WM in Saudi-Arabien: Image mit "Sportswashing" aufbessern? Das hat Folgen
Im Sommer zog es zahlreiche Fußballstars nach Saudi-Arabien. Die ersten wollen jetzt wieder weg. Doch für den Golfstaat haben sie ihren Zweck längst erfüllt.Wintertransfers sind eine Sache für sich. Während Fußballvereine im Sommer ihre Kader für die gesamte Spielzeit planen, Spieler verpflichten oder abgeben, dient der Januar im Allgemeinen dazu, Dinge geradezurücken, die schiefgelaufen sind.Es sind jedoch nicht nur die Vereine, die in diesen Tagen fieberhaft versuchen, die Fehler der vergangenen Monate zu korrigieren. Auch einige Spieler suchten Berichten zufolge bis zuletzt händeringend nach neuen Arbeitgebern. Auffällig dabei: Viele von ihnen hatten erst im Sommer nach Saudi-Arabien gewechselt.Im Golfstaat ist offenbar bei einigen eine Illusion wie eine Seifenblase zu zerplatzt. Dass es so kommen würde, war vorauszusehen. Doch der Schaden ist bereits angerichtet."Sportswashing" auf dem Weg zur WM 2034Vor etwas mehr als einem Jahr konnte Saudi-Arabien mit Cristiano Ronaldo das wohl markentechnisch größte Zugpferd des internationalen Fußballs für sich gewinnen. Der Portugiese wechselte zum Klub al-Nassr, der vom Staat mitfinanziert wird. Doch er sollte nicht das einzige Aushängeschild der bis dato völlig irrelevanten Saudi Pro League bleiben.Dem Ruf Ronaldos und des schier endlosen Geldes des Königreichs folgten im Sommer 2023 etliche weitere Stars: Karim Benzema, Roberto Firmino, N'golo Kanté, Aymeric Laporte, Jordan Henderson. Es sind nur einige Namen von langjährigen Top-Spielern Europas, die es in die Wüste zog. Sie ließen sich vom Glanz und Geld geblendet vor den "Sportswashing"-Werbekarren Saudi-Arabiens spannen.Denn Saudi-Arabien versucht, das eigene Ansehen in der Welt schon seit einiger Zeit im großen Stil durch Sport-Events aufzupolieren. Das klare Ziel dieser Taktik: die Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2034. Die Fifa hat mit der multikontinentalen Vergabe des Turniers 2030 nach Spanien, Portugal, Marokko, Argentinien, Uruguay und Paraguay den Weg für eine WM in Saudi-Arabien vier Jahre später bereits geebnet.Denn: Der Weltverband folgt einem Rotationsprinzip, was die Ausrichtung seiner Weltmeisterschaften angeht. Kontinente, auf denen eine der beiden vergangenen WMs ausgetragen wurden, scheiden aus. Da das Turnier 2026 in Nord- und Mittelamerika stattfindet und Länder aus Europa, Afrika und Südamerika dann 2030 die WM veranstalten, blieben für 2030 nur Nationen aus Asien oder Ozeanien, sprich Australien und Neuseeland, übrig. Dass die Weltmeisterschaft in dieser Konstellation nach Saudi-Arabien geht, ist daher fast unumgänglich, da der Wüstenstaat sich auch der Unterstützung des asiatischen Verbands sicher sein kann.Solange das Geld stimmt, ist alles egalDie ins Land gewechselten Spieler haben für den WM-Plan durch ihre bloße Anwesenheit nun bereits mehr oder weniger bewusst die Werbetrommel gerührt. Solange das Geld stimmt, und das tut es in Saudi-Arabien tendenziell immer, war es ihnen bisher offensichtlich herzlich egal, ob ein Großturnier in einem Land gespielt wird, in dem die Menschenrechtslage wie auch in Katar 2022 mehr als zu wünschen übrig lässt.Homosexualität zum Beispiel, steht in Saudi-Arabien unter Strafe. Queere Menschen müssen sogar den Tod fürchten. Liverpool-Kapitän Jordan Henderson hielt das jedoch nicht davon ab, im Sommer zu al-Ettifaq zu wechseln, obwohl