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Eisdielen vermiesen Sommervergnügen: Bargeld ist Schuld

In deutschen Eisdielen und anderen Geschäften dominiert oft noch das Bargeld, obwohl elektronische Bezahlmethoden schneller und effizienter wären. Ein Selbstversuch. Als ich am vergangenen Wochenende einen Ausflug an die Nordsee nach Büsum in Schleswig-Holstein gemacht habe und auf der Suche nach einer Eisdiele war, in der ich mit Karte bezahlen konnte, wurde ich wieder einmal in meinem Vorurteil bestätigt. Die Deutschen haben einen Fetisch und der heißt Bargeld. Bargeld statt Karte Das Ergebnis meiner Suche in dem knapp 5.000 Einwohner zählenden Kurort, der sich auch für ein jüngeres Publikum immer schicker macht, war nicht überraschend. Am ersten Laden hing direkt ein Schild mit durchgestrichenem EC-Symbol am Fenster – eine unterschwellige Botschaft vermittelte: Nur Bares ist Wahres. In den nächsten beiden Geschäften musste ich mich bei gefühlten 35 Grad in der Sonne an der Schlange vorbeischieben und fragen, ob ich mit Karte bezahlen kann. Leise, sonst könnte jemand denken, ich hätte nicht genug Kleingeld für ein Eis. Aber: Ich habe tatsächlich kein Kleingeld für ein Eis, höchstens einen Euro für die Sanifair-Toiletten auf Autobahnraststätten oder Bahnhöfen. Erst im fünften Eisladen war ein Bezahlgerät vorhanden, aber auch erst, nachdem ich darum bitten musste. Grundsätzlich vorausgesetzt wird Cash. Doch damit muss Schluss sein. Das fordert auch jüngst der Digitalverband Bitkom. Zu Recht. Schluss mit "Cash only" in Deutschland. Alle Geschäfte müssen bei den Bezahloptionen digitaler werden – oder wir verpassen auch hier den Zug. Doch was ist das Problem für diese Läden, die mir kein Eis ohne Kartenzahlung verkaufen wollen? Der Bargeld-Fetisch der Deutschen Die Eisdielen in Büsum sind keine Einzelfälle – vielleicht weil es ein Touristenort ist oder weil das Durchschnittsalter der Besucher dort bei 60 Jahren liegt. Haben Touristen wirklich immer Bargeld einstecken und ältere Menschen ein Vertrauensproblem in digitale Bezahlsysteme? Allein in der Millionenmetropole Hamburg könnte ich Ihnen ein paar Dutzend Läden in Altona, St. Pauli oder in der Schanze aufzählen, in denen nur Bargeld akzeptiert wird. Und hier kaufen Touristen jedes Alters aus der ganzen Welt ein. Bei diesen Geschäften, die auf Bargeld bestehen, kommt mir leider immer als Erstes eines in den Sinn: Selbst wenn es einen Kassenbon gibt, weiß ich dann schon, ob dort alles legal versteuert wird? Nicht, dass mich das etwas anginge. Der Versuchung zu erliegen, aufgrund der hohen Preissteigerungen in den Krisenjahren ein paar Euro am Fiskus vorbeizuschleusen, ist nur allzu menschlich – aber alles andere als fair. Zum Glück oder zu meinem persönlichen Pech bin ich nicht der Einzige, den der Bargeldfetischismus nervt. Spott und Häme für die deutschen Bargeldhorter Der Digitalverband Bitkom verwies auf Spott und Häme von Touristen während der Fußballeuropameisterschaft. Fußballfans aus England, Italien , Belgien oder auch Rumänien seien irritiert gewesen, wenn eine Bezahlung mit Karte oder Smartphone in Kneipe oder Kiosk verweigert wurde, erklärte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Ich bestehe nicht auf "digital payment only". Aber zur Wahlfreiheit der Bezahlung an den Kassen sollte nicht nur Bargeld möglich sein, sondern es sollten eben auch digitale Bezahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Ich kann dem nur vollkommen zustimmen: Wahlfreiheit bedeutet nicht die Abschaffung des Bargelds, sondern eine Alternative neben Scheinen und Münzen. Es gehe um mehr als mehr Komfort an der Kasse – die Ausweitung digitaler Bezahlmethoden sei "ein Katalysator, der die notwendige Digitalisierung Deutschlands vorantreibt", so Wintergerst weiter. Geschäfte verzichten lieber auf Kunden Ich habe nachgerechnet: Eisverkäufer in Büsum müssten für eine Wundertüte mit drei Kugeln Eis, Sahne und Schokosoße für 7,50 Euro zwischen 1,5 und 3,5 Prozent an einen Zahlungsdienstleister wie Adyen, Worldline oder Sumup abtreten, wenn mir gestattet wäre, mit Kreditkarte zu bezahlen. Der abzuführende Betrag liegt zwischen 11 und 26 Cent. Bei Zahlung mit einer EC- oder Debitkarte liegen die Gebühren im Schnitt sogar nur bei 0,2 bis 1,5 Prozent – also unter dem Strich zwischen 1,5 und 11 Cent. Statt mir eine Wundertüte für 7,39 Euro statt 7,50 Euro zu verkaufen, verzichteten sie lieber komplett auf das Geschäft mit mir als Kartenzahler. Dabei sind digitale Transaktionen nicht nur schnell – auch im Vergleich zum lästigen Heraussuchen zerknickter Scheine und verschmutzter Münzen aus dem Portemonnaie oder der Suche nach Wechselgeld – sondern auch transparent. Win-win-Situation Aber vor allem seien digitale Bezahlmethoden durch Pin und Zwei-Faktor-Authentifizierung "besonders sicher", argumentiert der Digitalverband Bitcom. Gewerbetreibende und Händler profitierten zudem von einer höheren Kundenbindung. Gesamtgesellschaftlich führe digitales Bezahlen zu mehr Steuergerechtigkeit, weil Schattenwirtschaft und Steuervermeidung erschwert würden, so der Verband weiter. Ob man in Deutschland die verpflichtende Möglichkeit des digitalen Bezahlens unter Androhung von Geldbußen ähnlich wie in Italien einführen sollte? Vielleicht wäre das für einen befristeten Zeitraum eine gute Idee. Dann hätte ich auf der einen Seite, wo ich möchte, ein leckeres Eis in den Händen und keine Panik mehr, es nicht bezahlen zu können. Andererseits wäre schließlich (und endlich) sicher mehr Geld auf dem Geschäftskonto der Eisdiele – eine Win-win-Situation.

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