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#JournalistsToo: Geschlechtsbasierte Onlinegewalt im Journalismus

Die Coronavirus-Pandemie hat dazu geführt, dass Fragen der psychischen Gesundheit stärker in den Mittelpunkt gerückt sind. Dies gilt nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene und für bestimmte Berufsgruppen, darunter Journalist:innen. Zugleich ist die Zahl und Brutalität der Online-Angriffe in den letzten Jahren eskaliert. In allen Ländern berichten Journalist:innen über ähnliche Auswirkungen …

© UNESCO/Christelle ALIX// cc

Die Coronavirus-Pandemie hat dazu geführt, dass Fragen der psychischen Gesundheit stärker in den Mittelpunkt gerückt sind. Dies gilt nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene und für bestimmte Berufsgruppen, darunter Journalist:innen. Zugleich ist die Zahl und Brutalität der Online-Angriffe in den letzten Jahren eskaliert. In allen Ländern berichten Journalist:innen über ähnliche Auswirkungen dieser Attacken, zu denen die Beeinträchtigung ihres realen Lebens, der Rückzug aus den sozialen Medien und zunehmende Unwohlsein und Angst gehören. Dies führt häufig zu Gefühlen von Burnout, Erschöpfung und dem Wunsch, den Journalistenberuf aufzugeben.

Gleichzeitig bieten soziale Netzwerke und andere Diskussionsplattformen für Journalist:innen einen Raum, um ihre eigene Marke aufzubauen. Dieser Raum ermöglicht es ihnen, freier zu sein als bei der Arbeit für ein traditionelles Medienunternehmen, gezielt mit den Lesern zu kommunizieren und eine Gemeinschaft aufzubauen. Darüber hinaus wird die Arbeit an Inhalten für private soziale Netzwerke zum so genannten “Next Shift”, bei dem es nicht nur darum geht, zu lernen, wie man technisch mit dem Medium arbeitet, sondern natürlich auch darum, neue Inhalte zu erstellen und ständig mit dem Publikum zu interagieren. Es handelt sich also um eine Tätigkeit, die zwar Teil der Arbeit ist, aber viel zusätzliche Zeit in Anspruch nimmt.

Angriffe aufgrund von Geschlechterklischees

Doch gerade die sozialen Netze bringen Hindernisse mit sich, die lange Zeit vernachlässigt wurden. Dazu gehören Online-Belästigungen, unanständige Kommunikation, Hassreden und verschiedene direkte Drohungen. Diese haben oft gar nichts mit dem Thema des Textes zu tun, sondern mit der Persönlichkeit des Autors oder der Autorin. Bei weiblich gelesenen Autorinnen kommt dies um ein Vielfaches häufiger vor. Ein typisches Merkmal sind Angriffe auf Merkmale, die mit Geschlechterstereotypen verbunden sind, wie z. B. das Aussehen, das entweder nicht attraktiv genug oder zu attraktiv ist. Die Nutzer greifen auch häufig zu Beleidigungen, die sich auf die Sexualität beziehen, wobei Frauen entweder als sexuell frustriert oder promiskuitiv dargestellt werden. Bei Männern beziehen sich diese Kommentare auf angebliche Homosexualität, Pädophilie oder schreiben ihnen stereotyp weibliche Züge zu.

Aus einer Studie, die auf der Grundlage von Interviews mit amerikanischen Journalist:innen im Jahr 2021 erstellt wurde, geht hervor, was die drei am häufigsten vorkommenden Formen der Belästigung sind. Bei der ersten Form handelt es sich um unmittelbare Beleidigungen, die sich jedoch häufiger auf das Thema selbst als auf die Persönlichkeit des Autors oder Schreibers beziehen. Eine andere Form ist die chronische Belästigung, die immer wieder von denselben Personen auf denselben Plattformen verübt wird. Und diese Belästigung geht oft in eine dritte, eskalierende Form der Belästigung über, die persönlicher und bedrohlicher wird. Die letzteren Arten der Belästigung werden häufiger von Frauen erlebt.

