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EM-Aus droht: Ab jetzt nur noch Endspiele: Nach der Niederlage gegen Frankreich stehen die deutschen Handballer unter Druck

EM-Aus droht: Ab jetzt nur noch Endspiele: Nach der Niederlage gegen Frankreich stehen die deutschen Handballer unter Druck

Sie wollten ein Wintermärchen schreiben und die Europameisterschaft gewinnen. Doch um die Chancen auf das Weiterkommen zu wahren, müssen die deutschen Handballer am Donnerstag Island schlagen – das Heimatland von Bundestrainer Alfred Gislason.  

Alfred Gislason ist Isländer, und er ist Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Für Gislason bedeutete dies in den vergangenen vier Jahren kein Problem; er wechselte einfach zwischen den Welten. Den Sommer, wenn der Handball ruhte, verbrachte er in der Heimat. Und zu Saisonbeginn im Herbst zog er stets zurück in sein Haus im Jerichower Land bei Magdeburg, um von dort aus zu Bundesligaspielen zu reisen. 

Nun aber kollidieren die Welten, die Gislason bislang so streng getrennt hatte. Am Donnerstag (20:30 Uhr) trifft das deutsche Nationalteam in Köln auf Island. Es ist die erste Hauptrundenpartie der Europameisterschaft – und für Gislasons Mannschaft gleich ein Endspiel. Sollte sie es verlieren, wäre das Turnier für sie mit großer Wahrscheinlichkeit beendet.

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Grund dafür ist die 30:33-Niederlage der Deutschen am Dienstagabend gegen Frankreich in Berlin. Während die Franzosen mit zwei Pluspunkten in die Hauptrunde ziehen, steht Gislasons Auswahl mit leerem Konto da. Gegner in der Gruppe werden außer Island auch Österreich, Ungarn und Kroatien sein. "Alles Top-Mannschaften", sagte Gislason, "aber auch schlagbar, wenn wir unsere beste Leistung bringen".

Auf die Freunde aus der Heimat will Gislason, der 190-malige isländische Nationalspieler, keine Rücksicht nehmen. "Es ist für mich klar, auf welcher Seite ich stehe", sagte er, "ich liebe diese Mannschaft", und er meinte die deutsche. Gleichwohl werde er vor Anpfiff beide Nationalhymnen mitsingen, kündigte Gislason an. So diplomatisch ist er dann doch, selbst vor seinem wichtigsten Spiel als deutscher Auswahltrainer. 

Es geht um viel am Donnerstag in der Kölner Lanxess-Arena. Die deutschen Handballer wollen nämlich ein sogenanntes Wintermärchen schreiben. Die EM im eigenen Land soll Werbung machen für den Sport und ihn auf eine neue Stufe hieven, gleich hinter den Fußball, dem Lieblingssport der Deutschen. Springers Boulevard-Blätter trommeln dabei kräftig mit. Vor dem Frankreich-Spiel schrieb Bild, dass die Handballer "kollektive Glücksgefühle" im Land auslösten, die den Frust über die Ampelregierung vergessen machten und "vorübergehend zum Kitt der Gesellschaft" würden. 

Handball-EM: Deutschland bleibt nur ein kleiner Trost

Mehr Überhöhung, mehr Pathos geht kaum. Mal abgesehen davon, dass Springer ganz eigene Motive verfolgt, nämlich dem hauseigenen Sportsender Dyn Abonnenten zuzuführen: Das ist alles eine Nummer zu groß für die deutschen Handballer. Die Rettung der Republik sowieso, aber auch sportlich wissen sie seit Dienstag, dass ihnen ein Weltklasse-Team wie Frankreich um einiges voraus ist. Die Euphorie nach den EM-Auftaktsiegen gegen die Schweiz und Nordmazedonien ist nun Ernüchterung gewichen. Als Trost bleibt lediglich die Erkenntnis, "dass wir nah dran waren an Frankreich, dass wir sie hätten schlagen können, wenn zwei oder drei Situationen anders gelaufen wären", wie Spielmacher Juri Knorr resümierte. 

Handball EM die DHB Auswahl 18.17

Knorr war wieder Mal der beste deutsche Feldspieler, und auch Torwart Andreas Wolff überragte wie zuvor schon gegen die Schweiz. Knorr und Wolff, das ist die deutsche Achse. Jeder Handball-Coach bei der Europameisterschaft weiß dies, und wem es gelingt, diese Achse zu brechen, gewinnt das Spiel. 

An Wolff verzweifelten die Franzosen in der ersten Halbzeit, schon nach 20 Minuten wies die Statistik acht Paraden für ihn aus. Der schnelle Knorr war ebenfalls schwer zu stoppen, aber in der zweiten Halbzeit stellte Frankreichs Coach Guillaume Gille, der einst zehn Jahre für den HSV Hamburg spielte, den Abwehrhünen Dika Mem gegen Knorr. Und der quälte den deutschen Spielmacher, abzulesen war das auch an Knorrs zerbeultem Trikot. Jeder Angriff kostete Knorr viel Kraft; den Klammergriffen des Freistil-Ringers Mem war nur mit größter Mühe zu entkommen. 

Solche Rollenspieler, die kurzerhand für Spezialaufgaben eingewechselt werden können, fehlen Alfred Gislason. Die deutsche Rotation ist klein: Neben Wolff und Knorr hält Gislason den Kreisläufer Jannik Kohlbacher und den Rückraumspieler Julian Köster für unverzichtbar. Er ließ sie in der zweiten Halbzeit gegen Frankreich nahezu durchspielen, auch wenn sie nach Luft rangen. Gislason ist da gnadenlos. 

Die Deutschen haben nun wenig Zeit, sich von den Ringkämpfen zu erholen. An diesem Mittwoch ziehen sie um nach Köln, am Donnerstagmittag trainieren sie kurz, und am Abend dann steigt das Endspiel gegen Island. Alfred Gislason wäre sicherlich sehr zufrieden, wenn seine Deutschen nicht die Gesellschaft kitten würden, sondern erstmal das eigene Spiel. 

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