Anke Engelke wird entwaffnend ehrlich: "Das finde ich uninteressant"
Anke Engelke mischt seit Jahrzehnten die deutsche Medienlandschaft auf. Ist sie eine Überfliegerin mit Erfolgsgarantie? Ein Gespräch über Kunstfiguren und Trugschlüsse. Das Warten hat ein Ende. Eine Entourage betritt den Raum – in der Mitte: Anke Engelke . Schnell streckt sie die Hand aus, nickt, und ein kurzes, aber freundliches "Hallo" rundet die Begrüßung ab. Die 58-Jährige nimmt auf der Couch Platz, verschränkt die Beine und beugt sich leicht nach vorne. Nur eine eigene Thermotasse hat das Allround-Talent der deutschen Comedyszene mit dabei, sonst nichts: dezent geschminkt, unauffällig gekleidet und aufmerksam lauschend sitzt sie da. Es kann losgehen. 20 Minuten Zeit, um im Rahmen eines Interviews zum neuen "Garfield"-Film den Versuch einer Annäherung zu wagen: an eine Persönlichkeit, die so ganz anders ist, als sie immer auf der Mattscheibe wirkt. Anke Engelke, das wird schnell klar in diesem Gespräch, antwortet präzise und immer geradeheraus. Sie geht keiner Frage aus dem Weg, kann aber auch entwaffnend ehrlich sein – und dabei den Plan des Interviews in Nullkommanichts auf den Kopf stellen. t-online: Frau Engelke, hatten Sie schon mal Rachegelüste? Anke Engelke: Nein, gar nicht. Ihrer Figur Jinx in dem neuen "Garfield"-Film geht das gänzlich anders. Ich bin sehr weit weg von der Figur. Jinx und ich haben eigentlich kaum oder keine Ähnlichkeit. Aber das ist nicht schlimm, das ist ja Schauspielerei. Ich bin auch privat keine Katze, ich bin ein Mensch. Da ist schon mal der erste große Unterschied. Macht es das herausfordernder für Sie? Es ist immer eine große Herausforderung, wenn man Charakterzüge spielen muss, die man nicht kennt. Haben Sie denn mit Marge Simpson Gemeinsamkeiten, die Sie seit 2007 in der deutschen Fassung sprechen? Ich habe zuerst direkt an Dorie aus "Findet Nemo" gedacht, die ja ein Problem mit ihrem Gedächtnis hat – auch da halten sich die Ähnlichkeiten zu mir stark in Grenzen. Und Marge? Sie ist so ein Übermensch, so eine Übermutter. Schwierig. Aber ich gehe generell nicht so vor, dass ich gucke, wie ich bin und was ich dahingehend der Figur einverleiben könnte. Das finde ich uninteressant. Wieso? Ich drehe mich nicht so sehr und schon gar nicht gerne um mich selbst. Man könnte sagen, dass ich mich hinter den Figuren verstecke. Oder man könnte auch sagen, dass ich mich in die Figuren hineinbegebe – das finde ich interessanter. Ist das für Sie so eine Art Erfolgsrezept, sich derart in andere Rollen hineinzubegeben? Das kann ich so nicht sagen, weil ich kein Rezept habe und weil Erfolg nicht meine Antriebsfeder ist, den finde ich nicht maßgeblich. Was ist denn für Sie maßgeblich? Ich glaube nicht, dass man etwas sein muss, das man spielt und darin Erfahrung haben muss. Denken Sie nur an die Serie "Deutsches Haus" um den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess. Wie hätte ich da aus meinem eigenen Erfahrungsfundus schöpfen sollen? Das ist nicht möglich. Oder bei der Netflix-Serie "Das letzte Wort", wo meine Figur ihren Mann verliert: Wie soll ich diese Trauer aus meinem eigenen Fundus hervorkramen? Das muss man dann herstellen. Und deswegen ist es Schauspielerei und nicht Leben, sonst wäre ich vielleicht Influencerin, wenn ich daran interessiert wäre, mich als Privatperson zu präsentieren. Influencerin zu sein, liegt also nicht in Ihrem Interesse? Ich finde das für mich unpassend, aber das ist Geschmackssache. Ich spreche lieber über meine Arbeit als über mich selbst und ich habe wahrscheinlich schon zu früh erlebt, dass dieser verrutschte Fokus mir nicht entspricht. Zu mir passt das null. Dass man sich auf Sie fokussiert? Ja genau, dass nicht meine Arbeit im Fokus steht, sondern ich als Mensch. Ich nehme meine Arbeit und mich dabei sehr ernst, aber nicht wichtig. Ist es nicht normal, dass die Menschen Sie toll finden, gerade auch wegen Ihrer überzeugenden Darstellungen und Rollen? Klar freue ich mich über tolles Feedback! Aber das ist auch trügerisch. Wer ich bin und wie ich bin, das weiß nur ich