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Von Friedens-Demos und müden Propagandisten

Preview Die Friedens-Demos vom 3. August 2024 wurden nicht – wie sonst üblich – von den feindseligen und bösartigen Medienstücken begleitet, die der Diffamierung dienen. Ein gutes Zeichen ist das aber nicht.

Von Tom J. Wellbrock

Viel hat man nicht mitbekommen von der Friedens-Demo der "Querdenker" in Berlin, es sei denn, man war vor Ort. Die großen Medien hatten kein großes Interesse an der Demo, und selbst der Tagesspiegel – normalerweise ein Garant für abscheuliche Pressearbeit – wirkte überraschend zahm. Der Grund ist ein trauriger: Man sah offenbar keine Notwendigkeit, mit Unterstellungen, Beleidigungen und Diffamierungen auf die Menschen mit spitzer Feder einzuprügeln. Der Tagesspiegel hatte seinen Text nicht einmal selbst geschrieben, sondern einfach von der dpa übernommen.

Dienst nach Vorschrift

Der Tagesspiegel schreibt geradezu gelangweilt:

"Am Demonstrationszug haben nach deren Schätzung 9.000 Menschen teilgenommen, an der Kundgebung bis zu 12.000, wie ein Polizeisprecher erklärte. In elf Fällen stellte die Polizei Verstöße gegen die Auflage fest, keine Symbole mit Bezug zu dem vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften und inzwischen verbotenen Magazin 'Compact' zu zeigen. Die Polizei war mit insgesamt 500 Beamten im Einsatz."

Die Zahlen der Veranstalter wurden gleich ganz unterschlagen (es gibt Schätzungen, die von 30.000 bis 35.000 Teilnehmern ausgehen, was aber vermutlich zu optimistisch ist), beiläufig wird der Demo eine Nähe zum Magazin Compact unterstellt. Richtiger Biss lässt sich aber nicht herauslesen. Und so beiläufig geht es auch weiter:

"Einige Demonstranten forderten auf Transparenten die 'Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen' und 'Konsequenzen für die Verantwortlichen'. Andere Teilnehmer schwenkten Fahnen mit der Friedenstaube. Auch das Peace-Zeichen war mehrfach zu sehen."

Auf einem T-Shirt, so schreibt der Tagesspiegel, habe "Querdenker hatten recht – von Anfang an" gestanden, aber es wirkt, als wolle man hinzufügen: "Na und? Wen kümmert's?"

Job erledigt

Im Vorfeld kam es laut Organisator Michael Ballweg zu Verzögerungen, die bei den Veranstaltern zu Problemen führten. Angeblich sollen "zufällig" auch diverse Webcams in Berlin ausgefallen sein, ausgerechnet zum Zeitpunkt der Demo, sodass die Teilnehmerzahl schwerer zu ermitteln war. Direkt an der Siegessäule durfte am 3. August nicht demonstriert werden. Die Rede ist darüber hinaus von Problemen bei der Anfahrt durch Pannen bei der Bahn. Letzteres kann natürlich auch die ganz normale Unfähigkeit der Deutschen Bahn sein, aber bewusste Störungen kann man dennoch nicht ausschließen.

Alles in allem muss man konstatieren, dass viel zu wenig Leute auf der Straße waren, wenn man bedenkt, dass Deutschland eine Wiederholung des NATO-Doppelbeschlusses bevorsteht (nur, anders als damals, ohne Verhandlungen). Der Großteil der Menschen bekommt wegen der Propaganda von Politik und Medien wahrscheinlich nicht mal viel mit von der Bedrohung, der er durch die wahnwitzigen politischen Entscheidungen ausgesetzt wird.

Andere sind vielleicht müde, erschöpft oder überfordert, weil es einfach zu viele Krisenherde auf der Welt und in Deutschland gibt. Eine solche Erschöpfung ist natürlich gerade in der jetzigen Phase fatal, menschlich aber mehr als verständlich. Die Welt ist eine andere als die der 1980er Jahre, die Menschen sind auch andere. Damals gab es ein gesundes Selbstvertrauen, gepaart mit Kampfgeist, Gerechtigkeitsempfinden und dem Wissen, nicht allein zu stehen mit seinen Überzeugungen. In Bonn gingen 1981 rund 300.000 Menschen auf die Straße, um gegen den NATO-Doppelbeschluss zu protestieren. Heute, in einer durchaus vergleichbaren Situation, sind es zwischen 10.000 und 35.000 gewesen, je nachdem, wer gezählt hat.

Es ist keine Idealisierung, wenn man Bonn mit Berlin vergleicht und zu dem Schluss kommt, dass damals eine andere Stärke wirkte. Man sollte daraus aber keinen Angriff auf das heutige Berlin ableiten. Die Dauerbeschallung der westlichen Propaganda zieht nicht spurlos an den Menschen vorbei, sie zermürbt und erschöpft.

Trotzdem sollten die Propagandaabteilungen in Politik und Medien sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Ein derart destruktives System, das immer maroder wird und dessen Lügen immer durchschaubarer werden, ist zu seinem eigenen Ende verdammt. Die Friedens-Demo in Berlin mag an den entsprechenden Schreibtischen zunächst Zufriedenheit und Genugtuung auslösen, denn dort war kein kämpferischer großer Löwe zu sehen, sondern eine müde Antilope, die bemüht ist, ein gewisses Grundtempo zu finden. Doch nachdem sie eine Weile immer langsamer geworden sein wird, nimmt sie irgendwann wieder Tempo auf. Sie kann gar nicht anders, denn ihr Leidensdruck wird einen Punkt erreichen, an dem es nur den endgültigen Stillstand oder die offensive Bewegung nach vorne geben kann.

Deutschland ist ein Land, von dem man unmöglich sagen kann, wann der Punkt der Bewegungsaufnahme erreicht ist. Doch wenn die kritische Masse sich gefunden hat, wird sie losbrechen. Und dann wird sie keiner mehr aufhalten können.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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