IAEA erklärt: Russisches Uran ist unverzichtbar für den Westen
Von Elem Chintsky
Nicht nur auf dem Gebiet der fossilen Brennstoffe wie Erdgas und Erdöl hat die Russische Föderation eine signifikante, weltweite Hebelkraft, die die Versuche des kollektiven Westens der letzten zweieinhalb Jahre, Russland wirtschaftspolitisch zu isolieren, sichtlich erschwert. Auch die umweltfreundliche, viel nachhaltigere Atomenergie wird durch russisches Know-how entscheidend mitgestaltet und international dermaßen geprägt, dass die Narrative von einer baldigen Zerstückelung Russlands an Glaubwürdigkeit verlieren.
Die Struktur der internationalen Lieferkette für Kernbrennstoffe und -technologien schließt Russland weitgehend ein. Dies gilt nicht nur für die USA selbst, sondern auch für Europa, das auf russische Brennstoffe und Dienstleistungen für den Betrieb von Kernkraftwerken angewiesen ist.
"In den osteuropäischen Ländern beispielsweise beträgt der Anteil der Kernenergie 30–40 Prozent", erklärte jüngst gegenüber der russischen Iswestija Rafael Grossi, der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).
Zu den aktuellen US-Bemühungen, die Einfuhr von russischem Uran bis Ende des Sommers 2024 zu verbieten, gab Grossi folgenden Kommentar ab:
"Ich weiß, dass die USA versuchen, die lokale Produktion zu stärken und Anreize zu schaffen. Es ist ihre souveräne Entscheidung – sie haben das Recht, das zu tun. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Aber ich denke, dass diese Maßnahmen mit einer Reihe von Ausnahmen und Vorbehalten angenommen wurden. Das bedeutet, dass sie erkennen, dass diese Maßnahmen unter den derzeitigen Marktbedingungen unrealistisch sind."
Der IAEA-Chef betonte, dass Russland eine führende Atommacht sei und Rosatom den weltweit wichtigsten Lieferanten dieser Technologie und des angereicherten Urans darstelle. Grossi erinnerte daran, dass das staatliche russische Unternehmen sogar in Ländern präsent sei, die antirussische Sanktionen verhängen und die eindeutig die US-Seite des Konflikts vertreten würden.
Grossi hat bei dieser Gelegenheit gegenüber der russischen Tageszeitung auch die nach wie vor sehr kritische und akute Situation im Kernkraftwerk Saporoschje hervorgehoben und appelliert, eine immer noch ausstehende unabhängige Untersuchung zu den Geschehnissen vor Ort durchzuführen. Kiew behauptet, Moskau beschieße sich selbst. Moskau hingegen beteuert, dass Kiew aus Frust angesichts der Tatsache, dass das Kernkraftwerk sich unter russischer Kontrolle befindet, die Anlage beschieße. Bisher hatte die IAEA in dieser politisch sensiblen Frage, welche der Konfliktparteien genau für die hohe Gefahr eines nuklearen Unglücks aufgrund von vorsätzlichem Beschuss verantwortlich zeichnet, versucht, eine neutrale Position zu vertreten.
Derzeit ist die Arbeit des Kernkraftwerkes ausgesetzt. Aber aus Verhandlungen Grossis mit dem Rosatom-Chef Alexei Lichatschow geht hervor, dass man bereits Pläne berücksichtigt, die Anlage unter russischer Führung erneut in Betrieb zu nehmen, sofern die Kampfhandlungen dort keine akute Gefahr mehr darstellen. Das zeugt davon, dass die IAEA nicht kategorisch auf einen politischen Ausgang im spezifisch westlichen Sinne eines "Kiewer Sieges" eingestellt ist – sondern eher einer generellen Schlichtung des Konfliktes in der Region verpflichtet bleibt.
Multipolarität – auch in der Kernenergie
Der Prozess der Anreicherung von Uran ist keine banale Angelegenheit und verlangt den höchsten Standard technologischer Entwicklung sowie stetige Innovation und Investition. In dieser Hinsicht ist Rosatom weltweit mit enormem Vorsprung unmissverständlich auf dem ersten Platz. Ich schrieb bereits über die Errungenschaften von Rosatom, die dynamische Weiterentwicklung auf dem Gebiet russischer Kernkraft-Technologie und den anspruchsvollen Anreicherungsprozess, der damit verbunden ist.
Die USA hingegen haben ihren nuklearen Sektor mutmaßlich vernachlässigt, wozu nur der ehemalige US-Präsident Donald Trump bereit war, sich mahnend öffentlich zu äußern – bisher ohne große Resultate. Die Zukunft der Kernenergie verschiebt sich nach Eurasien. Chinas und Russlands langfristige Zusammenarbeit dahingehend stellt genau das Gegenteil der Abkehr Berlins von der Atomkraft dar. Peking und Moskau kontrollieren zum Beispiel über ihre Staatsunternehmen die Hälfte der Aktienanteile an den sieben größten kasachischen Tochterunternehmen von Kazatomprom – dem größten Bergbauunternehmen Kasachstans. Das immer noch von US-Einflüssen beeinträchtigte Land ist der größte Standort für Uranabbau auf der Erde.
Die weltweite Wertschöpfungskette von nuklearer Energie ist intim vernetzt mit Moskaus Marktdominanz, geschäftlicher Verlässlichkeit und Vertragstreue sowie technologischem Fortschritt auf diesem Gebiet – Befindlichkeiten, im Hinblick auf welche womöglich besonders die EU-Eliten bei der derzeit nicht schwindenden Eskalationsspirale unbedingt davon absehen müssen, sie weiter zu strapazieren.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.
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