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Taylor Swift: Noch kein Swiftie? Das ist die letzte Warnung

Der derzeit größte Musikstar der Welt kommt nach Deutschland. Wer kein "Swiftie" werden will, sollte besser Abstand halten. Es droht Ansteckungsgefahr. Wer hat dieser Taylor Swift eigentlich erlaubt, in diesem ehrwürdigen Fußballtempel aufzutreten? Wie ist die Frau überhaupt der größte Musikstar der Welt geworden – nahezu unbemerkt (zumindest von mir)? Wo sind die Beatles, Madonna und Elton John ? Und warum beginnt das Konzert schon um 17 Uhr? Fragen über Fragen. Und es werden immer mehr, als ich im Flieger nach London sitze. Beim Reinhören in die Taylor-Swift-Playlist des Musik-Streamingdienstes Spotify zum Beispiel: Warum haben diese Lieder keinen richtigen Refrain mehr? Wieso klingen die alle gleich? Immerhin ist meine Aufgabe überschaubar: einfach mitkommen – und notfalls gute Miene zum bösen Spiel machen als Anhängsel meiner Freundin. Wir sind auf dem Weg ins Wembley-Stadion in London zu einem Konzert von Taylor Swifts "The Eras"-Tour (Die Epochen). Es ist eines von erst einmal dreien in Wembley an drei Tagen hintereinander – vor jeweils 90.000 Zuschauern. Kosten: 150 Euro pro Person für die (günstigen) Ryanair-Flüge, 230 Euro für ein Ticket, dazu eine Unterkunft für zwei Nächte. Nicht ganz billig dafür, dass die Swift-Epochen bislang allesamt im Windschatten der Aufmerksamkeit stattgefunden haben. Zumindest meiner. Auch Jürgen Klopp ist ein "Swiftie" Immerhin hat Fußballtrainer Jürgen Klopp gerade bei Instagram ein Foto von sich gepostet – offensichtlich nach dem Besuch des Konzerts von Taylor Swift in Liverpool im Stadion an der Anfield Road. Dort, beim FC Liverpool , hatte er als Trainer nach neun erfolgreichen Jahren gerade seinen Abschied gefeiert. Zu dem Foto mit etwas skeptischem Blick und rosa Cowboy-Hut schrieb er: "I guess I am officially a Swiftie now". "Ich schätze, ich bin jetzt offiziell ein Swiftie". "Swifties" sind die Fans von Taylor Swift. Der Klopp-Post macht mir Hoffnung: Wenn der Fußball-Freak Spaß hatte beim Konzert, schaffe ich das vielleicht auch. Am Wembley-Stadion angekommen: ein Kulturschock. Das Publikum ist überwiegend jung und vor allem so weiblich, dass sich der Veranstalter entschieden hat, fast alle Männer-Toiletten für Frauen umzuwidmen. Die Fans haben sich höllisch aufgebrezelt. Kurze Röcke, Kleider, Make-up, Cowboy-Stiefel: alles voller Glitzer. Dazu noch rosa Cowboy-Hüte. Travis Kelce: Taylor Swifts Freund ist auch präsent Nicht alle Britinnen und Briten neigen zu übertriebener Ästhetik, wie hier einmal mehr zu beobachten ist. Viele haben sich für bauchfreie Outfits entschieden. Ganz unabhängig von ihrer Statur. Mir liegt eine Bewertung fern. Denn logischerweise soll jede und jeder selbst entscheiden, wie sie oder er sich wohlfühlt. Einige der (wenigen) Männer versuchen, sich in einem Football-Trikot der Kansas City Chiefs und dem Aufdruck von Travis Kelce mit der Nummer 87 wohlzufühlen. Kelce ist der Freund von Taylor Swift. In meinem Hemd und meiner Hose fühle ich mich fehl am Platz. Mit einem der rosa Cowboy-Hüte, die es hier überall zu kaufen gibt, ist es etwas besser. Auch nicht gerade günstig für 20 britische Pfund, aber dafür blinkt er bunt und in drei verstellbaren Modi. Grund eins für den Frühstart um 17 Uhr klingt erst einmal bedrohlich: Taylor Swift spielt dreieinhalb Stunden lang ohne Pause. Sie präsentiert Songs von nahezu all ihren Alben. Oder: aus all ihren Epochen. Wie sich herausstellt, hat sie im Alter von 34 Jahren bereits elf dieser Alben veröffentlicht und laut Wikipedia mehr als 300 Millionen Tonträger verkauft. Wer hat ihr die Dinger bloß alle abgenommen? Wie zur Hölle soll man dreieinhalb Stunden aushalten? Grund zwei: Es gibt gleich zwei Vorbands. Die englische Künstlerin Griff und die Alternative-Rock-Band Paramore. Deren bekanntester Song "Still Into You" hat laut Spotify knapp 800 Millionen Aufrufe. Den könnte man dementsprechend kennen. Ich kenne ihn nicht. Allerdings ist die Stimmung bei Paramore ausgelassener als – mutmaßlich – bei allen Fußballspielen, die hier jemals stattgefunden haben. Auch die Musik überzeugt