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"Compact"-Magazin: Namen der Mitarbeiter ungeschwärzt veröffentlicht

Unzensiert veröffentlichen die Anwälte von Jürgen Elsässers Compact Magazin GmbH die Verbotsbegründung. So werden Mitarbeiter mit ihren richtigen Namen geoutet. Einer redete von einer Habeck-Ermordung. Die Anwälte des "Compact"-Magazins bringen "Compact"-Mitarbeiter in Bedrängnis: Die Juristen haben die Verbotsbegründung von Innenministerin Nancy Faeser im Original veröffentlicht – ohne jede Schwärzung. Mitarbeiter im Hintergrund und die Klarnamen hinter Pseudonymen werden weitergegeben. Dem Dokument ist auch zu entnehmen, dass ein AfD-Kommunalpolitiker bei "Compact" als "Mädchen fürs alles" arbeitet, Waffenbesitzer ist und mit Firmenchef Jürgen Elsässer über die Idee eines Mordes am grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck gesprochen hat. In dem 79-seitigen Dokument hat das Referat ÖS II 3 (Terrorismus/Extremismus rechts/links; Politisch motivierte Kriminalität) des Innenministeriums einerseits viele Inhalte gesammelt, die gar kein Geheimnis sind. Passagen aus Artikeln von "Compact", Sammlungen von Bildern und Titelseiten mit Kraken oder mit Juden. Oft sind es auch Köpfe von Politikern, die zu Feindbildern aufgebaut werden. Viele Inhalte sind verschwörungsideologisch. Früherer NPD-Pressesprecher ist der Chef vom Dienst Die Sicherheitsbehörden stellen aber auch die Struktur hinter "Compact" dar. Das ist zunächst nicht brisant: Gesellschafterverhältnisse und Unternehmensspitze bei den Firmen finden sich öffentlich in Handelsregisterunterlagen. Über den Chef Jürgen Elsässer, seine Frau Stephanie und den aus der "Identitären Bewegung" hervorgegangenen Chef von CompactTV, Paul Klemm, war auch vieles bekannt. In der von den Anwälten verbreiteten Kopie geht es aber weiter: Aufgeführt mit Namen sind der Vertriebsleiter sowie eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter, die Kontovollmacht haben. Sie stehen selbst nicht in der Öffentlichkeit. Durch das Dokument der Anwälte mit den ungeschwärzten Unterlagen wird auch öffentlich, dass in der Redaktion Mitarbeiter unter falschen Namen arbeiten: Die Alias-Namen verschleierten bislang das Ausmaß, in dem "Compact"-Mitarbeiter mit der inzwischen in "Die Heimat" umbenannten NPD verbunden sind. So heißt der Chef vom Dienst Daniell Pföhringer mit richtigem Namen Thorsten Thomsen und war bis 2014 Pressesprecher der NPD-Fraktion in Sachsen. Bei ihm privat in Pirna fand in dieser Woche auch eine polizeiliche Durchsuchung statt. Der damaligen NPD-Fraktion gehörte als Landtagsabgeordneter Arne Schimmer an. Schimmer ist ein "'Compact' zurechenbarer Mitarbeiter" – unter dem Namen Sven Reuth, wie es in der BMI-Begründung heißt. Schimmer hatte auch bereits unter einem Pseudonym für Götz Kubitscheks "Sezession" geschrieben. Seine Identität sollte dort nicht bekannt werden, recherchierte die "taz". "Wir wollen einfach das System stürzen" Durch das Papier der Anwälte wird auch bekannt, dass Oliver Niedrich ein weiterer Mitarbeiter ist, "Heimat"-Funktionär und zumindest 2021 stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Berlin war. Auf einer "Heimat"-Seite zur Mitgliederwerbung wird er vorgestellt als Multitalent, Verantwortlicher für den Materialdienst in der Berliner Parteizentrale. Er "versorgt unsere Aktivisten und Interessenten immer wieder mit neuen Druckmedien", betreut aber auch den Berliner Internetauftritt mit. Seine Aufgabe bei "Compact" geht aus der Verbotsbegründung nicht hervor. Bekannt war bereits ein Foto, das ihn als Ordner bei der Bühnentour "Die blaue Welle" zur Unterstützung der AfD zeigt. Elsässer hatte dazu aufgerufen, "Compact" dafür 91.000 Euro zu spenden. Mutmaßlich dieser Umstand hatte auch zur