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Trump: Darum fürchtet er Taylor Swift und ihren Einfluss auf den US-Wahlkampf

Taylor Swift zieht Millionen Menschen in den Bann, ist eine der größten Identifikationsfiguren der Gegenwart – und häuft damit Milliarden an. Wie konnte das gelingen? Wie kann diese 34 Jahre alte Frau, geboren in der amerikanischen Pampa Pennsylvanias, nur so erfolgreich sein? Tausende Kehlen kreischen sich die Stimmbänder heiser, wenn das Licht in der Arena für einen Moment ausgeht und Taylor Swift anschließend in einem funkelnden Minikleid auf die Bühne tanzt. Teenager fallen in Ohnmacht, erwachsene Menschen geben für ihre aktuelle "Eras Tour" ein halbes Vermögen aus, Politiker, Sportler, Promis fluten mit ihren Konzertbildern die sozialen Medien. Es ist ein wahnsinniger Hype entstanden. Ein sich selbst verstärkendes Narrativ von Erfolg und Superstar-Status zieht seine Kreise, welches Taylor Swift derzeit zum größten Popphänomen der Welt macht. Und der Trubel ist auch in Deutschland angekommen. Drei Konzerte hat Taylor Swift in den vergangenen Tagen in Gelsenkirchen gespielt: Mehr als 180.000 Menschen waren live vor Ort, um sich dreieinhalb Stunden lang zu den Songs der Künstlerin zu verausgaben – darunter Hollywoodstars wie Anne Hathaway. Taylor Swifts Vermögen: 1,2 Milliarden Euro schwer Die Superlative um Taylor Swift sind schwindelerregend: Mit jeder ihrer 152 Shows, die sie von März 2023 bis Dezember 2024 spielt, setzt sie rund 12 Millionen Euro um – allein mit Konzerttickets. Die "Eras Tour" macht Swift laut dem "Forbes"-Magazin zur Milliardärin. Das Vermögen des Superstars wird auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt. Jedes ihrer letzten fünf Alben landete auf Platz eins – ein Rekord. Insgesamt hat sie im Alter von 34 Jahren schon 14 Tonträger dieser Art herausgebracht und bereits vier davon haben den Grammy für das Album des Jahres gewonnen – ebenfalls ein Bestwert. So ließe sich die Liste endlos fortsetzen. Wie kann diese für Superstar-Verhältnisse eigentlich so unscheinbare Allerwelts-Amerikanerin von einem Rekord zum nächsten eilen und die Mechanismen der Popbranche so leichtfüßig aushebeln? Warum gelingt ihr, was selbst vergleichbare Größen wie Madonna , Miley Cyrus , Lady Gaga , Beyoncé und Co. nicht erreicht haben? Der Kulturwissenschaftler Jörn Glasenapp hat eines der ersten deutschen Bücher über dieses Phänomen geschrieben: "Taylor Swift. 100 Seiten". Dort beschreibt er Swift als eine nahbare, bodenständige und mit der Imperfektion kokettierende Künstlerin. Glasenapp formuliert die These einer Heldenfigur: Diese müssten "tapferer, stärker und schöner sein als wir, damit wir zu ihnen aufschauen können. Sie müssen zugleich aber noch in unserer Liga spielen, damit wir uns mit ihnen identifizieren können." Swift, so der Professor und bekennende Fan der Musikerin, garantiere vor allem Letzteres. "Schließlich fußt ihre Karriere seit Beginn darauf, dass sie ihr Innerstes, ihre Verletzlichkeit und ihre Enttäuschungen, aber auch ihre Abgründe, offenlegt und in zutiefst subjektive Kunst verwandelt." Was ist so heldenhaft an Taylor Swift? Wie genau hat sie sich auf den Pop-Thron gekämpft? Das lasse sich "nicht auf eine Erfolgsformel bringen", so Jörn Glasenapp zu t-online. Es gebe aber "einige sicher nicht unerhebliche Aspekte" und dazu gehöre "die Qualität ihres Songwritings, die sie nun schon fast zwei Jahrzehnte unter Beweis stellt, sprich: Qualität in Kontinuität". Tatsächlich schreibt Taylor Swift ihre Lieder selbst – ein in der heutigen