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EM 2024: Hansi Küpper fordert die Abschaffung des Videoschiedsrichters

Absicht oder nicht? Vergrößerung der Körperfläche oder nicht? Nach dem Handspiel von Marc Cucurella gegen Deutschland gab es viele Debatten: TV-Kommentator Hansi Küpper hat einen besonders drastischen Vorschlag. Jamal Musiala zieht von der Strafraumgrenze ab. Der Ball geht scharf geschossen in Richtung spanisches Tor. Eine Hand blockiert die Schussbahn und verwehrt dem Ball den Einschlag ins Tor. Sie gehört Marc Cucurella, dem Außenverteidiger der spanischen Nationalmannschaft. Auch wenn Fußball-Deutschland und Fußball-Spanien eine Nacht über die Szene geschlafen haben: Sie polarisiert nach wie vor die Massen. Und sie führt jedem Fußballfan die Problematik der Regelauslegung in Sachen Handspiel vor Augen. TV-Kommentator und t-online-Experte Hansi Küpper geht noch einen Schritt weiter. Er sagt: Der Videokeller muss geschlossen werden. Der VAR (Video Assistent Referee) ist ein Irrweg. t-online: Hansi Küpper, die Fußballnation tobt, wortwörtlich, wegen der Szene rund um das Handspiel des spanischen Verteidigers Cucurella. Zwischen "bitter", "irre" und "Schiebung" hat die Debatte jede Schattierung. Wo stehen Sie? Hansi Küpper: Ich habe kein Problem damit, dass in dieser Szene, isoliert betrachtet, nicht auf Elfmeter wegen Handspiels entschieden wird. Dafür mag es Argumente geben. Im Kontext der vergangenen sieben Jahre seit Einführung des VAR allerdings ist diese Entscheidung vollkommen lächerlich. Wie meinen Sie das? Seit der Einführung des VAR häufen sich Situationen, in denen selbst Trainer und Verantwortliche von Vereinen, die von einer VAR-Entscheidung profitierten, hinterher "off the record" erklären, dass sie die Entscheidung nicht verstanden haben. Ein Beispiel: In der Partie zwischen Hertha BSC und Mainz 05 im März 2023 hat der VAR ein zweifelhaftes Handspiel von Mainz überprüfen lassen, in der selbst die Hertha-Spieler ohne jeden Protest weitergespielt hatten. Am Ende gab es Handelfmeter für sie, was niemand verstand. Diese Situationen häufen sich. Und sie sind – verglichen miteinander – einfach nicht schlüssig. Denken wir an den Handelfmeter, den Deutschland im Achtelfinale gegen Dänemark bekommen hat! Und vergleichen wir ihn mit der Szene mit Cucurella im Viertelfinale . Die logische Konsequenz aus beiden Szenen ist doch klar: Die Grundannahme des VAR ist eine Schnapsidee. Inwiefern? Der VAR sollte die klare Fehlentscheidung ausschließen. Ein Handspiel, wo es keines gab. Ein Foul, wo kein Kontakt bestand. Ich gebe zu, solche Entscheidungen hat es gegeben. Ein Beispiel: "Die Hand Gottes" 1986, Maradona gegen England, das würde es heute nicht mehr geben. Es gibt heute keine Trennschärfe mehr zwischen "klarer Fehlentscheidung" und "kann-man-so-sehen-und-so-sehen". Da aber genau liegt die Krux beim VAR. Erklären Sie das bitte. Das heißt, der Interpretationsspielraum des Schiedsrichters, über den wir uns früher gestritten haben, ist nicht aufgehoben worden, sondern nur verlagert? Genau. Der Interpretationsspielraum, der früher beim Schiedsrichter lag und für den Schiedsrichter hinterher immer hart kritisiert wurde, ist durch den VAR einfach verschoben worden. Auf eine Entscheidung, die der VAR tatsächlich zweifelsfrei einen Fehler gegenüber der Wahrnehmung des Feldschiedsrichters korrigiert hat, kommen 99 umstrittene Entscheidungen, wo wir uns hinterher fragen, warum der Videoschiedsrichter eingegriffen hat oder nicht. Fragt man Schiedsrichter-Experten, klingt das aber oft ganz anders. Naja. Wie sinnvoll ist es eigentlich, wenn deutsche Fernsehsender Experten befragen, die Teil des Systems sind? Patrick Ittrich hat sich bei Magenta TV große Mühe gegeben, den wütenden Experten Michael Ballack wegen dieses spanischen Handspiels zu beruhigen. Aber natürlich will auch er weiterhin in der Bundesliga eingesetzt werden, wo der VAR gelebte Praxis ist. Hätte Hansi Küpper etwas zu entscheiden, wie würde er das Dilemma mit dem VAR lösen? Durch zwei Schritte, die leider völlig utopisch sind. Erstens: die Komplettabschaffung des VAR. Und zweitens: Eine komplette Veränderung unserer Beziehung zu den Schiedsrichtern, die uns den Fußball erst ermöglichen, den wir so sehr lieben. Wir müssen die Schiedsrichter als "unsere Jungs begreifen", ohne die das Spiel nicht möglich ist und denen wir deshalb auch Fehler erlauben müssen, ohne sie von einem VAR entauthorisieren zu lassen, das am Ende auch nicht besser ist. Mein Aha-Erlebnis war die Geschichte rund um Babak Rafati: 2011 ist die Bundesliga-Partie zwischen Köln und Mainz abgesagt worden. Der Schiedsrichter war nicht gekommen. Es handelte sich um Babak Rafati, und der Grund dafür, dass er nicht anwesend war, war sein Selbstmordversuch. Für mich war in diesem Moment klar: Ein Mensch kommt nicht zum Spiel, und alle müssen deshalb nach Hause gehen. So wichtig sind Schiedsrichter. Das sollten wir auch bei der Debatte um den VAR im Kopf behalten. Ist das Ihr Ernst? Den VAR abschaffen? Die grundsätzliche Frage dahinter lautet doch: Hat der VAR den Fußball gerechter gemacht? Wer das bejaht, der vertritt doch eine komplett absurde Position. Wir haben anstelle der Tatsachenentscheidung auf dem Feld, die manchmal richtig lag und manchmal falsch, jetzt eine Art von Pseudogerechtigkeit geschaffen: Wer eine Linie kalibrieren muss und das Lot fällt, um eine Tatsachenentscheidung in einem Bewegungssport zu rechtfertigen, der hat einfach ein Logikproblem. Ich würde sogar noch weitergehen, und meinen lieben Expertenkollegen Torsten Mattuschka zitieren: Wer den Videobeweis gut findet, der hat den Fußball nie geliebt.

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