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Reporter in Goma: zwischen journalistischer Ethik und Überleben

Bildquelle: Flickr

Im Osten der Demokratischen Republik Kongo sind Journalist:innen mit prekären Arbeitsbedingungen konfrontiert, die ihre Fähigkeit, die ethischen Normen ihres Berufsstandes einzuhalten, beeinträchtigen. Zusätzlich zu den wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen, die die gesamte kongolesische Bevölkerung betreffen, sehen sich einige Journalist:innen mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert, die auch ihre berufliche Integrität und Unabhängigkeit in Frage stellen.

Die Arbeitsbedingungen für Journalist:innen in der Demokratischen Republik Kongo werden von ihnen selbst oft als „nahezu unmenschlich“ beschrieben. Diese „Ritter der Feder“ sind mit unregelmäßigen Gehältern konfrontiert: Wer Glück hat, erhält verspätete Zahlungen, die meisten bekommen gar keine Vergütung. Und viele von ihnen arbeiten ohne formellen Vertrag, ohne Krankenversicherung und ohne die grundlegenden Garantien, die das kongolesische Arbeitsgesetz vorsieht. Die Redaktionsräume sind oft schlecht ausgestattet, es fehlt an wichtigen Materialien, und Journalist:innen müssen oft im Namen der Leidenschaft ihre eigene Ausrüstung für die Arbeit benutzen. Dieser Mangel an Arbeitsplatzsicherheit und Garantien verhindert, dass Journalist:innen in einem stabilen und sicheren Umfeld arbeiten können, was für die Erfüllung ihrer Aufgabe, die Öffentlichkeit zu informieren, und damit für die Wahrnehmung ihrer Position als ”vierte Gewalt” von entscheidender Bedeutung ist.

Diese Situation wirkt sich direkt auf die Fähigkeit der Journalist:innen aus, die ethischen Normen ihres Berufsstandes einzuhalten. Der Mangel an finanziellen Ressourcen verleitet viele Journalist:innen dazu, sich gefährlichen Praktiken hinzugeben: dazu gehört die Annahme von „Coupages“, d.h. Zahlungen für die Berichterstattung über ein Ereignis oder für die Veröffentlichung von günstigen Informationen. Die Annahme und manchmal auch das Einfordern von finanziellen Vorteilen von Quellen verstößt zwar gegen die journalistische Ethik, wird aber oft als notwendig erachtet, um in einem feindlichen wirtschaftlichen Umfeld zu überleben.

Aufgrund des wirtschaftlichen Drucks finden sich einige in der Selbstzensur wieder und vermeiden, über bestimmte Themen zu berichten, aus Angst, ihren Job zu verlieren oder Repressalien von Behörden oder einflussreichen Gruppen ausgesetzt zu sein, die für einige eine informelle Einkommensquelle darstellen. Dies gefährdet nicht nur die Qualität der Informationen, die an die Öffentlichkeit gelangen, sondern auch die Integrität des journalistischen Berufsstandes selbst.

Auswirkungen des schwierigen Kontexts auf die journalistische Ethik

Die ethischen Grundsätze des Journalismus beruhen auf Unabhängigkeit, Integrität und Genauigkeit der Informationen. In der DR Kongo werden diese Prinzipien durch die schwierigen Arbeitsbedingungen oft auf die Probe gestellt. Wie Ferdinand Banga betonte, ist der Journalismus ein Beruf, der durch strenge ethische Normen reguliert wird, doch diese Normen sind schwer einzuhalten, wenn Journalist:innen ständig unter wirtschaftlichem und politischem Druck stehen.

Auch der Medienexperte Michael Schudson betont, dass Medienunternehmen als soziale und wirtschaftliche Einheiten eine große Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter, einschließlich der Journalist:innen, tragen. In der DRK wird diese Verantwortung jedoch häufig vernachlässigt, was zur Ausbeutung von Journalist:innen und zur Verletzung ihrer Grundrechte führt. Arbeitgeber, die nach Kosteneinsparungen streben, versäumen es häufig, die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestarbeitsbedingungen zu schaffen, was die Gefährdung von Journalist:innen noch verschärft.

Die DRK verfügt über einen Rechtsrahmen, der die Rechte der Arbeitnehmer, einschließlich der Journalist:innen, schützen soll. Das Gesetz Nr. 015/2002 vom 16. Oktober 2002 über das Arbeitsgesetzbuch sieht Schutz für alle Arbeitnehmer vor, insbesondere in Bezug auf die Arbeitszeit, das Recht auf Urlaub und eine angemessene Entlohnung. In der Praxis werden diese Bestimmungen jedoch häufig nicht angewandt.

In Goma, wo Journalist:innen häufig ohne formellen Vertrag arbeiten, ist es schwierig, die Debatte über bezahlten Urlaub oder Überstunden anzusprechen.

Ein Medienumfeld im Rhythmus des Landes

Neben den wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen sind Journalist:innen in der DRK auch mit einem schwierigen Medienumfeld konfrontiert. Seit dem Sturz des Mobutu-Regimes und dem Übergang zu einem offeneren System haben sich die kongolesischen Medien rasant ausgebreitet. Diese Expansion hat sich jedoch nicht in einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Journalist:innen oder der Qualität der verbreiteten Informationen niedergeschlagen. Sowohl staatliche als auch private Medienunternehmen in der DR Kongo leiden unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise, die das Land erfasst hat. Sinkende Auflagen, geringere Werbebudgets und der Mangel an stabiler Finanzierung gefährden die Lebensfähigkeit der Medien und ihre Fähigkeit, qualitativ hochwertige Informationen zu liefern. Diese Situation wird durch das wachsende Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber den Medien verschärft, die der Meinung ist, dass die Informationen häufig verzerrt oder von Partikularinteressen beeinflusst sind.

Der kongolesische Staat verfolgt in dieser Frage keine klare Politik. Abgesehen von Radio National Congolais, das nicht ausreichend subventioniert wird, erhält kein einziges Medium eine staatliche Förderung. Die Vielzahl an NGOs in der Region hat jedoch dazu beigetragen, dass einige Redaktionen ihre Arbeitsbedingungen verbessern konnten, obwohl dies angesichts der Vielzahl an Bedürfnissen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Diese internationalen Organisationen haben Medien und Journalist:innenorganisationen finanziell und technisch unterstützt, um ihre Fähigkeit zu stärken, unabhängig zu arbeiten und ethische Standards einzuhalten.

Es ist heute von größter Dringlichkeit, die Debatte über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Journalist:innen wieder auf den Tisch zu bringen. Dies wird der Demokratischen Republik Kongo nicht nur in Bezug auf den Schutz ihrer Rechte zugute kommen, sondern auch bei der Förderung einer freien und unabhängigen Presse, die eine Garantie für Demokratie und Entwicklung ist.

Die Stadt Goma in der Region Nord-Kivu im Ostkongo steht seit den 90er Jahren im Zentrum mehrerer Konflikte und gehört zu den instabilsten Orten der Welt. Zwischen dem Kivusee, dem Vulkan Nyiragongo und der Grenze zu Ruanda gelegen, kommt es dort nicht nur zu Zusammenstößen zwischen der Rebellenbewegung M23 und der Armee. Auch mit dem Nachbarland Ruanda gibt es Spannungen. Nach über 20 Jahren Konflikt ist die Situation der Zivilbevölkerung extrem prekär. Sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe ist ein – wurde der Arzt Denis Mukwege, der oft stigmatisierte Betroffene behandelt, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Hinzukommt das Risiko von Vulkanausbrüchen – zuletzt ergoss sich im Mai 2021 Lava über Teile Gomas.

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