Riester-Rente gescheitert? Über 4,6 Millionen gekündigte Verträge
Die Riester-Rente steht massiv in der Kritik: Nach mehr als zwei Jahrzehnten haben viele Verträge kaum Rendite gebracht. Fast die Hälfte aller Riester-Verträge gilt als gescheitert. Lohnt sich eine Kündigung? Aktuellen Berechnungen zufolge erzielen die meisten Riester-Verträge nur geringe Renditen. Selbst unter Berücksichtigung der staatlichen Förderung erreichen die Verträge oft nur Renditen von etwa einem Prozent bis zum 85. Lebensjahr. Dabei gibt es wesentlich bessere Geldanlagen, um fürs Alter vorzusorgen. Doch trotz der schwachen Renditen ist die Kündigung eines Riester-Vertrages nicht immer die beste Lösung, um aus der Riester-Falle herauszukommen. Das können Betroffene tun. Millionen Verträge gekündigt Die aktuellen Zahlen zeichnen ein düsteres Bild für die vor über 20 Jahren eingeführte Riester-Rente. Bis Ende 2023 wurden in Deutschland mehr als 20 Millionen Verträge abgeschlossen. Davon existieren jedoch bereits 4,6 Millionen, also knapp ein Viertel, nicht mehr. Dies geht aus Daten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) hervor, die dem Finanzratgeber "Finanztip" vorliegen. Hohe Kosten bei Kündigung Die Kündigung eines Riester-Vertrags kann Sparer teuer zu stehen kommen. Wie der Altersvorsorge-Experte Martin Klotz von "Finanztip" erklärt, müssen Betroffene alle erhaltenen Zulagen und Steuervorteile zurückzahlen. Laut Angaben des Bundesarbeitsministeriums, des Finanzministeriums und der Deutschen Rentenversicherung betrug dies im Durchschnitt der letzten drei Jahre rund 1.900 Euro pro Vertrag. Zudem behalten die Anbieter einen Teil des eingezahlten Geldes für Provisionen sowie Verwaltungs- und Fondskosten ein. Experten raten: Verträge stilllegen Um finanziellen Verlust zu vermeiden, rät "Finanztip" unzufriedenen Sparern davon ab, ihre Verträge vorschnell zu kündigen. Es lohne sich zumindest, ältere Verträge mit relativ guten Konditionen weiter zu besparen, sagt Klotz. Dann bleibe zumindest die staatliche Förderung erhalten, die Sparer sonst zurückzahlen müssten. "Und bei schlechten Verträgen rechnet es sich eher, sie stillzulegen, anstatt sie zu kündigen." Laut Schätzung des BMAS soll bereits jeder vierte bis fünfte der insgesamt 15,5 Millionen bestehenden Riester-Verträge ruhen. Das entspricht etwa drei bis vier Millionen Verträgen. Nach Berechnungen von "Finanztip" könnte diese Zahl sogar bei bis zu fünf Millionen liegen. "Mit Blick auf diese Zahlen ist die Riester-Rente nicht einfach nur gescheitert. Sie ist ein Desaster", sagt "Finanztip"-Experte Klotz. Die staatlich geförderte private Altersvorsorge wurde als eine Möglichkeit geschaffen, die entstandene Lücke aus der parallel beschlossenen Rentenkürzung auszugleichen. "Nimmt man die gekündigten und die stillgelegten Verträge zusammen, erfüllen knapp die Hälfte aller abgeschlossenen Verträge diesen Zweck nicht." Versicherer im Goldrausch Von den Riester-Rentenverträgen haben vor allem die Anbieter profitiert: Nach Berechnungen von "Finanztip" sind bis Ende 2022 knapp 1,8 Milliarden Euro aus der Staatskasse direkt an Versicherungsunternehmen und Fondsgesellschaften geflossen. "Die Anbieter durften Kosten und Provisionen sogar auf die staatlichen Zulagen berechnen. So wurde das Modell Riester-Rente zum Goldesel der Versicherer und Fondsgesellschaften", so Klotz weiter. Niedrige Riester-Renten für Sparer Laut BMAS erhielten 2022 rund eine Million Riester-Sparer Auszahlungen aus ihren Verträgen. Etwa 80 Prozent von ihnen bezogen eine lebenslange Altersrente. Die Auszahlungsbeträge sind jedoch gering: In knapp drei Viertel der Fälle lag die monatliche Rente unter 100 Euro brutto. Nur etwa 10 Prozent der Sparer, die 2022 in die Auszahlphase wechselten, ließen sich einen Teil des Kapitals zu Rentenbeginn auf einen Schlag auszahlen. "Dabei ist genau das die beste Option, möglichst früh viel vom eingezahlten Geld zurückzubekommen", sagt "Finanztip"-Experte Martin Klotz. Hoffnung auf Rentenreform Die von der Ampelregierung geplante Reform der Altersvorsorge lässt jedoch viele Menschen in Deutschland hoffen. Im Gespräch sind das Generationenkapital und das Altersvorsorgedepot. Generationenkapital: Milliarden für die Rente Startschuss für das Altersvorsorgedepot: So könnte es funktionieren Das Generationenkapital sieht vor, Steuergelder gewinnbringend an den Kapitalmärkten anzulegen und mit den Überschüssen die Rentenkasse zu stabilisieren. Die Ampelkoalition will zunächst mit 12 Milliarden Euro starten, die an der Börse in Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Rentenfonds investiert werden. Bis 2035 sollen 200 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Für die private Altersvorsorge ist das neue Altersvorsorgedepot vorgesehen. Es soll so ausgestaltet werden, dass es einer ähnlichen Förderlogik wie die Riester-Rente unterliegt: Die in das Depot eingezahlten Beträge können jährlich bis zu einem bestimmten Freibetrag steuerlich geltend gemacht werden. Rettung der Riester-Rente mit Vorsorgedepot Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren sollen im Depot verbleiben und müssen nicht mit der Kapitalertragssteuer von 25 Prozent versteuert werden. Die Steuerlast fällt erst am Ende an und schmälert so nicht die laufende Rendite . Das Geld kann ohne Steuerabzug wieder vollständig in andere Wertpapiere investiert werden, was einen enormen Zinseszinseffekt zur Folge hat. "Das neue Depot-Modell muss deutlich weniger kosten und auch für bisherige Riester-Sparer zugänglich sein", fordert Experte Klotz. "Das heißt, dass sie ihr angelegtes Geld kostengünstig und vor allem ohne explizite Zustimmung der bisherigen Anbieter auf das Altersvorsorgedepot übertragen können. Denn so hätten sie noch eine Chance, ihr Geld aus der Riester-Falle herauszuholen."