selbst. Ich glaube, jeder Mensch kennt das von sich. Wie man sich nach außen gibt, das muss nicht unbedingt immer der Wahrheit entsprechen. Deswegen finde ich diesen Blick von der Rolle auf den Menschen obsolet. Wenn die Menschen sich um sich selbst drehen und sich auch so präsentieren, frage ich mich immer: Was wird da genau präsentiert? Insofern bin ich sehr gut aufgehoben in der Schauspielerei, weil mir das die Möglichkeit gibt, jemand anderes zu sein. Das finde ich sehr gut, weil alles andere meiner Meinung nach niemanden etwas angeht. Gilt das auch für Auftritte von Ihnen in Serien wie "LOL"? Sind Sie dort Anke Engelke oder eine Kunstfigur? Sobald ein Mikrofon an ist oder eine Kamera läuft, ist man sich dessen bewusst. "LOL" ist ein schönes und superinteressantes Format, da war ich mal prominente Teilnehmerin, mal Kunstfigur, und immer von den "LOL"-Kameras beobachtet. Wie soll man da echt sein? Ich spreche privat nicht druckreif in ganzen Sätzen, doch ich versuche es für die Kamera. Also wäre es Ihnen gar nicht so unrecht, wenn Sie dabei sogar unerkannt blieben? Ja, das größte Kompliment für mich ist bis heute, wenn Leute sagen: "Ach du sprichst die Marge?" oder "Du bist Dorie?". Ich stelle mich immer in den Dienst der Rolle. Wie gehen Sie also genau vor, bei dieser offenbar sehr spezifischen, Engelke-haften Undercover-Methode des Arbeitens? Ich verlasse mich beim Drehen und Synchronisieren komplett auf Drehbuch und Regie. Man kann nicht improvisieren beim Synchronsprechen, das geht nicht, das ist technisch nicht möglich, der Mund der animierten Figur gibt ja viel vor! Sie haben also auch keine Vorlage im Kopf, keine Stimme, an der Sie sich orientieren oder von der Sie sich inspirieren lassen? Hannah Waddingham, die Jinx im Original gesprochen hat, ist Britin. Das haben wir probiert, die deutsche Jinx mit britischem Akzent, aber es wirkte an manchen Stellen zu kühl und elaboriert, und an anderen Stellen plötzlich zu warm, zu elegant. Das passte nicht. Dann haben wir verschiedene deutsche Dialekte probiert. Irgendwann kam die Idee auf, Jinx mit französischem Akzent zu sprechen, und das hat sehr gut funktioniert. Sie sprechen immer noch fließend Französisch? Nein, mein Französisch ist nicht mehr gut. Ich hatte es zwar in der Schule und auch im Studium noch ein bisschen, aber das hätte ich weiter durchsprechen müssen. Aber die Sprachmelodie ist geblieben? Genau, die ist noch da. Aber auch da befindet man sich in einem relativ strengen Korsett. Wenn man einen Ton langziehen wollen würde, weil das mit einem Akzent schön klänge, ist irgendwann der Mund der Figur auf dem Bildschirm zu – und insofern sind der Kreativität auf ganz angenehme Weise Grenzen gesetzt. Das finde ich sympathisch, angenehm und herausfordernd. Ich habe als Kind schon synchronisiert und ich liebe dieses Handwerk nach wie vor. Es ist allerdings auch viel anstrengender, als man es sich vorstellt. Es ist wirklich schwer, weil man drei Dinge gleichzeitig tun muss. Man muss sich erstens eine Zeile merken, die eventuell sprachlich, inhaltlich, semantisch kompliziert ist. Zweitens muss man synchron mit den Lippenbewegungen sein. Das ist schwer, weil die deutsche Übersetzung sich ja nicht nur anders anhört, sondern deutlich sichtbar andere Mundbewegungen mit sich bringt. Da brummt das Hirn auf Hochtouren. Und drittens muss man auch schauspielern, indem man das Gesprochene des Originals quasi dekodiert und sich zum Beispiel fragt: "Was hat Hannah Waddingham bei Satz XY gedacht und gefühlt?" Eine anstrengende Arbeit, aber auch eine große Freude. Im Sinne der konzentrierten Arbeit im Studio, fernab der Öffentlichkeit, ganz ohne dabei oder am Ende als Ergebnis auf der Leinwand gesehen zu werden: Klingt so, als müsste diese Arbeit ganz in Ihrem Sinne sein. Das stimmt, ich liebe das. Weil es nicht um mich geht, sondern ich machen darf, was mir Freude macht. Ein roter Teppich ist ein Ausflug, eine Ausnahme: Da stelle ich mich in den Dienst der Sache, denn das wäre ja schade, wenn die Menschen nicht mitbekämen, was wir im Studio Schönes für sie gemacht haben.