Edeka-Kampagne gegen AfD: Filialleiter kritisieren Werbung scharf
"Blau ist keine gute Wahl" – mit diesem Slogan wollte Edeka vor der AfD warnen. Doch die Kampagne stößt auf scharfe Kritik. Ausgerechnet aus den eigenen Reihen. Mit einer Anti-AfD-Kampagne hat die Supermarktkette Edeka vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen Aufregung ausgelöst. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", in der Wochenzeitung "Die Zeit" sowie in sozialen Netzwerken veröffentlichte das Unternehmen einen ganzseitigen Aufruf: "Warum bei Edeka Blau nicht zur Wahl steht". Dies ist als Anspielung auf die AfD zu verstehen, die Blau seit ihrer Gründung als Parteifarbe benutzt. Die Anzeige zeigt zahlreiche Obst- und Gemüsesorten wie Gurken, Brokkoli, Bananen, Kirschen und Erdbeeren abgebildet. "In der Obst- und Gemüseabteilung herrscht die bunte Vielfalt", steht im Text. "Die Evolution hat uns gelehrt: Blau ist keine gute Wahl", heißt es. "In Deutschland sind die Blauen schon heute die größte Bedrohung einer vielfältigen Gesellschaft." Mehr dazu lesen Sie hier. Doch was wohl als klare Positionierung vor den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gemeint war, könnte nun auf das Unternehmen zurückfallen. Die Konzernzentrale ist seit der Veröffentlichung massiver Kritik ausgesetzt – in sozialen Netzwerken, aber auch aus dem eigenen Hause. Gleich mehrere Leiter ostdeutscher Filialen äußerten zuletzt deutlich ihre Ablehnung der Kampagne. "In der Demokratie ist das Volk der Souverän und wird seine Wahl treffen" Der Chef der Edeka-Filiale Bienek im sächsischen Halberstadt verfasste ein Statement auf dem sozialen Netzwerk Facebook: "Aus gegebenem Anlass möchte ich hiermit signalisieren, dass wir bei allen politischen Themen KEINE Stellung beziehen", heißt es dort. In seinem Supermarkt könne jeder Mensch einkaufen. Er könne nicht nachvollziehen, warum sich die Konzernzentrale zur Politik äußere. "Ich bin Lebensmitteleinzelhändler, kein Politiker und werde mich deshalb auch mit meinem Markt in solche Themen nicht einmischen!" Auch aus Sachsen-Anhalt kommen kritische Stimmen: Ebenfalls auf Facebook veröffentlichte der Leiter des Edeka-Centers Aschersleben, Heiko Grunert, eine Stellungnahme, die fast wortgleich ausfiel. Er lehne es ab, dass die Konzernzentrale sich zu politischen Themen äußert. "In der Demokratie ist das Volk der Souverän und wird seine Wahl treffen!" Dasselbe Statement teilte Sebastian Becker, der Leiter des Edeka-Centers im sachsen-anhaltinischen Zerbst. Alle drei Stellungnahmen sind mit einem Bild der Kampagne versehen, die jedoch doppelt rot durchgestrichen ist. Auch eine Filiale von Nah und Gut aus dem sächsischen Bockau, die ebenfalls zu Edeka gehört, veröffentlichte im Namen der Belegschaft auf der Plattform Instagram eine ablehnende Stellungnahme. "Unsere Märkte stehen allen offen und wir führen diese als selbstständige Einzelhändler für unsere Gemeinschaft", heißt es dort. Dies sei zu Zeiten von Corona so gewesen, "wie auch jetzt so". Edeka gefährde mit der Kampagne die Existenz des Marktes und zudem Arbeitsplätze. Als Lebensmittelhändler würde man auf jeden Kunden angewiesen sein und dafür tagtäglich kämpfen. AfD dankt für "fleißige Unterstützung" Auch die AfD reagierte auf die Werbekampagne des Unternehmens. Der stellvertretende Sprecher des Landesvorstands Thüringen, Torben Braga, bedankte sich im sozialen Netzwerk X für die "fleißige Unterstützung" im Wahlkampf. "Ihre Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten wählen uns auch", schrieb er an Edeka gerichtet. Der Handelsverband Deutschland (HDE) hatte sich in dieser Woche ebenfalls öffentlich zu Wort gemeldet. Präsident Alexander von Preen rief zur Wahl demokratischer Parteien auf. "Ich kann nur alle Akteure davor warnen, die gesellschaftlichen Spielregeln in Richtung Ausgrenzung und Hass zu verschieben. Das führt Gesellschaft und Wirtschaft nicht in eine positive Zukunft, sondern in eine Sackgasse", sagte er. Handelsverband warnt vor Höcke Im Einzelhandel sind laut HDE zurzeit etwa 120.000 Stellen unbesetzt. "Woher sollen die Menschen denn alle kommen, wenn Politiker an das Ruder gelangen, die auf Ausgrenzung und Abschottung setzen?", so von Preen. Er bezeichnete die AfD als gefährlich und verantwortungslos: "Mit Björn Höcke hat sich eine der Führungsfiguren der AfD zum wiederholten Male selbst demaskiert, als er den Familienunternehmen, die öffentlich eine Aktion für Vielfalt in Gesellschaft und Wirtschaft unterstützen, die Insolvenz wünschte." Von Preen bezieht sich dabei auf die von mehr als 40 deutschen Unternehmen initiierte Kampagne "Made in Germany – Made by Vielfalt". Beteiligt sind unter anderem die Drogeriekette Rossmann , der Motorsägen- und Gartengerätehersteller Stihl, der Lebensmittelkonzern Pfeifer & Langen, der Hausgerätehersteller Vorwerk und der Audiospezialist Sennheiser. Thüringens AfD-Spitzenkandidat Höcke hatte die Kampagne bei einem Wahlkampftermin am Wochenende in Sömmerda laut einem Bericht des MDR als Heuchelei bezeichnet. "Ich hoffe, dass diese Unternehmen in schwere, schwere wirtschaftliche Turbulenzen kommen", sagte er. Industrieverband warnt vor zunehmendem Fachkräftemangel Kritik an der AfD äußerte auch der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm. Er fürchte, die aggressive Ausländerfeindlichkeit der AfD werde das bestehende Problem des Fachkräftemangels in Deutschland verschärfen, sagte er der "Welt". Eine Regierungsbeteiligung der AfD würde Wirtschaft und Wohlstand in Ostdeutschland enorm schaden. Die Partei stelle sich zu Unrecht als Stimme der mittelständischen Wirtschaft am Ort dar. Bereits Anfang des Jahres hatte eine Edeka-Kampagne gegen rechts Diskussionen ausgelöst. Diese hatte die Botschaft "Wir lieben Vielfalt und stehen auf gegen rechts". Es handelte sich um ein Video, in dem Kunden an leeren Regalen eines Supermarkts herumirrten. "Stellen Sie sich einen Supermarkt vor, in dem es nur deutsche Produkte gibt", hieß es. Mehr dazu sehen Sie in diesem Video. In Sachsen und Thüringen wird am Sonntag gewählt. In aktuellen Umfragen liegt die AfD in beiden Ländern bei Werten um die 30 Prozent.