König Charles III.: Großbritannien blickt einer weiteren Unsicherheit entgegen
Nicht einmal ein Jahr nach der Krönung ist König Charles III. an Krebs erkrankt. Wie geht es nun weiter? Und was bedeutet das für Großbritannien? Aus London berichtet Sascha Zastiral Als die 18-Uhr-Nachrichten im ersten Programm der BBC beginnen, ist sofort klar, dass etwas nicht in Ordnung ist. Die Nachrichtensprecherin schaut mit ernster Miene in die Kamera. Sie trägt ein dunkelblaues, fast schwarzes Oberteil mit dezenten Spitzen. Wenn in Großbritannien Hauptnachrichten so beginnen, gibt es meist schlechte Nachrichten aus der königlichen Familie. So auch heute. "Wir haben in den letzten Augenblicken eine Eilmeldung aus dem Buckingham-Palast erhalten, der bekannt gegeben hat, dass bei dem König Krebs diagnostiziert worden ist." Die Sprecherin verliest die Erklärung des Palasts. Auch das ist in solchen Momenten Teil des Protokolls. Darin heißt es: "Während der kürzlichen Krankenhausbehandlung des Königs wegen einer gutartigen Prostatavergrößerung wurde ein anderes Problem festgestellt. Nachfolgende diagnostische Tests haben eine Krebsart identifiziert. Seine Majestät hat heute mit einem regelmäßigen Behandlungsplan begonnen, in dem ihm von den Ärzten geraten wurde, öffentliche Pflichten zu verschieben." König Charles III. werde die Staatsgeschäfte weiterführen und seine offiziellen schriftlichen Formalitäten fortsetzen, heißt es in der Erklärung weiter. Er stehe seiner Behandlung "absolut positiv gegenüber" und blicke freudig darauf, so bald wie möglich wieder zu seinen öffentlichen Aufgaben zurückzukehren. "Seine Majestät hat beschlossen, seine Diagnose mit der Öffentlichkeit zu teilen, um Spekulationen vorzubeugen und in der Hoffnung, dass dies zum Verständnis der Öffentlichkeit für alle Menschen auf der ganzen Welt beitragen kann, die von Krebs betroffen sind." Um welche Krebsart es sich handelt und wie schwer der Monarch daran erkrankt ist, will der Buckingham-Palast zunächst nicht bekanntgeben. Prinz Harry eilt zu König Charles III. Britische Medien berichteten später, dass Charles seine Söhne William und Harry und seine drei Geschwister persönlich über die Diagnose informiert habe. Aus dem Umfeld von Prinz Harry hieß es, dass er in den kommenden Tagen nach Großbritannien fliegen werde, um seinen Vater zu sehen. Die Nachricht über die Krebsdiagnose erreichte die Menschen in Großbritannien vollkommen überraschend. Erst am Sonntag hatten Charles und Camilla an einem Gottesdienst in der Nähe des privaten Anwesens des Königs in Sandringham teilgenommen, rund zweieinhalb Autostunden nordöstlich von London. Es war Charles’ erster öffentlicher Auftritt seit seiner Prostatabehandlung eine Woche zuvor. Auf Aufnahmen war nichts Ungewöhnliches zu erkennen: Die beiden lächelten und winkten, als sie zu Fuß zu der Kirche gingen. Im Lauf des Montagabends liefen zahlreiche Genesungswünsche aus aller Welt ein. Premierminister Rishi Sunak schrieb auf dem Kurznachrichtendienst X: "Ich wünsche seiner Majestät eine vollständige und schnelle Genesung. Ich habe keinen Zweifel, dass er in kürzester Zeit wieder zu voller Stärke zurückfinden wird, und ich weiß, dass das ganze Land ihm alles Gute wünschen wird." Oppositionschef Keir Starmer schrieb: "Im Namen der Labour-Partei wünsche ich seiner Majestät alles Gute für seine Genesung. Wir freuen uns darauf, ihn bald wieder bei voller Gesundheit zu sehen." In den USA sagte Präsident Joe Biden , er sei besorgt, hoffe aber, bald mit dem König sprechen zu können. Die BBC konzentrierte sich am Montag auf ihrem Nachrichtensender BBC News bis in den späten Abend auf die Nachricht von der Krebsdiagnose des Königs. Auf den übrigen Sendern wurde das geplante Programm aber wie vorgesehen fortgesetzt. Der öffentlich-rechtliche Sender bemüht sich heute sichtlich darum, in Fragen der königlichen Familie ein angemessenes Gleichgewicht in seiner Berichterstattung zu finden. BBC für Berichterstattung kritisiert Und das aus gutem Grund: Denn als im April 2021 Prinz Philip, der Mann von Königin Elizabeth II. , starb, stoppte die BBC für mehrere Tage das gesamte reguläre Programm auf BBC News und ersetzte es durch eine 24-stündige Live-Berichterstattung über den Tod des hochrangigen Royals. Auf den übrigen Sendern zeigte die BBC zahlreiche Sondersendungen. Diese Dauerbeschallung kam nicht bei allen Briten gut an. Trotz der bis heute allgemein hohen Zustimmungswerte für die britische Monarchie beschweren sich mehr als 110.000 BBC-Zuschauerinnen und -Zuschauer über die einseitige Ausrichtung des Programms. Es war eine der negativsten Reaktionen auf die Berichterstattung der BBC aller Zeiten. Ganz anders waren die Reaktion nach dem Tod von Königin Elizabeth II. im September 2022. Auch damals stellten die Fernsehsender des Landes ihre Programme sofort um und konzentrierten sich während der zehntägigen Trauerphase beinahe vollständig auf die Zeremonien und Staatsakte, die dem Tod der beliebten Monarchin folgten. So auch die BBC. Der starke Fokus auf den Tod der Königin löste aber keine Negativreaktion aus. Nur wenig hundert Zuschauerinnen und Zuschauer beschweren sich darüber. Die größte Herausforderung steht ihm noch bevor Der Unterschied in den Reaktionen auf beide Anlässe verdeutlicht, wie stark konstitutionelle Monarchien auf die öffentliche Wahrnehmung angewiesen sind. Und wie schnell diese öffentliche Unterstützung auch kippen kann. Charles' überraschende Krebsdiagnose dürfte daher schon bald die Frage aufwerfen, wie angemessen es überhaupt ist, ein Staatsoberhaupt zu haben, das seinen Job erst mit Mitte 70 angetreten hat – wenn die meisten Menschen schon mehrere Jahre im Ruhestand sind. Charles hat sein ganzes Leben lang darauf gewartet, den Thron zu besteigen. Seitdem hat er der britischen Krone behutsam seinen Stempel aufgedrückt. Bei den Briten kam er damit bisher gut an: In einer Umfrage sagten kürzlich mehr als 50 Prozent der Befragten, dass Charles einen guten Job mache. Nur 9 Prozent meinten, er mache seinen Job schlecht. Die größte Herausforderung seines Lebens steht König Charles III. aber womöglich erst noch bevor. Das Land blickt unterdessen nach jahrelangem politischen und wirtschaftlichen Chaos abermals einer großen Unsicherheit entgegen.