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Merz und die FDP: Was ist da los?

Eigentlich sind Union und FDP seit vielen Jahren natürliche Partner. Doch nun scheint es im bürgerlichen Lager zu einer Entfremdung zu kommen – besonders zwischen CDU und Liberalen. Friedrich Merz hat seine Gründe dafür. Auch das noch. Als es Mitte Juli um die Wiederwahl der europäischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geht, stimmen neben den Abgeordneten der CDU und CSU auch Grüne und SPD für die deutsche Kandidatin. Nur eine der Ampelparteien stellt sich gegen von der Leyen: ausgerechnet die FDP . Der Grund: Die Freien Demokraten wollen kein "Weiter so", erklärt die liberale Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Außerdem habe von der Leyen neue Schulden nicht ausgeschlossen. ( Mehr dazu lesen Sie hier .) In der Union herrscht deshalb Fassungslosigkeit. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, keilt gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Liberalen hätten sich unter dem Eindruck ihres Existenzkampfes von einer seriösen Arbeit in Europa verabschiedet. Und CDU-Chef Friedrich Merz kritisiert, er habe "schon seit Monaten kaum noch Verständnis für die Haltung einer ganzen Reihe von FDP-Abgeordneten sowohl im Europa-Parlament als auch im Deutschen Bundestag". Dabei ist es nicht lange her, da sprach man voneinander noch als "natürlichem Partner". Union und FDP, das nannte sich früher einmal das "bürgerliche Lager", man kennt sich, schätzt sich und weiß: Mit dem jeweils anderen hat man politisch die größte Schnittmenge. Inzwischen aber scheint es, als sei der Wurm drin. Und zwar so richtig. Über Monate entfremdet – Merz sucht keine Nähe zur FDP Zu beobachten ist das bereits seit einigen Monaten. Immer wieder gehen sich besonders CDU und FDP in der Öffentlichkeit hart an. So wirft die FDP der CDU eine zu große Nähe zu den Grünen vor, während die CDU etwa Tricksereien beim Haushalt kritisiert. So sagte der Vize-Fraktionschef der Union, Mathias Middelberg, dem "Tagesspiegel" am Samstag mit Blick auf die Debatte um den Bundeshaushalt 2025: Der FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner agiere "mittlerweile wirklich verlogen". Auch im Hintergrund soll der Draht längst nicht mehr so eng sein, wie er einmal war – von Abgeordneten bis hinauf zur Parteispitze. Eigentlich haben gerade die beiden Vorsitzenden Lindner und Merz lange ein gutes Verhältnis zueinander gepflegt. Im Sommer 2022 waren der CDU-Chef und seine Frau Charlotte Merz sogar zur Hochzeit des Finanzministers nach Sylt gereist. Mittlerweile, so heißt es aus dem Umfeld der beiden, soll der Kontakt deutlich reduziert worden sein. Und nicht nur das. Ausgerechnet Merz war in den vergangenen Wochen und Monaten oft der Auslöser dafür, dass es zwischen den Christdemokraten und den Liberalen kriselt. Während mancher in der Union nach wie vor einen guten Draht zu den Liberalen pflegt, sich teils weiter in Traditionsrunden, wie der sogenannten "Kartoffelküche", mit ihnen austauscht, sucht der CDU-Chef die Nähe nicht mehr, im Gegenteil: Als Bijan Djir Sarai im Februar eine Offensive in Richtung Schwarz-Gelb startet, lässt Merz ihn abtropfen. Der FDP-Generalsekretär hatte der "Bild am Sonntag" gesagt, er sei der festen Überzeugung, "dass eine bürgerliche Koalition aus CDU, CSU und FDP in der Lage sei, die Probleme des Landes nicht nur gemeinsam richtig zu analysieren, sondern tatsächlich auch gemeinsam Lösungen zu finden". Merz entgegnete dem nur, es werde keine Präferenz einer Koalition von Union mit der FDP geben. Als der Parteichef anschließend in einer seiner #MerzMails über mögliche Koalitionspartner schreibt, erklärt er die Freien Demokraten sogar gewissermaßen für obsolet. Merz schreibt dort: "Mit der FDP ließe sich eine bürgerliche Koalition am ehesten verwirklichen, fraglich ist aber, ob sie als Partei überlebt." Neue Annäherungsversuche soll es seitdem nicht gegeben haben. Ärger und Enttäuschung bei den Liberalen In der FDP ist man deshalb durchaus verstimmt. Gerade an der Parteibasis wünschen sich viele wieder ein Bündnis mit der Union – auch wenn diese Sehnsucht eher aus dem Unwohlsein mit der Ampel rührt: Das Regieren mit der SPD, vor allem aber mit den Grünen, behagt vielen Liberalen nicht, fast automatisch rückt die Union für die FDP deshalb wieder in den Fokus. Umso genauer registriert man in der FDP darum, dass zuletzt der Tonfall rauer geworden ist, speziell seitens Merz. Von "vergifteter Atmosphäre" spricht mancher hinter vorgehaltener Hand. Andere wirken enttäuscht bis verärgert, dass sich Merz stärker den Grünen zuwendet, zuletzt etwa Vizeparteichef Wolfgang Kubicki . Auf Merz' Schelte über das Abstimmungsverhalten der deutschen Liberalen im EU-Parlament polterte Kubicki auf X: "Lieber Friedrich Merz, ich wünsche Dir mit den Grünen gute Reise – in den Abgrund." Dass sich der Ärger der Liberalen insbesondere an der Person Merz aufhängt, ist kein Zufall: Merz verkörpert ob seiner Vergangenheit als Aufsichtsratschef beim Vermögensverwalter Blackrock die wirtschaftsliberale CDU – und macht mit seinen Positionen der FDP Konkurrenz, die im Wahlkampf stark mit ihrer Wirtschaftskompetenz punkten will. Die Sorge mancher Liberaler, die derzeit nur knapp den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen würden: Als potenzieller Kanzlerkandidat könnte Merz die FDP unter fünf Prozent drücken. Merz' Motiv: Was der CDU-Chef sich erhofft Ganz weit hergeholt ist diese Furcht nicht. Merz hat durchaus ein Interesse an Wählerinnen und Wählern der FDP. Er sagt sogar selbst, dass die Union in einem Bundestagswahlkampf eventuell aktiv um FDP-Wähler werben werde – etwa wenn absehbar sei, dass die Liberalen nicht mehr in den Bundestag einziehen könnten. "Ob wir dann besondere Rücksicht nehmen, zum Beispiel auf die FDP, oder nicht, hängt auch von ihrer Fähigkeit oder ihrer Stärke ab, die sie zum gegebenen Zeitpunkt hat", so der CDU-Chef. Wenn es Merz gelingt, die gesellschaftspolitisch konservativeren FDP-Anhänger für sich zu gewinnen, könnten das am Ende wichtige Prozente sein. Sie könnten im Zweifel darüber entscheiden, ob die CDU im Falle eines Wahlsieges ein Zweier- oder ein Dreierbündnis eingeht. Und bei aller Freundschaft: Wenn Merz die Wahl hat, ob er mit den Grünen oder der SPD zu zweit oder in einer Dreierkonstellation mit den Liberalen regiert, ist die Entscheidung klar. Die FDP fällt dann heraus. So viel hat der CDU-Chef von der Ampel gelernt. Die Frage ist: Geht der Poker am Ende auch wirklich auf? Denn wenn nicht, dann verprellt der CDU-Vorsitzende gerade einen wichtigen Verbündeten.

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