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Sicherheitslage bei der EM-2024: "Dass es mal knallt, gehört dazu"

Die EM ist erst ein paar Tage alt und schon gibt es mehrere Vorfälle, bei denen Menschen angegriffen wurden. Doch die Verantwortlichen sehen die Lage unter Kontrolle. Schon vor der Fußball-Europameisterschaft stand das Thema Sicherheit stark im Fokus der Organisatoren, aber auch der Öffentlichkeit. Zu präsent waren der Messerangriff in Mannheim mit einem getöteten Polizisten und die verstärkte Präsenz des Islamischen Staates (IS) mit zahlreichen Festnahmen in den vergangenen Monaten . Nach den ersten Tagen kann festgehalten werden: Die Sorgen waren begründet. Ein großer Anschlag blieb bisher zwar aus, doch mehrere Vorfälle erschütterten die Öffentlichkeit. Im sachsen-anhaltinischen Wolmirstedt griff ein Mann mit einem Messer Menschen auf einer privaten EM-Party an, nachdem er zuvor einen anderen Mann getötet hatte. In Hamburg schoss die Polizei auf einen 39-Jährigen, der mit Schieferhammer und Molotowcocktail bewaffnet auf der Reeperbahn Beamte bedrohte. Nur wenige Meter entfernt feierten Niederländer bei einem Fanmarsch, der Täter selbst wollte offenbar zum Public Viewing. Hat die noch junge EM also ein Sicherheitsproblem? Experte: "Vorfälle waren zu erwarten" Tragische Ereignisse mit einem Bezug zur EM – für Terrorismus-Experte Hans-Jakob Schindler aber kein Grund zur Sorge. "Die Vorfälle sind im Bereich dessen, was zu erwarten war", betont er. Solche Taten seien schwer zu verhindern. Bereits unmittelbar vor der EM wies Schindler im t-online-Interview auf eine grundsätzliche Radikalisierung verschiedener Gruppen seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 hin. Diese zeige sich nun auch während der EM. Zudem schaue die ganze Welt auf Deutschland, das biete eine Bühne. Lesen Sie hier das komplette Interview. "Die Angriffe zeigen: Die Energie dazu ist vorhanden. Es besteht immer die Gefahr von Nachahmern", prognostiziert er. Dabei sieht er die Vorfälle nicht unbedingt als eine direkte Reaktion auf die EM. Die Tat in Mannheim habe eine Welle von Angriffen losgetreten, die nun auch die EM treffe. "Angriff auf EM-Party rein zufällig" Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, sagt, dass der Angreifer in Sachsen-Anhalt auf eine private EM-Party getroffen sei, sei "rein zufällig" geschehen, "es hätte auch eine Goldene Hochzeit treffen können", sagt der Polizist t-online. Er würde den die Tat nicht direkt mit der EM in Verbindung bringen. "Es kann immer Menschen geben, die ausrasten. So etwas lässt sich nicht verhindern", führt Mertens aus. So habe es vor der EM ähnliche Angriffe gegeben und auch nach der EM werde es diese geben. Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), ergänzt: "Das Einzige, was man machen kann, ist schnell zu entscheiden und konsequent zu handeln." Dass die Beamten in Wolmirstedt und Hamburg auf die Angreifer geschossen haben, sei nach erfolglosem Versuchen anderer Strategien die Ultima Ratio gewesen. So habe Einsatz von Pfefferspray keinerlei Effekte erzielt, zum eigenen Schutz müssen die Beamten irgendwann zur Waffe greifen. Denn sich selbst sollten die Beamten nicht in Gefahr bringen, der Abstand zum Angreifer muss gewahrt werden. "Der persönliche Nahkampf ist ausgeschlossen. Das gibt es nur in Filmen." Vorfälle außerhalb der offiziellen Bereiche Was bei der Bewertung wichtig ist: Die Taten sind nicht in Stadien oder offiziellen Fanzonen passiert, Sicherheitskonzepte für die EM decken solche Vorfälle nicht ab. Das sei auch nicht möglich, verdeutlicht Experte Schindler: "Man kann Deutschland nicht für einen Monat in ein Militärlager verwandeln. Dazu gibt es nicht die Ressourcen und es würde dem Charakter einer EM als internationalem Fest widersprechen." Doch die Sicherheitslage bei der EM wird nicht nur von solchen Angriffen von Einzeltätern bestimmt. Vor allem die Fanlager müssen die Beamten stets im Auge behalten. "Dass es mal knallt, gehört dazu", meint Wendt. Die Bilder seien meist dramatisch, das spiegele die Lage aber nur unzureichend wider. Das hat eine Schlägerei beider Fanlager im Vorfeld des Hochrisikospiels zwischen England und Serbien in Gelsenkirchen gezeigt. Michael Mertens war selbst vor Ort im Einsatz, die Begegnung sei "kurz und heftig" gewesen, berichtet er. Die Polizei habe die Problemfans aber schnell getrennt. Die Lage sei aber schwieriger als beim bisher letzten Fußballgroßereignis, der WM 2006. Damals habe es schließlich noch keine Smartphones gegeben. Leute seien abhängiger von Begleitungen gewesen, um sich zu orientieren. Heute könne das jeder selbst. Gruppen seien dementsprechend schlechter zu überwachen. "Schöneres Sommerwetter wäre förderlich" Erschwert werde die Lage auch durch einen scheinbar banalen Grund: "Das Wetter macht etwas aus. Ein schöneres Sommerwetter würde für eine friedliche Atmosphäre förderlich sein", berichtet Mertens. Menschen sind schneller gereizt, Prügeleien schneller begonnen. Lesen Sie dazu auch: Sohn von Serbiens Präsident will auf England-Fans losgehen Für solche Situationen haben die 22.000 Bundespolizisten Verstärkung aus dem Ausland bekommen. Rund 580 Beamte aus den teilnehmenden Ländern sind nach Deutschland gereist. 230 von ihnen koordinieren die Aktionen im Einsatzzentrum in Neuss, weitere 350 "im Aufgabenbereich der Bundespolizei, also bei gemeinsamen Streifen im Bahnverkehr, an Flughäfen und an den Grenzen", erklärt ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage von t-online. Diese werden zudem bei den Spielen ihrer Heimatländer eingesetzt, um mit den Fans zu kommunizieren und die Lage zu bewerten. "Die Kollegen aus dem Ausland sind unheimlich hilfreich, auch um das Temperament der jeweiligen Fangruppen einzuschätzen", betont Mertens. "Wir kennen euch, wir beobachten euch." Die Präsenz der ausländischen Kräfte habe zudem eine Signalwirkung für die jeweilige Fangruppe, verdeutlicht Wendt: "Wenn die Polizei aus dem Heimatland auf der eigenen Sprache erklärt: 'Wir haben euch im Auge', macht das großen einen Eindruck bei den Fans." Dabei gehe es um Deeskalation durch Stärke, nach dem Motto "Wir kennen euch, wir beobachten euch". Dadurch sei die Sicherheitslage momentan gut unter Kontrolle. "Besser geht es nicht", resümiert Wendt. Dazu würden auch die Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen beitragen. Am Wochenende hat Innenministerin Nancy Faeser Zahlen veröffentlicht , wonach allein in der ersten Woche der Grenzbefehle 900 Personen an der Einreise gehindert worden seien. Das zeige laut Wendt Wirkung. Daher blicke er "ganz entspannt" auf die restlichen EM-Wochen. Auch Experte Schindler ist "relativ entspannt", denn das Sicherheitskonzept scheine zu funktionieren. "Mehr kann man aus meiner Sicht aktuell nicht machen."

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