er zuvor jahrelang als einer der wenigen heterosexuellen Spieler Haltung gezeigt und sich für die LGBTQ+Community eingesetzt hatte. Der Aufschrei über den Wechsel des Engländers war dementsprechend groß.Hendersons Rechtfertigung: Nur heiße LuftHenderson war nun aber auch der erste renommierte Star, der die Flucht aus Saudi-Arabien ergriff. Nachdem er seinen Sommer-Wechsel in einem Interview mit "The Athletic" noch als "etwas Positives" bezeichnet und den Schritt in die Wüste gerechtfertigt hatte, zog es ihn im Januar zu Ajax Amsterdam in die Niederlande. Seine Aussagen sind jetzt also nur noch heiße Luft.Der 33-Jährige, das geht aus verschiedenen Quellen hervor, soll es sehr eilig damit gehabt haben, Saudi-Arabien wieder zu verlassen. Warum? Alltag, Lebensstil und Temperaturen vor Ort seien für ihn schwer zu ertragen gewesen. Über die niedrigen Zuschauerzahlen war er dem Vernehmen nach ebenfalls enttäuscht.Dass das die Gründe für den voreiligen Abgang sein sollen, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Henderson outet sich als so verboten blauäugig, dass man sich mit der flachen Hand gegen die Stirn schlagen möchte. Eine kurze Recherche im Internet hätte ihn auf all die Unannehmlichkeiten vorbereiten können, die der Wechsel für ihn offenbar mit sich brachte.So bleibt man fassungslos zurück, wenn Henderson es trotz zahlreicher offensichtlicher Gründe, wie den Temperaturen oder dem im Vergleich zu Europa niedrigen Fußballinteresse, im Nachhinein verpasst, seine Fehler öffentlich einzugestehen. Nicht mal das letzte Stück seiner Integrität schaffte er es zu wahren. Kritik an Saudi-Arabien wollte Henderson nach seiner Rückkehr nämlich partout nicht äußern, was dem Golfstaat erneut auf dem Weg zur WM in die Karten spielen dürfte. Zur Menschenrechtslage vor Ort schweigt Henderson bis heute.Die Abgänge tun dem Plan keinen AbbruchVielleicht ist es aber ohnehin nicht relevant, ob Jordan Henderson sich noch mal kritisch zu Saudi-Arabien äußert. Durch den Transfer-Boom des Sommers wurde das Land ins Blickfeld der internationalen Fußballgemeinschaft katapultiert und wird von dort wohl auch nicht mehr so schnell wieder verschwinden."Es gibt viele Spieler, die unglücklich sind", sagte zuletzt Aymeric Laporte, der bis zum Sommer für Manchester City auflief und dann ebenfalls nach Saudi-Arabien ging. Möglicherweise folgt der Spanier in nächster Zeit Hendersons Beispiel und kehrt nach Europa zurück.Dass jetzt einige Stars wieder gehen wollen, wie angeblich auch Benzema, Firmino oder Milinković-Savić, schadet Saudi-Arabiens Plan nicht mehr. Neue Top-Profis wie jetzt der Ex-Barcelona-Spieler Ivan Rakitić werden ihre Plätze einnehmen. Zumindest, solange weiter Geld fließt und das Zugpferd Cristiano Ronaldo von Land und Liga schwärmt, wie er es zuletzt medienwirksam tat.Die Geschichte wird sich wiederholen. Die neuen Stars werden in ihrer Naivität und verblendeten Geldgier wieder erst nach einigen Monaten merken, dass Saudi-Arabien als Fußballland nur eine Illusion ist.Bis dahin haben sie ihren Zweck aber erfüllt und dem hochproblematischen Staat auf dem Weg zur Weltmeisterschaft weiterhin kräftig unter die Arme gegriffen. So wie zuletzt auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der ungeachtet dieser Umstände Saudi-Arabien im Gegensatz zu Katar doch tatsächlich als "echtes Fußballland" bezeichnete und damit die Augen vor der unübersehbaren Realität verschloss. Es ist eine Schande.