffung einer eigenen EU-Aufsichtsbehörde mit dem Namen "Europäischer Medienrat" vor, in der die nationalen Aufsichtsbehörden koordiniert und "unterstützt" werden. De facto handelt es sich um eine Zensurbehörde.
"Der Medienrat wird auch Maßnahmen in Bezug auf Nicht-EU-Medien koordinieren, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen", heißt es in einer entsprechenden Pressemitteilung.
In einem von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Prozess wurden die Zensurmaßnahmen immer weiter ausgeweitet. So sind inzwischen auch russischsprachige Angebote zensiert, die sich schon aufgrund dieses Kriteriums ausschließlich an ein russischsprachiges Publikum und damit an eine kleine Minderheit richten. In Deutschland wird grundsätzlich jede Information aus Russland als Desinformation abgetan.
Die Einschränkung der Pressefreiheit in Deutschland führte dazu, dass einseitige und falsche Behauptungen über Russland unwidersprochen stehen bleiben, da ein journalistisches Korrektiv fehlt. Die großen deutschen Medien, darunter auch die öffentlich-rechtlichen, verbreiten heute wieder ganz offen Gräuelpropaganda und rassistische Klischees über Russland und Russen. Für Israel sind ähnliche Zustände zu erwarten.
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