Demokraten-Parteitag in Chicago: Wahlkampfshow für Kamala Harris
Parteitage im US-Wahljahr sind eigentlich große Krönungsmessen. Bei den Demokraten ist in diesem turbulenten Wahlkampf vieles anders. Ein Spektakel ist trotzdem zu erwarten. Die US-Metropole Chicago ist in den kommenden Tagen Schauplatz eines weiteren großen Spektakels im Präsidentschaftswahlkampf. Die Demokraten kommen dort zu einem viertägigen Parteitag zusammen. In diesem Jahr ist alles etwas anders als in früheren Wahljahren. Eigentlich hätte die Partei in Chicago Präsident Joe Biden offiziell zum Kandidaten für die Wahl im November küren sollen. Doch der 81-Jährige stieg auf Druck seiner Partei hin im Juli in einer dramatischen Wende aus dem Rennen aus und machte Platz für seine Vizepräsidentin Kamala Harris . Die 59-Jährige steht bei der Zusammenkunft nun im Rampenlicht. Wird Harris bei dem Parteitag offiziell nominiert? Jein. Die Demokratische Partei hatte die Kandidatenkür vorgezogen und digital abgewickelt – wegen Fristen für den Druck von Wahlzetteln in einem Bundesstaat. Die mehr als 4.500 Delegierten aus allen Bundesstaaten, die am Parteitag im Bundesstaat Illinois teilnehmen, gaben bereits Anfang August bei einem Online-Votum ihre Stimmen ab und nominierten Harris offiziell als Präsidentschaftskandidatin. Auch ihr Vizekandidat Tim Walz ist bereits gekürt. Die Partei hatte vorab festgelegt, dass für den Vize kein separates Votum nötig sein würde nach dessen Auswahl durch die Kandidatin. Für beide wird es in Chicago laut Partei allerdings "feierliche und zeremonielle" Abstimmungen geben. Dies hat jedoch allein symbolischen Charakter. Was passiert sonst bei dem Treffen? Harris und Walz werden bei dem Parteitag auftreten und mit großen Reden ihre Nominierung feiern, die Basis anheizen und ihre Pläne für die Zukunft darlegen. Auch jede Menge andere Hochkaräter aus der Partei werden sprechen, darunter Biden. Auftritte von den Ex-Präsidenten Barack Obama und Bill Clinton werden erwartet, ebenso wie von Hillary Clinton , die 2016 als erste Frau Präsidentschaftskandidatin der Partei war. Die Partner von Harris und Walz dürften ebenfalls auftreten. Daneben dürfte es einige Show-Einlagen geben. Und: Die Partei beschließt ihr inhaltliches Programm für die Wahl. Draußen wiederum dürfte es Kontrastprogramm geben: Erwartet werden einige Proteste rund um Parteitags-Halle – vor allem gegen die Nahost-Politik der Biden-Harris-Regierung. Wie genau ist der Ablauf? Das Hauptprogramm bei dem Parteitag, der bis Donnerstag läuft, spielt sich nach Ortszeit abends ab – also jeweils in der deutschen Nacht. Die Versammlung zieht sich damit bis in den deutschen Freitag. Die Partei hat das genaue Programm noch nicht veröffentlicht – einige Termine stehen aber schon fest: Gemäß der Tradition früherer Parteitage spricht Harris zum großen Abschluss am letzten Abend, also in der deutschen Nacht zu Freitag. Walz dürfte am Tag zuvor reden. Biden soll in der deutschen Nacht zu Dienstag sprechen. Sein Auftritt dürfte auch dem Versuch der Demokraten dienen, nach einigen parteiintern sehr hitzigen und konfrontativen Wochen vor seinem Ausstieg wieder Geschlossenheit zu demonstrieren. Steht die Show im Mittelpunkt beim Parteitag? In gewisser Weise, ja. Nach langen lähmenden Debatten über Bidens Zustand hat die Demokraten ein neuer Enthusiasmus-Schub erfasst. Dabei ist völlig unklar, ob sich Harris am Ende tatsächlich gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump durchsetzen kann. Die Partei ist sehr darum bemüht, den Schwung aufrechtzuerhalten, und dürfte den Parteitag als große Inszenierung von Aufbruch gestalten. Harris' Auftritte waren bislang insgesamt streng choreografiert. Sie hat seit ihrem Start als neue Frontfrau keine Interviews oder Pressekonferenzen gegeben, sondern beschränkt sich auf durchgetaktete Wahlkampfauftritte – wohl im Bemühen, sich an ein festes Skript zu halten und keine Fehler zu machen. In den Wochen nach dem Parteitag bis zur Wahl dürfte sie damit nicht mehr durchkommen. Dann steht ihre echte Bewährungsprobe bevor. Was machen die Republikaner? Die Republikaner stimmen sich mit ihren Angriffen offenbar schon jetzt darauf ein, Harris auch bei einem Wahlerfolg das Amt streitig zu machen. Auf sozialen Medien mehren sich die Stimmen der politischen Gegner, die Harris' Kandidatur kritisieren. Immerhin war eigentlich geplant gewesen, dass der amtierende Präsident Biden noch einmal antritt. Dass er nun Harris als Nachfolgerin für die Kandidatur ernannt hat und es keinen internen Wahlkampf gab, nutzen die Republikaner als Angriffspunkt. Ex-Präsident Donald Trump unterstellte Harris gar, dass sie Biden die Kandidatur unrechtmäßig abgenommen habe. Auf seinem Netzwerk Truth Social schrieb er in der vergangenen Woche: "Die Präsidentschaft wurde Joe Biden weggenommen und ich bin kein Dan von Biden". Tatsächlich hatte Biden sich vor der offiziellen Nominierung seiner Partei zurückgezogen und seiner aktuellen Vizepräsidentin das Feld überlassen. Mit der benötigten Unterstützung von mindestens 2.350 Delegierten der Demokraten konnte Harris die Kandidatur entsprechend der Parteistatuten übernehmen. Gegen die Verfassung verstoßen können die Demokraten bei ihrer Nominierung übrigens gar nicht, wie es Trump und seine Anhänger propagieren. Denn in der US-amerikanischen Verfassung steht nichts zum Prozedere, wie die Parteien ihre Kandidaten für die Wahl auswählen.