Popwelt längst nicht mehr selbstverständlicher Umstand. In ihrem Dokumentarfilm "Taylor Swift: Miss Americana" wird sie als nachdenkliche, fast zerbrechliche Seele gezeigt, sinnierend und barfuß am Klavier sitzend, wie sie Melodien komponiert und über die Zerrissenheit der Welt philosophiert. Diese auf Netflix verfügbare Doku aus dem Jahr 2020 zeigt auch Szenen ihrer Karriere, die in Vergessenheit geraten sind. Etwa die, als ihr Kanye West im Jahr 2009 auf offener Bühne das Mikro entreißt und schreit, sie habe den MTV Award für das beste Video einer Künstlerin nicht verdient, schließlich habe Beyoncé eines der "besten Videos aller Zeiten" geliefert. Ein Eklat, der die Musikwelt wochenlang beschäftigte. Taylor Swift lässt sich davon nicht beirren. In der Situation ist ihr für einen kurzen Moment anzusehen, wie verunsichert und erschüttert sie ist – doch sie bleibt cool. Bis heute eine Eigenschaft, die sie auszeichnet: Widerstände überwinden, bei sich bleiben, allen Unkenrufen zum Trotz beharrlich an ihrer Musik, ihren Shows und ihrem Image arbeiten. Oder ist es mehr als das? Jörn Glasenapp spricht von einem "Universum", das Taylor Swift geschaffen habe. Dies sei "liberal, divers, inklusiv und willkommen heißend" und damit eines ihrer Erfolgsgeheimnisse. "In unseren gegenwärtigen Zeiten, in denen hypermaskuline 'alte weiße Männer' (wie Putin und Trump) auf Spaltung setzen, stellt das bunte Taylorverse nicht zuletzt einen Sehnsuchtsort dar", so der Experte. Zwischen Country und Poperotik Dieses Bunte, flirrend Vielfältige zeigt sich bei ihren Konzerten in vielerlei Hinsicht: Für jedes ihrer Alben – Swift betitelt diese jeweils als eine eigene "Ära", deshalb der Titel "The Eras Tour" – wird die Bühne in ein anderes Licht getaucht. Swift lässt aus Bürogebäuden Wälder werden, verwandelt sich von einer Elfe im weißen Wallekleid zu einer Barbie, von einer Tänzerin mit Cowboystiefeln zu einer erotischen Anmutung im Latexoutfit. Und ihre Fans adaptieren diese Styles. Die sogenannten "Swifties", wie die treuesten unter ihnen genannt werden, kleiden sich nach klaren Erkennungsmustern: Wer einen Cowboyhut trägt, spiele auf ihre Vergangenheit und ersten Alben als Countrymusikerin an, wer in einem Hauch von funkelndem Nichts erscheint, sei ein "Lover", benannt nach Swifts siebtem Studioalbum. Der Musikproduzent Thomas Stein, der mit internationalen Topstars wie Pink zusammenarbeitete und jahrelang für eines der größten internationalen Plattenlabels in New York tätig war, sagt t-online: "Taylor Swift ist die derzeit wichtigste Künstlerin der Welt im Popbereich." Es sei "mehr als zu bewundern, was diese junge Frau mit ihrem Team auf die Bühne stellt". Auch wenn er in seiner langjährigen Berufslaufbahn schon viel erlebt habe, meint der 75-Jährige: "Wer bei diesen Liveshows etwas Negatives sagt, soll sich verstecken. Das ist allein von der intellektuellen Komponente, der körperlichen Komponente und der artistischen Komponente eine Einmaligkeit." Doch da ist noch etwas anderes. Jörn Glasenapp nennt es so: "Sie ist sie eine brillante Geschäftsfrau, die ihre Kunden genau kennt und die Regeln des Musikgeschäftes immer wieder neu schreibt." Und Thomas Stein sagt: "Ich habe das Gefühl, dass bei Taylor Swift alles sehr klug organisiert und gesteuert wird." Ihre Unmengen an Produktionen, ihre gigantischen Touren: Das ist eine Geldmaschinerie, die Taylor Swift mit Fleiß und Geschäftssinn füttern muss – aber niemals alleine füttern könnte. Die Größenordnung sei immens, so Thomas Stein: "Für Taylor Swift sind Hunderte Leute im