Es passiert ‘nur’ online beiden

Gleichzeitig sind sich die Journalist:innen einig, dass es an wirksamen Mitteln zur Bekämpfung von Online-Angriffen mangelt. Meistens sind sie auf sich allein gestellt und müssen Abwehrmechanismen entwickeln. Eine Strategie kann natürlich darin bestehen, die sozialen Medien zu verlassen, wie es beispielsweise die Moderatorin Linda Bartos im Frühjahr 2023 tat. Andererseits ist dies keine Lösung für ein systemisches Problem. Daher wächst die Forderung nach einer besseren Lösung, die nicht das Verhalten der Journalisten selbst einschränken muss. Eine solche Kampagne wurde beispielsweise von der Non-Profit-Organisation Forum 50% geführt, die öffentlich dazu aufrief, die Probleme zu benennen und anzugehen. Dennoch ist die Regulierung von Kommentarbereichen oder sozialen Netzwerken einzelner Medien noch nicht gängige Praxis und bleibt außerhalb der Aufmerksamkeit der großen Medienhäuser.

Obwohl sowohl Frauen als auch Männer mit Online-Attacken konfrontiert sind, wirken sich diese auf Frauen und non-binäre Personen oft viel verheerender aus. Die oben erwähnte Studie zeigt, dass Männer Belästigungen öfter auf die leichte Schulter nehmen, während Frauen eine Eskalation der Gewalt und ein Übergreifen auf ihr Privatleben befürchten. Dabei kann es sich um die Veröffentlichung von persönlichen Informationen oder Klatsch handeln, aber heutzutage droht auch der Missbrauch künstlicher Intelligenz zur Erstellung realistischer Fotomontagen. Online-Hass kann auch zu gefährlichem Stalking oder offener Gewalt führen.

Ein Fünftel der Journalistinnen hat laut einer Studie des International Center for Journalists (ICJ) Auswirkungen im „wirklichen Leben“ außerhalb des Netzes erlebt. Nach Angaben von Amnesty International haben 41 % der Frauen aus allen Berufsgruppen Online-Angriffe oder -Belästigungen erlebt, die sich auf ihr tägliches Leben auswirkten. Und 76 Prozent der Frauen, die Online-Belästigung erfahren haben, haben ihr Online-Verhalten geändert.

So hat beispielsweise ein Drittel aufgehört, ihre Meinung zu bestimmten Themen zu veröffentlichen. Andere Folgen waren ein vermindertes Selbstwertgefühl oder, in fast der Hälfte der Fälle, Stress oder Angst und Sorge um die eigene Sicherheit oder die ihrer Familie.

Mangelnder Schutz für Medienschaffende

Die weit verbreiteten und eskalierenden Online-Angriffe auf Journalistinnen in letzter Zeit machen deutlich, dass dringend neue Maßnahmen erforderlich sind. Angesichts der zunehmenden Schwere und der Auswirkungen dieser Angriffe auf die psychische Gesundheit und das Arbeitsumfeld wird eine Reaktion der einzelnen Medienorganisationen und der Journalistengewerkschaften immer wichtiger.

Die nächsten Schritte sollten daher darauf abzielen, den Schutz von Journalisten zu stärken, beispielsweise durch strengere Sanktionen für die Täter, eine bessere Überwachung und Regulierung des Online-Umfelds oder eine stärkere Rechenschaftspflicht von Plattformen für die Verbreitung von hasserfüllten und beleidigenden Äußerungen.

Nicht zuletzt sind Hass und Missbrauch im Internet zwar für jeden von Bedeutung, aber Untersuchungen zeigen, dass sie – wie viele andere Formen von Gewalt – geschlechtsspezifisch sind. Deshalb sollten wir nicht ignorieren, dass einige Stimmen besonders eingeschränkt werden. Journalistinnen und Journalisten tragen nämlich dazu bei, ein Bild der Welt zu schaffen, ohne das die öffentliche Debatte nicht umfassend wäre. Wenn sie Online-Gewalt ausgesetzt sind, ist ihre Fähigkeit, die Öffentlichkeit zu informieren und sich frei zu äußern, eingeschränkt. Dies ist auch der Grund, warum ein systematischer oder gesetzlicher Schutz eine der modernen Säulen des journalistischen Berufs sein sollte.

 

Dieser Artikel erschien zunächst auf der tschechischen EJO-Seite. Übersetzt von Johanna Mack mit DeepL.

Anm. d. Übers.: Der Hashtag “JournalistsToo kam 2021 im Rahmen der MeToo-Bewegung auf und wurde u.a. von UNESCO aufgegriffen. Mehr Informationen finden sich auch in dieser Veröffentlichung.

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