mich. Die Sonne scheint, das Bier schmeckt. Wird das hier vielleicht doch ein guter Abend? Erfreulicherweise geht Taylor Swift beim Ritt durch die Epochen ihrer Karriere – abgesehen von ein paar Ausnahmen – chronologisch vor. Als Konzertbesucher kann ich die rund 20 Jahre ihres Schaffens, die ich aus Versehen verpasst habe, also entspannt an einem Abend nachholen. Bei einigen dieser Epochen bin ich auch nicht böse, sie erst jetzt im Schnelldurchlauf zu erleben. Die Anfänge als Country-Sängerin zum Beispiel. Die liefern zwar die Erklärung für die Cowboy-Hüte und damit auch den, den ich auf dem Kopf trage – deshalb muss ich die Western-Songs aber noch lange nicht gut finden. Auch auf Jahre gruseliger Highschool-Musik kann ich hervorragend verzichten. Swifts Musik hat sich zum Glück verändert, das wirkt sich zunehmend positiv auf das Konzert aus. Geblieben sind die Hüte – genauso wie die autobiografischen Texte, überwiegend selbst geschrieben und für viele Zuschauer daher besonders bewegend. An Authentizität scheint es dem Superstar nicht zu mangeln. Die Begeisterung der Sitznachbarinnen ist ansteckend. Die sind Mitte 20, Taylor-Swift-mäßig gestylt und außergewöhnlich offenherzig. Sie berichten von Bekannten, die Preise jenseits der 500 Pfund (fast 600 Euro!) für einen Last-Minute-Platz knapp unter dem Stadionrand bezahlt haben, um auch noch dabei sein zu können. Sie erzählen von ihren Arbeitsplätzen in der Pharmaindustrie oder ihrem Studium, erkundigen sich nach Deutschland und kündigen einen Berlin-Gegenbesuch an. Na gut, warum nicht? Dann schütten sie noch ein Kaltgetränk in sich hinein und singen das nächste Lied mit. Verdammt, die sind sympathisch. Die Bühne ist versehen mit riesigen LED-Bildschirmen, mit dynamischen Elementen und Plattformen, die auf- und abgefahren werden, je nach Song und Performance. Die Show hat ihre Längen, aber auch ihre Höhepunkte. Zu Beginn marschieren Tänzer mit riesigen Blütenblättern über die Bühne. Später räkelt sich Taylor Swift auf einem Holzhaus mit Moos-Dach. Dann sitzt sie am anderen Ende der 62 Meter langen Bühne an einem Klavier. Oder hüpft mit ihren Tänzern um die Wette. Trotz Parallelen: Taylor Swift ist keine Helene Fischer Auch wenn Taylor Swift mitunter etwas staksig daherkommt: Es gibt wirklich schlechtere Unterhaltung. Trotz einiger Parallelen ist sie keine Helene Fischer , die für gewöhnlich jedes zweite Lied mit einer atemberaubenden Akrobatik-Show verbindet, beispielsweise mit dem Cirque du Soleil. Helene Fischer ist allerdings auch keine Taylor Swift, die Stadien nicht nur in Deutschland füllt, sondern auf der ganzen Welt. 152 Shows sind es im Rahmen der "Eras"-Tour, die fast zwei Jahre dauert und nach Stationen in Amerika und Asien mittlerweile in Europa angekommen ist. Ab dieser Woche spielt Taylor Swift sieben Konzerte in drei deutschen Städten. Zunächst am Mittwoch (17. Juli) in Gelsenkirchen , dann in Hamburg und München . Dieser Text ist also die letzte Warnung vor der ansteckenden "Swiftie"-Gefahr. Wem sechs Stunden im Stadion zu viel sind, wer gute Laune, Glitzer, euphorische Menschen oder einstudierte Shows ablehnt, der bleibt lieber fern. In London – und vermutlich auch in Deutschland – sitzt jede Bewegung und jeder Ton. Die Akustik ist für ein Stadion dieser Größe außergewöhnlich gut. Taylor Swift spielt mit ihrer Mimik und dem Publikum, das sie von der ersten bis zur letzten Reihe mitzureißen weiß. Die Menschen sind glücklich. Im Innenraum macht jemand seiner Freundin einen Heiratsantrag. Und auf den Tribünen liegen sich fremde Menschen in den Armen. Diese Emotionen, diese Begeisterung – so muss es früher bei den Beatles gewesen sein. Das Konzert endet nach ein paar weiteren Epochen mit einem bunten Feuerwerk. Auf dem Rückflug schaue ich eine Taylor-Swift-Doku und höre einige ihrer Songs, die dann doch ins Ohr gegangen sind und nach genauerem Hinhören nicht alle gleich klingen. Als wir gelandet sind, setze ich noch einen Post bei Instagram ab. Ein Erinnerungsfoto vor dem Wembley-Stadion, mit skeptischem Blick und rosa Cowboy-Hut auf dem Kopf. "Officially a Swiftie". "Offiziell ein Swiftie".

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