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Deutschland fällt bei Lebenserwartung weiter zurück im Vergleich zum Rest Westeuropas

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung meldet, der Abstand zwischen der Lebenserwartung in Westeuropa und jener in Deutschland sei in den letzten Jahren weiter gestiegen. Während es noch im Jahr 2000 0,7 Jahre waren, sind es mittlerweile bei Männern 1,8 und bei Frauen 1,4 Jahre. Gleichzeitig ist bis 2022 die Lebenserwartung beider Geschlechter auch absolut um etwa ein Jahr gesunken.

Die Wissenschaftler, die diese Daten im Auftrag des Instituts ermittelt haben, sehen die Ursache vor allem in schlechterer Prävention und Früherkennung bei Herz-Kreislauf-Krankheiten. Dazu sollte man allerdings auch erwähnen, dass Deutschland bei den Kosten des Gesundheitssystems europaweit führt. Das spräche dann klar gegen die Qualität seiner Leistungen. Die Autoren der Studie finden das alles rätselhaft, auch wenn allgemein bekannt ist, dass das extrem privatisierte und teure Gesundheitssystem der USA ebenfalls schlecht abschneidet, sprich, ein Nachdenken über die Folgen dieser Entwicklung angebracht wäre:

"Die genauen Gründe für den Widerspruch zwischen einer gut finanzierten, technologisch fortschrittlichen und gut zugänglichen Gesundheitsversorgung und der schlechten Platzierung Deutschlands bei der Lebenserwartung insbesondere im Bereich der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind noch nicht ausreichend erforscht."

Was in dieser Studie allerdings nicht berücksichtigt wird, ist der in Deutschland ausgeprägte soziale Unterschied der Lebenserwartung. Es wird in Deutschland nur selten thematisiert, aber der Abstand zwischen Reichen und Armen betrug hier schon im Jahr 2017 bei Männern 10,8 und bei Frauen acht Jahre. Das hat nicht nur den Effekt, den damals der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes für die Renten benannte: "Die armen Menschen, die ihr Leben lang Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt haben und dann im Durchschnitt vielleicht noch vier, fünf Jahre die Rente genießen können, finanzieren im Grunde genommen die Rente der wohlhabenderen, länger lebenden mit." Es führt auch dazu, dass durch ein Ansteigen der Armut die Lebenserwartung der Deutschen insgesamt zwangsläufig fällt.

Ein Hinweis auf soziale Faktoren ist beispielsweise dieser Punkt, bei dem die vergleichsweise schlechte Qualität des Angebots und die im Vergleich extrem hohen Preissteigerungen bei Obst und Gemüse eine große Rolle spielen dürften:

"Allerdings weisen internationale Daten darauf hin, dass die Bevölkerung in Deutschland durchschnittlich schlechtere Ernährungsgewohnheiten aufweist. Dies gilt etwa für das geringere Angebot an Gemüse und Obst und dessen vergleichsweise mäßigen Konsum."

Immerhin, gegen Ende der Studie lassen die Autoren erkennen, dass sie einen Einfluss der sozialen Unterschiede zumindest vermuten, weil sie als Themen künftiger Studien "die erheblichen Sterblichkeitsunterschiede zwischen sozialen Gruppen" vorschlagen.

Die Lebenserwartung ist ein zwar selten genutzter, aber durchaus aussagefähiger sozialer Indikator. Das gilt insbesondere für Situationen, in denen sie sinkt. Sie ist in Deutschland ab 2022 das erste Mal nach Jahrzehnten gefallen, und es ist klar, dass es sich dabei um keine Übersterblichkeit durch Corona handelte. Ein Absinken um ein Jahr ist ein klares und unbestreitbares Indiz dafür, dass sich die Lebenslage der Bevölkerungsmehrheit deutlich verschlechtert hat.

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