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Nachruf Klaus Link (*21.01.1966 ✝04.07.2024)

Of chess it has often been said that life is not long enough for it –

but that is the fault of life, not chess.

Über das Schachspiel ist oft gesagt worden, dass das Leben dafür nicht lange genug ist –

aber das ist die Schuld des Lebens, nicht des Schachspiels.

 

[William Ewart Napier (1881 – 1952); US-amerikanischer Schachmeister]

 

Ausgeblitzt. So titelte er noch am Montag, den 29. April 2024 den letzten, wie gewohnt, bild-, schach- und wortgewaltigen sechsten Teil seiner Berichtsserie über die diesjährige Unterfränkische Einzelmeisterschaft (UEM), die in der Woche vor Ostern vom SC Aschaffenburg in Obernau ausgetragen wurde. Ausgeblitzt.

Schwerlich müssen wir Abschied nehmen von Klaus Link, der lange Jahre als begeisterter Turnierspieler, durch sein außergewöhnliches ehrenamtliches Engagement und vor allem seiner humorvollen und einnehmenden Art die Schachlandschaft des USV bereicherte. Klaus verstarb am 04. Juli 2024 nach schwerer Krankheit an einem Krebsleiden. Ihm seien diese Zeilen als Andenken gewidmet.

Klaus Link beim Mannschaftskampf im Jahr 2015.

Klaus wurde am 21.01.1966 in Elsenfeld geboren. Seine Faszination für das Schachspiel entdeckte er schon früh. Er begann seine Schachkarriere zusammen mit einigen weiteren Jugendspielern beim Schachklub Elsenfeld in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre. Thomas Becker, damals Jugendleiter des Schachklubs Elsenfelds, erinnert sich an die Meisterschaft in der Unterfrankenliga und die darauffolgenden erfolgreiche Jahre in der Regionalliga Nordwest. Regelmäßig verschlug es damals das junge Team rund um Klaus (siehe Mannschaftsfoto) nach Marktleuthen, Hof, Forchheim, Bayreuth und sogar Garmisch-Partenkirchen.

Mannschaftsfoto des Schachklubs Elsenfeld (März 1983). Stehend von links:  Horst Hesse (Vorstand), Manfred Wilde, Klaus Link, Arno Fries, Steffen Klug, Helmut Futschik, Otto Peters. Sitzend von links: Peter Kus, Dr. Walter Klug, Thomas Becker, Dr. Bernhard Burg (Vorstand), Helmut Haas (Spielleiter).

Anfang der 2000er Jahre wechselte Klaus schließlich zum SK 1982 Klingenberg. Hier fühlte Klaus sich zu Hause, er schloss viele neue Freundschaften und erlebte über die kommenden Jahrzehnte viele gesellige Stunden, egal ob mit oder ohne Schachbrett, zusammen mit den Klingenberger Schachfreunden.

Klaus Link im Jahr 2001 beim Jugendtraining.

Die Zahl von 178 DWZ-Auswertungen steht für sich und zeugt von seiner langen Schachkarriere. Ein großes Vorbild für Klaus war die „Schachoma“ Marianne Hartlaub (1926 – 2018). Oft hörte ich Klaus von ihrer lebensfrohen, lustigen und aktiven Art schwärmen. Marianne spielte bis ins höchste Alter auf allen möglichen Schachturnieren. Schon im Januar füllte sie ihren Schachkalender für das ganze Jahr.  ­Klaus‘ selbstgestecktes Ziel war es ihre Anzahl von 227 DWZ-Auswertungen noch zu übertreffen. Dieses Ziel zu erreichen ist ihm nun nicht mehr vergönnt. Dennoch war er auf dem besten Wege dahin! Klaus spielte Turniere landauf, landab und bereicherte in allen Herren Länder die Turniersäle mit seiner ausgeglichenen, bedachten und unvergleichlich humorvollen Art.

Es schien, als hätte Klaus für jede Situation, sei sie freudvoll, witzig oder traurig, eine Lebensweisheit im Lebensweisheitenköfferchen (Klaus liebte solche Wörter…). Florian Voellinger erinnert sich an eine Lebensweisheit zum Thema Bauchgefühl: „Bei rationalen Entscheidungen kann man von außen gut Rat geben. Bei Gefühlsentscheidungen hingegen schlecht, weil man hier mit der Zeit seinen eigenen Erfahrungsschatz aufbauen muss. Viele dieser Entscheidungen (besonders die prägnanten) machen dann in Summe ein Bauchgefühl aus“ (KL).