Konto-Kündigung geführt . Das Magazin und seine Macher sind aus Sicht des Bundesinnenministeriums erfolgreich und erzielen Wirkung – und sind dadurch so gefährlich. Von Elsässer wird das Zitat bei einer Gala 2023 für Spender und stille Teilhaber aufgeführt: "Wir wollen einfach das System stürzen." Ziel sei "der Sturz des Regimes". Das neue System skizziere Elsässer nicht. Die Artikel und Äußerungen zeigten aber, "dass es ein System sein soll, das die Menschenwürde von Personen mit Migrationshintergrund sowie von Juden missachtet". Für sein Ziel wolle Elsässer mit Print- und Online-Texten, TV-Beiträgen, Veranstaltungen und Redebeiträgen auf öffentlichen Veranstaltungen verfassungsfeindliche Ziele an Angehörige des Zusammenschlusses und in die Breite der Gesellschaft transportieren. Die Zugriffszahlen stiegen beträchtlich. Mit derartiger Dauerberieselung erfolge "letztlich eine fortwährende Schaffung von Verfassungsfeinden". "Ich müsste dem Habeck mal ein Auge ausschießen" Als ein Beleg für die Entwicklung im direkten Umfeld dient ein Mann, der offenbar Elsässers "Mädchen für alles" ist und Hausmeistertätigkeiten und kleinere Aufträge ausfüllt. Im ungeschwärzten Bericht ist sein Name zu lesen. Damit wird einem AfD-Kommunalpolitiker aus der Nähe von Elsässers Wohnort Falkensee vorgeworfen, als Waffenbesitzer über Mordfantasien gegen Grünen-Politiker Robert Habeck gesprochen zu haben. Weil "Compact" bereits Verdachtsfall war und als "gesichert rechtsextrem" galt, durfte seit Jahren mit geheimdienstlichen Methoden gearbeitet werden. In der Sammlung von Gründen findet sich einiges, das auf abgehörte Telefonate zurückgeht. Der Verfassungsschutz hörte offenbar auch bei einem Gespräch von Elsässer und dem Hausmeister mit: Es ging zunächst darum, dass sie wenig Chancen hätten, die Menschen aufrütteln, wenn nicht etwas Drastisches passiere. Der Gehilfe von Elsässer, zeitweilig AfD-Ortsvorsitzender, habe darauf gesagt: "Ich hab' schon überlegt, ich hab' ja hier die Knarre, ich müsste dem Habeck mal ein Auge ausschießen." Das Innenministerium sieht dadurch belegt, welche Wirkung die ständige Agitation gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit personifizierten Feindbildern auf Mitglieder der Vereinigung habe. t-online hat den Hausmeister und Elsässers Anwälte kontaktiert und gefragt, was sie zu der Schilderung sagen. Keine Antwort von dem AfD-Lokalpolitiker. Auch nicht, ob Behörden seine Worte ernst nahmen, ob er dazu befragt wurde, ob die Waffenbehörde bei ihm war. t-online wollte auch wissen, was er dazu sagt, dass die Elsässer-Anwälte ihn der Öffentlichkeit preisgegeben haben. Das Anwaltsteam hat eine t-online-Anfrage vom Donnerstag bisher nicht beantwortet. Sie hatten das Papier zum Download angeboten, um "einen transparenten Dialog zwischen Juristen und Medien" über den Fall zu ermöglichen. In einer Pressemitteilung nennen sie ihn den "heftigsten Angriff auf die Pressefreiheit seit der 'Spiegel'-Affäre 1962". Unter Juristen gilt es als durchaus unsicher, ob Faesers Verbot auch vor dem Bundesverwaltungsgericht hält. Am Mittwoch wollen die "Compact"-Vertreter einen Eilantrag gegen das Verbot einreichen. Verbreitet hat die Mitteilung und den Link der Jurist Ralf Ludwig, der sich selbst "Querdenker-Anwalt" nennt und mit Michael Ballweg "Querdenken-711" prägte. Ludwig führt inzwischen ein Zentrum, das er spendenfinanziert gegründet hat – mit dem Versprechen, "Aufarbeitung, Aufklärung, juristische Verfolgung und Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschheit aufgrund der Corona-Maßnahmen" zu betreiben. Dieses ZAAVV unterstütze "als Organisation für Menschenrechte und individuelle Freiheit" die Tätigkeit von Elsässers Anwaltsteam.

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