"Britischer Bill Gates" und Morgan-Stanley-Vorsitzender nach Jachtunglück vermisst
Nachdem eine Jacht in der Nähe von Sizilien gekentert war, gelten mehrere Menschen weiterhin als vermisst, darunter der Tech-Unternehmer Mike Lynch und sein Bekannter, der Investmentbanker Jonathan Bloomer. 15 der Passagiere konnten sich retten, ein Mann wurde tot geborgen, sechs Personen werden weiterhin vermisst. Für die Vermissten gibt es wenig Hoffnung: Laut italienischen Medien haben Rettungskräfte durch die Bullaugen des gesunkenen Schiffs mehrere Leichen gesehen.
Unter den potenziellen Opfern ist der als "britischer Bill Gates" bezeichnete Tech-Unternehmer Mike Lynch, dessen Vermögen auf rund 587 Millionen Euro geschätzt wird. Auch Lynchs 18 Jahre alte Tochter Hannah gilt als vermisst, genau wie der Vorsitzende der Investmentbank Morgan Stanley International Jonathan Bloomer sowie der Anwalt Chris Morvillo und seine Frau Nada. Salvo Cocina, der Direktor des sizilianischen Katastrophenschutzes, bestätigte auf Nachfrage, dass diese Personen als vermisst gelten.
Die Luxussegeljacht mit dem Namen Bayesian war am frühen Montagmorgen zwischen 4 und 5 Uhr gesunken, als ein schweres Gewitter mit einer Wasserhose über die Nordküste Siziliens zog. Das Schiff ankerte etwa 700 Meter vom Hafen von Porticello entfernt und ging unter, nachdem es von heftigem Wind umgeworfen worden war. Nach Angaben des sizilianischen Katastrophenschutzes sind die Gäste und die Crew wohl "zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen". Ein weiteres Schiff, das in dieser Nacht in der Nähe ankerte, wurde demnach nicht derart heftig getroffen wie die Bayesian.
Das Wrack liegt nach Angaben der Rettungskräfte in etwa 49 Meter Tiefe. Laut der Nachrichtenagentur ANSA behindern Möbelstücke an Bord die Rettungsarbeiten. Diese sollen sich derart verkeilt haben, dass man nicht in die Innenräume der Jacht vordringen könne.
Bisher wurde der Tod eines Mannes, bei dem es sich um den Schiffskoch handelt, bestätigt. Fünfzehn Personen wurden gerettet, darunter Lynchs Frau Angela Bacares, der die Jacht gehört, und ein einjähriges Mädchen, das von seiner Mutter gerettet wurde.
Acht der Geretteten, darunter auch das Kind, wurden in Krankenhäuser gebracht und befinden sich in einem stabilen Zustand. Domenico Cipolla, der Chefarzt eines der Krankenhäuser, sagte dem Blatt, die meisten Überlebenden hätten erklärt, sie hätten für Lynch gearbeitet.
"Sie sind zutiefst traumatisiert. Mit der Zeit wird ihnen immer mehr klar, dass sie heute Morgen viele Freunde verloren haben", sagte Cipolla.
Nach Angaben der Küstenwache handelt es sich bei den Vermissten um britische, US-amerikanische und kanadische Staatsangehörige. Das neuseeländische Außenministerium hat ebenfalls bestätigt, dass zwei neuseeländische Staatsangehörige an Bord der Jacht waren, von denen einer überlebt hat.
Lynch, ein Multimillionär, der 1996 das Softwareentwicklungsunternehmen Autonomy mitbegründet hat, wurde gelegentlich als der "britische Bill Gates" bezeichnet. Allerdings war der 59-Jährige in den letzten zehn Jahren immer wieder in gerichtliche Auseinandersetzungen über Betrugsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Verkauf seines Unternehmens an den US-Technologiekonzern Hewlett Packard verwickelt.
Britische Medien, darunter die BBC, berichten, dass die Morvillos und Bloomer von Lynch auf die Jacht eingeladen worden waren. Das Ganze war demnach eine "Dankeschönreise": Morvillo hatte Lynch im kürzlich zu Ende gegangenen Rechtsstreit rund um den Verkauf seiner Softwarefirma an Hewlett Packard vertreten.
Das Verfahren endete im Juni mit einem Freispruch. Die Anklage hatte ihm Betrug und Verschwörung im Zusammenhang mit der elf Milliarden Dollar schweren Übernahme seines Unternehmens Autonomy Corp. vorgeworfen. Der Deal war bereits 2011 eingefädelt worden, Branchenkenner bezeichneten den Kaufpreis jedoch als "absurd hoch". Damals wurden Vorwürfe laut, dass Lynch Unterlagen gefälscht habe und die Zahlen des Unternehmens geschönt seien. Im Mai 2023 wurde er an die USA ausgeliefert.
Nachdem er ein Jahr lang unter Hausarrest verbracht hatte, sprach ihn ein Geschworenengericht in San Francisco schließlich frei. Lynch sagte anschließend, er sei "hocherfreut" darüber. Er hatte immer wieder jegliches Fehlverhalten bestritten und HP die Schuld dafür gegeben, die Integration der beiden Unternehmen verpfuscht zu haben.
Vor der Krise rund um die Firmenübernahme hatte Lynch als Technik-Visionär gegolten und war oft in einem Atemzug mit Bill Gates und Steve Jobs genannt worden. Mit Autonomy kreierte Lynch eine Suchmaschine, die E-Mails und andere interne Geschäftsdokumente durchforsten kann. Aufgrund des schnellen Wachstums seiner Firma wurde er 2006 mit einer der höchsten Auszeichnungen Großbritanniens, dem "Officer of the Most Excellent Order of the British Empire", geehrt.
Lynchs Mitangeklagter in dem Fall Stephen Chamberlain wurde am vergangenen Samstag beim Joggen in seiner Heimat Cambridgeshire von einem Auto angefahren und dabei getötet. Chamberlain war der ehemalige Finanzvizepräsident von Autonomy Corp.
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