EM 2024: Influencer "Qualle" kritisiert Videobeweis – "Wie kann das sein?"
Die Gruppenphase der EM ist vorbei. Dabei immer im Fokus: die Schiedsrichter. t-online hat mit einem Experten über ihre Leistungen gesprochen. Der nahm die Referees in Schutz, kritisierte aber eines ihrer Hilfsmittel. 36 der 51 Partien der Europameisterschaft in Deutschland sind bereits gespielt. Das heißt: Die Vorrunde ist vorüber, das Achtelfinale steht bevor. Zeit also, über ein Thema zu sprechen, das auch bei diesem Turnier immer mal wieder zu Diskussionen führte: die Schiedsrichter. Kritik gab es zuletzt zum Beispiel an Istvan Kovács. Der Rumäne hatte am letzten Spieltag der Gruppenphase die Partie zwischen der Türkei und Tschechien in Hamburg geleitet und dabei ganz nebenbei einen Kartenrekord bei einer EM aufgestellt. 18-Mal zeigte er Gelb, zweimal Rot. Laut Türkei-Kapitän Hakan Çalhanoğlu sei Kovács eine "Katastrophe" gewesen. Doch auch andere Schiedsrichter mussten in den vergangenen Tagen bereits Kritik einstecken. So zum Beispiel der Italiener Daniele Orsato, dessen strittige Entscheidungen beim Spiel der deutschen Nationalelf gegen die Schweiz durchaus intensiv diskutiert wurden. In einer Szene war beispielsweise DFB-Profi Maxi Beier von einem Schweizer deutlich zu Boden gerissen worden. Der Videoschiedsrichter (engl. Video Assistant Referee – VAR) wurde eingeschaltet, schickte Orsato, der fälschlicherweise auf Weiterlaufen entschieden hatte, trotz kurzem Check aber nicht zum Monitor an den Spielfeldrand, um sich die Szene noch mal genau anzuschauen. Damit wurde der deutschen Mannschaft ein Elfmeter verweigert. Doch spiegelt solch eine Situation die Leistungen aller Referees im Turnier wider? t-online hat mit dem Schiedsrichter-Influencer Pascal "Qualle" Martin, der selbst regelmäßig Spiele pfeift, darüber gesprochen. Er ist mit der Darbietung seiner Kollegen bei der EM grundsätzlich zufrieden. Über den Videobeweis aber ärgert er sich. "Von 15 Spielen sind immer zwei oder drei dabei" "Im Großen und Ganzen haben wir sehr souveräne Leistungen von den Schiedsrichtern in der Vorrunde gesehen", sagt Pascal Martin im Gespräch mit t-online. Man könne bei der EM bisher nicht von großen Skandalen in der Spielleitung sprechen. "Natürlich gab es Situationen, die diskutiert wurden, aber wenn man ehrlich ist: Von 15 Fußballspielen sind immer zwei oder drei dabei, in denen es Situationen gibt, über die man sich beschweren kann." 19 Schiedsrichter zählten zum ursprünglichen Aufgebot der Uefa zur EM. Bereits jetzt steht fest: Nicht mehr alle werden zum Einsatz kommen. Der Uefa-Schiedsrichter-Chef Roberto Rosetti sagte zuletzt: "Diese Entscheidungen werden nur auf der Grundlage der Leistung getroffen." So wird etwa der deutsche Schiedsrichter Daniel Siebert kein Achtelfinale selbst leiten. Ob ein Referee bei der EM weiter pfeifen darf oder nach der Vorrunde außen vor ist, liegt laut Martin nicht an einzelnen Fehlentscheidungen: "Zum Turnier-Aus führt so was nicht. Das kann ich zu hundert Prozent so sagen." Trotzdem sei es besser, in Spielen nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Je mehr du im Fokus stehst, desto schlechter ist das für dich als Schiedsrichter", so der Social-Media-Star. Er glaube deshalb, dass die Schiedsrichter am Ende Kandidaten für das Finale in Berlin sein werden, "die sehr wenig aufgefallen sind und über die wenig gesprochen wird". Neue Regel hat "total gefruchtet" Lob von Martin erntet derweil vor allem eine Neuerung im Umgang mit den Schiedsrichtern auf dem Platz. Mittlerweile dürfen nur noch die Kapitäne mit ihnen sprechen. Spieler, die sich dieser Anweisung widersetzen, werden direkt mit einer Gelben Karte bedacht. Das kann schnell zu Sperren im Turnier führen. "Die neue Regel ist eine sensationelle Einführung", sagt Martin deshalb. Sie habe "total gefruchtet. Man merkt sofort: Niemand rennt mehr auf den Schiri los, niemand diskutiert mehr. Wenn, dann nur der Kapitän." Für ihn sei das Ganze deshalb "eine der besten Einführungen der vergangenen Jahre". "VAR hat die Schiedsrichter noch mehr ins Negative gezogen" Schon seit einigen Jahren ist derweil der Videobeweis Teil des modernen Profifußballs. Doch der ist immer noch ein heiß diskutiertes Thema, auch bei der Europameisterschaft. Schottlands Trainer Steve Clarke war nach dem letzten Gruppenspiel gegen Ungarn außer sich, weil seinem Team in der Schlussphase ein Strafstoß verwehrt worden war. "Das ist ein Elfmeter. Ich kann mir nicht erklären, warum er ihn nicht gegeben hat", wütete er ( mehr dazu lesen Sie hier ). Eine ähnliche Reaktion zeigten viele Deutschlands-Fans bei der bereits angesprochenen Szene aus dem DFB-Spiel gegen die Schweiz. Pascal Martin dazu: "Auch ich habe mich beim Foulspiel an Beier gefragt, warum der VAR nicht eingreift. Ich frage mich da auch manchmal: Ey, wie kann das denn sein?" Er selbst sieht den Videobeweis deshalb durchaus kritisch: "Der VAR wirft ein schlechtes Bild auf alle Schiedsrichter. Die Fans sitzen zu Hause vor dem Fernseher und weil der VAR da ist, erwarten sie, dass alles richtig läuft." Schiedsrichter dürften dementsprechend überhaupt keine Fehler mehr machen. Sie würden aber natürlich trotzdem noch passieren, so Martin, der zusammenfasst: "Der VAR hat die Schiedsrichter noch mehr ins Negative gezogen." Eine Meinung, mit der er sicherlich nicht allein dasteht. Ob es zeitnah zu einer Wende kommt, ist jedoch durchaus fraglich. Erst recht während der EM wäre das unwahrscheinlich. Es bleibt also nur die Hoffnung, dass alles in der K.-o.-Phase zumindest etwas besser wird.