Klaus beim Analyseabend 2004.

Seine Faszination für das Schachspiel war dabei immer präsent. Bis zuletzt suchte er noch „jede Lücke, wo ich noch auf ein Schachturnier kann“ (KL; 05.06.2024) und er selbst wirkte sogar bei der Organisation von Schach960 Turnieren mit. Ein Turnier war für Klaus mehr als eine Aneinanderreihung von Schachpartien. Ein Turnier war ein Erlebnis. Jedes Turnier stand für sich, jedes hatte seine Eigenheiten, seine Besonderheiten, seine einzigartigen Schachprotagonisten, die auf- und abseits des Brettes zur Turnieratmosphäre beitrugen. Die Turnieratmosphäre war Klaus besonders wichtig. Gefiel sie ihm nicht, so spielte er nicht. Da war er kompromisslos. Wenn er aber spielte, so war er im wahrsten Sinne des Wortes mit Leib und Seele mit von der Partie. Man kann wirklich sagen: Er lebte das Turnier. Und davon berichtete er immer gerne. Nicht nur über das geschriebene Wort auf der Vereinshomepage oder der Homepage des USV, nein, vor allem auch in zahlreichen kleinen detailverliebten Anekdoten, die er immer wieder gerne mit Freunden und Vereinskollegen teilte, um sich gemeinsam zurückzuerinnern. Klaus hatte sich über die Jahrzehnte einen regelrechten Schatz an Turnieranekdoten gesammelt. Ein Turnier bekam für ihn dadurch einen wahrhaftigen emotionalen Wert. Ein Wert, der über Worte, Anekdoten und Mattkombinationen weit hinaus geht.

So erzählte mir Klaus beispielsweise immer wieder gerne vom BSGW-Open, welches jedes Jahr im März in Erlangen stattfindet – und das schon seit vielen Jahrzehnten. Es handelt sich zwar um ein „relativ gewöhnliches fünfrundiges Turnier“, doch zog es Klaus immer wieder zu dieser Spielstätte zurück. Stolz berichtete er mir, wie er dort schon in den 1980er Jahren erstmals gespielt habe und er eine solche Verbundenheit mit diesem Turnierort empfinde, dass er immer wieder gerne dorthin zurückkehrte. Das beweist schon ein schneller Blick auf die DWZ-Karteikarte. Schon der erste Eintrag aus dem Jahr 1992 listet das 10. BSGW-Open. Klaus erzielte dabei ein sensationelles Ergebnis von 4.5/5 und erreichte eine DWZ-Performance von beachtlichen 2170. Bis zum Ende der 90er Jahre kehrte Klaus jedes Jahr wieder nach Erlangen zurück. Im Jahr 2000 folgten schließlich Hausbau und Familiengründung. Der Fokus verschob sich etwas, Berge und Gipfel wurden erklommen, die jährlichen Fahrten nach Erlangen ruhten, waren aber nicht vergessen. Die Faszination für das Schachspiel blieb.

Klaus zusammen mit seiner Familie bei der Aufstiegsfeier 2013.

So gingen die Jahre ins Land und die Sehnsucht wuchs. Im Jahr 2013 war es dann endlich so weit, und die Rückkehr nach Erlangen erfolgte. Bis heuer folgten noch fünf weitere Teilnahmen bei diesem schönen familiären Turnier. Das verdeutlicht, wie groß der emotionale Wert eines Turniers für Klaus sein konnte, und wie somit ein „relativ gewöhnliches Turnier“ ein außergewöhnliches Schacherlebnis wurde.

Auch die Schachvereine selbst lagen Klaus am Herzen. Mit großer Sorge betrachtete er den kontinuierlichen Rückgang der Vereine und des ehrenamtlichen Engagements. Er entwickelte die Idee „schwächelnde“ Vereine im Sinne der Breitenschach- und Motivationsförderung mit einem „Methodenkoffer“ am Vereinsabend zu besuchen und Trainingsmaterialien, Trainingskonzepte und Ideen für die Jugendarbeit bei den Vereinsmitgliedern vorzustellen, um diese Vereine wieder anzutreiben und das Engagement wieder zu beleben.

