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ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann im Auge eines Shitstorms

Für ihren ersten Kommentatoren-Einsatz beim Spiel Dänemark gegen Slowenien ist ZDF-EM-Reporterin Claudia Neumann in den sozialen Medien scharf kritisiert worden. Unser t-online-Experte hat dazu eine klare Position. Eine Kolumne von Hansi Küpper. Dass sich jetzt zum wiederholten Mal Menschen in den sozialen Netzwerken auf die Kollegin Claudia Neumann einschießen, hat mich nicht überrascht. Das passiert bei ihr leider regelmäßig. Wenn ich mir aber inhaltlich ansehe, was online gegen sie vorgebracht wird, dann kann ich nur sagen: Das ist absurd. Sie habe von der "neuen WM-Arena in Stuttgart" gesprochen, wird moniert. Ja, 2006 ist schon ein bisschen her, aber in der Tat ist das Gottlieb-Daimler Stadion angesichts der WM im eigenen Land komplett umgestaltet worden. Das ist inhaltlich korrekt – über das Wort "neu" könnte man streiten. Dann hatte Claudia Neumann angesprochen, dass der eine oder andere dänische Fan mit der Fähre nach Deutschland übergesetzt hat. Da weisen Menschen allen Ernstes schadenfroh darauf hin, dass Dänemark doch "keine Insel" sei. Nein, natürlich nicht! Aber selbstverständlich kommt man von Dänemark aus hervorragend über die Fährverbindungen von Rödby und Gedser nach Fehmarn und Rostock und von dort weiter in jeden EM-Austragungsort. Viele Fans, gerade aus dem Großraum Kopenhagen, nutzen diese Route. Wer so einen einfach zu googelnden Fakt nicht auf dem Schirm hat, aber dem Kommentator Unwissenheit unterstellt, der will sich in erster Linie produzieren und beweist damit nur, wer tatsächlich derjenige ist, der keine Ahnung hat. Weiterhin wurde ihr vorgeworfen, sie habe für die Position des "zentralen defensiven Mittelfeldspielers" die Abkürzung "MFD" verwendet. Richtig sei aber "ZDM". Du liebe Güte! Es gibt überhaupt keine fußballspezifischen Abkürzungen für Positionen. Am geläufigsten sind sie tatsächlich bei Fußball-Computerspielen. Da ich zu einem der bekanntesten den deutschen Kommentar beigesteuert habe, sind mir tatsächlich auch "IV" für "Innenverteidigung" oder "AV" für "Außenverteidigung" geläufig. Aber eine Formulierung eines Kommentators ist doch nicht deshalb richtig oder falsch, weil sie in der Gamerszene anders benutzt wird. Wenn der klassische "Sechser" zum "Achter" gemacht würde: Das wäre ein fachlicher Fehler. Aber doch nicht eine x-beliebige Abkürzung. Was am Ende übrig bleibt, ist aus meiner Sicht eine einzige flüchtige Verwechslung: Claudia Neumann sagte in einem Nebensatz, dass Deutschland am Dienstag gegen Ungarn spielt. Das Spiel findet aber am Mittwoch statt. Aber wenn das die Punkte sind, die einen Shitstorm ausbrechen lassen, dann muss einem wirklich angst und bange werden. Es gibt nicht einen Kollegen – mich ausdrücklich eingeschlossen – der in dieser Hinsicht fehlerlos wäre. Wenn ein falscher Wochentag schon einen Empörungssturm auslöst, dann können wir uns alle miteinander von unserem Job verabschieden. "Das triggert offensichtlich den einen oder anderen" Am Ende begegnen wir hier dem neuzeitlichen Phänomen des Mobbings, des Bashings und des Shitstorms. Menschen fühlen sich erhaben und "größer", wenn sie andere klein machen. Man macht andere runter, damit man sich selbst als einer von oben fühlen darf. Und gerade bei Claudia Neumann arbeiten sich viele Kritiker geradezu gezielt an ihrer Arbeit ab. Sie steht meiner Ansicht nach so sehr in der Kritik, weil sie als erste Frau in die Männerbastion des Kommentatorenjobs eingedrungen ist. Das ruft offenbar Kritiker auf den Plan, die damit ein grundsätzliches Problem haben. Und auch die Tatsache, dass sie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet, triggert offensichtlich den einen oder anderen. Es verschlägt mir wirklich die Sprache, wie sehr. Mir wäre lieber, wir würden beispielsweise mehr über die Deutsche Nationalmannschaft sprechen und wie gut sie in das Turnier gestartet ist. Mit Florian Wirtz, Jamal Musiala, mit İlkay Gündoğan und Kai Havertz haben wir eine offensive Schlagkraft auf dem Platz, die uns zu einem der Favoriten auf den EM-Titel machen kann, wenn das Team sie weiterhin abrufen kann. Und es ist bemerkenswert, wie gut die abgelaufene Bundesliga-Saison dem Team von Julian Nagelsmann offenbar getan hat: Zehn Jahre lang hatten die Bayern ein Abonnement auf die Deutsche Meisterschaft, und gleichzeitig ist es mit der Nationalelf, angeführt vom berühmt-berüchtigten Bayern-Block, immer weiter bergab gegangen. Jetzt heißt der Meister Leverkusen und der Vizemeister Stuttgart, und der Kader ist breit aufgestellt, mit vielen Spielern aus verschiedenen Vereinen, die vor Selbstvertrauen nur so strotzen. Das macht mich sehr zuversichtlich für die kommenden Partien.

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