Hintergrund tätig. Es ist ja nicht der Manager, der die Bühne aufbaut. Je größer du wirst, desto mehr Blasen bilden sich. Viele Zahnräder greifen da ineinander: Einer für die Steuern , ein Dutzend für das Marketing, einer für persönliche Sorgen, ein Koch, ein Personalcoach, eine Visagistin und so weiter." Weder "sexy noch cool", sondern "gescheit und fleißig" Sie selbst sagte in der Fernsehsendung "CBS Mornings" im Jahr 2014 über sich, sie sei weder "sexy noch cool", sondern "gescheit und fleißig". Tugenden, die sie immer wieder unter Beweis stellen musste. Etwa, als ihr ehemaliges Label Big Machine Records die Endversionen und damit das Lizenzrecht ihrer Songs an Justin Biebers Manager Scooter Braun verkaufte und Taylor Swift plötzlich Gefahr lief, mit ihrer Musik kein Geld mehr zu verdienen. Kurzerhand nahm sie ihre alten Alben neu auf und brachte sie mit dem Zusatztitel "Taylor's Version" auf den Markt. Bis heute sind diese erfolgreicher als die ursprünglichen Titel – und ein Beweis dafür, wie kämpferisch und erfolgreich die US-Künstlerin agieren kann, wenn sie herausgefordert wird. Bleibt eigentlich nur noch die Frage, warum viele Menschen sie trotz all der Superlative und Errungenschaften als "langweilig" wahrnehmen? Es gibt tatsächlich Menschen, die ihr unterstellen, weder Ecken noch Kanten zu haben und eine dieser stromlinienförmigen Superstar-Erscheinungen der Neuzeit zu sein, die ohne politische Überzeugungen einfach nur butterweiches Charts-Geträller in die Gehörgänge der Massen jubeln. Alles Quatsch, sagt Jörn Glasenapp. "Es gibt durchaus einige politische Lieder, allen voran 'Miss Americana & the Heartbreak Prince', in dem sie die Vergiftung des politischen Diskurses seit der Wahl von Donald Trump beklagt. Auch der Song 'Only the Young' wird oft, und durchaus zu Recht, als Anti-Trump-Song verstanden. Swift hat diesen Song für einen Wahlwerbespot zur Verfügung gestellt." In diesen Songs finden sich frei übersetzt Zeilen wie diese: "Vor meinen Augen gehen amerikanische Biografien in Flammen auf. Ich fühle mich hilflos, junge Frauen sind deprimiert. Jungs werden dann Jungs sein, wo sind die weisen Männer? Schatz, ich habe Angst." Verletztheit und Gesellschaftsanalyse gehen hier ineinander über. Die persönliche Betroffenheit infolge des Trump-Erfolgs mündet in der Beobachtung, dass sich im Schatten der Missbrauchsvorwürfe und Erzählungen über einen Mann, dem die "Grab them by the pussy"-Aussagen und Enthüllungen über seine Frauenfeindlichkeit nichts ausmachen konnten, tatsächlich Gewalt und Übergriffe Bahn brechen könnten. "Das wird Trump Tausende Stimmen kosten" Eine Frau, die solche Zeilen im Jahr 2019 formulierte, müsste doch schon jetzt Sturm laufen gegen den Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner. Wo bleibt die laute Stimme der einflussreichen Taylor Swift im Wahlkampf? Jörn Glasenapp ist sich sicher: Sie wird bald zu hören sein. "Die 'Eras Tour' wird im Herbst während der heißesten Phase des Wahlkampfes in die USA zurückkehren. Dann wird sie, so bin ich überzeugt, ihre Wahlempfehlung gegen Trump abgeben. Das wird ihn Tausende Stimmen kosten." Taylor Swift, die letzte Chance der Demokraten? Die Trump-Verhinderin? "Ob das ausreicht, um ihn zu verhindern, steht allerdings in den Sternen", so Glasenapp. Selbst der größte Popstar der Gegenwart scheint nur begrenzt Einfluss zu haben, ja: irdisch zu sein. Angesichts ihres nahezu unendlichen Höhenflugs mag das für viele vielleicht auch eine beruhigende Beobachtung sein ...

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