Doch nicht nur auf Vereinsabenden und unzähligen Turnieren und Meisterschaften war Klaus ein gern gesehener Gast! Sein Engagement für das Schachspiel ging weit über das Turnierspiel hinaus. So engagierte Klaus sich von 2014 bis 2016 als 1. Jugendleiter seines mittlerweile liebgewonnen Vereins, dem SK 1982 Klingenberg, und dabei hatte er sicherlich einen maßgeblichen Anteil am Aufschwung der „goldenen Generation der Klingenberger Schachjugend“, wie er selbst in seinem Bericht „4gewinnt!“ vom 20.06.2015 schrieb. Auch ich sehe Klaus heute noch vor mir, zusammen bei der Partieanalyse sitzend, und immer munter vom „Oktopusspringer“ mit seinen „acht Armen“ in der Mitte des Schachbretts erzählen. Von 2017 bis 2021 übernahm Klaus schließlich das Amt des Pressereferenten und Medienwartes des USV. Seine humorvollen Berichte, gespickt mit farbenfrohen Bildern, Partien, Analysen und allem, was das Schachspielerherz begehrt, sind wohl noch allen eindrücklich in Erinnerung. Besonders hervorzuheben sind seine Berichtserien „10 Fragen an“ sowie zu den Unterfränkischen Einzelmeisterschaften. Der „Schachzug“ zur nächsten UEM muss nun ohne ihn weiterfahren. Seine Verdienste um das Schach wurden 2017 mit der Verdienstnadel in Gold gewürdigt.

Klaus war nicht nur bei allen möglichen Turnieren und Schachveranstaltungen dabei, er war mittendrin. Tobias Kuhn, der einmal bei einem Turnier zusammen mit Klaus übernachtete erinnert sich an die folgende Anekdote: „Immer, wenn ich wach geworden bin, habe ich das Fenster zugemacht, weil mir zu kalt war. Beim nächsten Aufwachen war das Fenster wieder offen. :D“. Eine weitere Anekdote, die sich erst kürzlich im digitalen KI-Zeitalter ereignete, geht wie folgt: Udo Hofmann hatte nach einem Schachturnier die Idee, dass man die Partie direkt vom Formular in die Analyse geben könnte, statt diese mühsam einzutippen. Klaus – wie immer offen für neue Anregungen – ermunterte dazu, die Idee trotz amüsanter Rückschläge weiter zu verfolgen (ChatGPT schlug z.B. vor, dass man bei geringen Programmierkenntnissen, die Partie ja auch manuell eingeben könnte…).

Klaus (vorne, dritter von links) zusammen mit der ersten Mannschaft des SK 1982 Klingenberg (2013).

Ich selbst lernte Klaus in den 2010er Jahren kennen und schätzen. Wir spielten auf sehr vielen Turnieren zusammen, nur auszugsweise nennen möchte ich die UEM, das schon angesprochene BSGW-Open in Erlangen, das Forchheim-Open, das Seebach-Open, das Buchen-Open und zuletzt auch die ACO-Amateurweltmeisterschaft auf der sonnigen Insel Kos. Klaus liebte es auch zu lesen und seinen Lebensweisheitenkoffer (und seine Schachberichte!) mit Buch- oder Musikzitaten anzureichern. Er liebte es in Schachbüchern zu schmökern, seine Literatur war aber bei weitem nicht auf diese beschränkt. Ich kann mich noch sehr genau an eines der Buchen-Open erinnern, währenddessen Klaus und ich zufällig gerade das gleiche Buch lasen („Die Interessanten“ von Meg Wolitzer). Klaus nahm das Buch immer mit in den Turniersaal und seine Ausgabe war gespickt mit kleinen bunten Notizzettelchen, die den Weg zu den besten Buchzitaten wiesen, welche selbst nochmal im Text farblich hervorgehoben und mit Notizen versehen waren. Noch wenige Tage vor seinem Tod, tauschten wir uns über aktuelle Buchneuheiten und -empfehlungen auf dem Schachmarkt aus. Wir kamen auf ein Buch zu sprechen, welches wir (erneut) beide lasen, und Klaus meinte nur augenzwinkernd: „Das Buch muss ich auch wieder rausholen“.

Im Jahr 2020 habe ich Klaus einmal als Interviewpartner für einen Bericht von mir gewinnen können, bei dem es um die Auswirkungen der Coronapandemie auf das Schach ging. Das Zitat von ihm steht für sich und verdeutlicht einmal mehr, welche Bedeutung das Schach für Klaus hatte und worauf es ihm ankam: „Ein seltsames Jahr, dieses 2020! Corona hat die Welt patt gesetzt – Außer vielleicht ein kleines gallisches Dorf – die Schachwelt. Schach boomt auf Netflix und den Onlineportalen. Schach ist prädestiniert für das Internet und somit privilegiert gegenüber anderen Sportarten, die momentan komplett brach liegen. Und trotzdem. Rückblickend war mein schachlicher Saisonhöhepunkt 2019/20 nicht die European Online Chess Championship, das glänzend organisierte Kelheimer WWOO Turnier oder ein gewonnenes Schnellschachturnier auf lichess, sondern das nachgeholte Verbandsrundenspiel in der Landesliga, Runde 8, das nicht wie geplant im Frühjahr, sondern erst im ungewohnten September stattfand. Und es war allein schon bemerkenswert, dass es überhaupt stattfand. Gegen einen Schachfreund aus Fleisch und Blut, ein Wettkampf am Brett, mit Emotionen, Mimik, Gestik, sprich ein Erlebnis mit Resonanz. Auch die treuen Versuche, den hygienetechnisch abgesicherten Schachabend mit Partieanalysen und anschließendem, gemeinsamen Essen beim Italiener aufrechtzuerhalten, bleiben in spärlicher Erinnerung. Neben der Gesundheit, die schon immer als guter Wunsch zugesprochen wird, haben wir im abgelaufenen Jahr gemerkt, wie bedeutend direkter sozialer Kontakt mit Mitmenschen, alten Bekannten, Freunden oder Clubkameraden ist. Das können kein Discord Server, live chat oder andere soziale Medien ersetzen“ (KL).

Klaus Link zusammen mit Klaus Kraich bei der Aufstiegsfeier der ersten Mannschaft im Jahr 2013.

Erkundung des Bayerischen Waldes am Tag vor dem Verbandsrundenspiel gegen Bad Kötzting (2024).

Klaus wird eine Lücke in der unterfränkischen Schachlandschaft hinterlassen. Wir werden ihn als Menschen, Freund, Schachpartner, Turnierveteran, Lebensweisheitenweitergeber, Blitzlichtgewitterbeauftragten, Berichteschreiber, Schachbotschafter, Anekdotensammler, Taktik-Spürnase, Dompteur der Rampensau und Lokführer des Schachzuges schmerzlich vermissen. Im Rahmen des bald anstehenden Jubiläumsturnier des Schachklubs 1929 Mainaschaff sollte Klaus für all sein Engagement rund um das Schachspiel vom USV geehrt werden. Der Pokal für diese Auszeichnung stand schon bereit (siehe Foto).

Der schon vorbereitete Pokal für Klaus‘ Ehrung.

Es waren nicht die Ergebnisse, nicht der Turniersieg, nicht immer das nach außen hin sichtbare, das Klaus am Schachspiel schätzte. Es war das Unsichtbare, das nicht Messbare, das Emotionale, der Fortschritt und die Weiterentwicklung, das Miteinander, die Faszination des Spiels an sich, eine versteckte Kombination, die Schönheit eines Zuges, die Klaus am Herzen lagen. Das bedeutete es für ihn Schachspieler zu sein – mit Leib und Seele.

Und wenn es sich am Ende des Tages nun also „ausgeblitzt“ hat und „des Lebens Ruf“ (H. Hesse) zu enden scheint, und dann doch noch die eine Frage offensteht, ob es denn „die Schuld des Lebens“ sei, welches „nicht lange genug ist“ das Schachspiel zu meistern, so dürfen wir doch, und ich denke ganz in Klaus‘ Sinne, feststellen, dass es zumindest lange genug ist, um sich auf die Reise zu machen – und darauf kommt es an.

Arctic Henge – das isländische Stonehenge (KL, 2024).

 

Quellen und Anmerkungen:

Verfasser: Jonathan Simon, SK Mömbris

 

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