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Jean-Luc Mélenchon: Wird dieser Deutschland-Hasser Frankreichs neuer Premier?

Er gilt als Überraschungssieger der Wahlen in Frankreich. Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon will jetzt an die Macht. Für Deutschland könnte das nichts Gutes bedeuten. Emmanuel Macron kann aufatmen. Frankreichs Präsident ist haarscharf an einem politischen Desaster vorbeigeschrammt. Marine Le Pen darf sich ärgern. Die Vorsitzende des rechtsextremen Rassemblement National (RN) galt noch bis vor wenigen Stunden als neue starke Frau der Grande Nation. Ihre Partei lag in den Umfragen vorn, ihr Kandidat Jordan Bardella sah sich wohl schon als neuer Premierminister – mit Le Pen als großer Strippenzieherin im Hintergrund. Dann kam der Sonntag, Wahltag in Frankreich . Und es kam alles anders. Stärkste politische Kraft wurde nicht Le Pens RN, sondern die vereinigte Linke Nouveau Front Populaire (NFP). Macrons Bürgerplattform kam überraschend auf den zweiten Platz. Die Rechtsextremen nur auf Rang drei. Europa atmet auf. Frankreich hat kurz "in den Abgrund geschaut", wie Korrespondent Kay Walter für t-online schreibt. Hineingestürzt ist es nicht. Und während Macron durchatmen und Le Pen mit den Zähnen knirschen dürfte, kann einer jubeln: Jean-Luc Mélenchon. Der Linkspopulist gilt als großer Gewinner dieser Wahl. Nun geht es an die Regierungsbildung, und die dürfte angesichts der Stimmenverhältnisse schwierig werden. Denn die drei großen Lager liegen ungefähr gleichauf, oder anders gesagt: Sie sind gleich weit von der absoluten Mehrheit von 289 Sitzen entfernt. Das hinderte Mélenchon nicht daran, sich schon einmal als Sieger der Parlamentswahlen auszurufen. Mélenchons Unterstützung im eigenen Lager ist brüchig Er habe nun einen klaren Regierungsauftrag von den Wählern. "Der Präsident hat die Pflicht, die Nouveau Front Populaire zum Regieren aufzufordern", sagte er am Sonntagabend, kurz nachdem die ersten Hochrechnungen öffentlich wurden. Der aktuelle Premierminister Gabriel Attal aus dem Lager von Staatspräsident Emmanuel Macron müsse gehen, so Mélenchon. Macron solle seine Niederlage eingestehen. Verhandlungen über einen Zusammenschluss mit Macrons Lager schloss er kategorisch aus. Das selbstbewusste Auftreten des 72-Jährigen steht im Widerspruch zur Unterstützung, die er aus seinem Linksbündnis erfährt. Diese hält sich nämlich in Grenzen. Ohnehin hatte sich die Bewegung aus Kommunisten, Sozialisten und Grünen nur zusammengeschlossen, um Macron einen Denkzettel zu verpassen und das noch größere Übel – den Rassemblement National – zu verhindern. Einigkeit herrscht zwischen den Partnern des linken Spektrums mitnichten. Das hat auch mit ihrem Spitzenkandidaten zu tun. Mélenchon gilt als gnadenloser Populist, der Stimmen auch an den radikalen Rändern abgreift. So fällt er nicht nur regelmäßig mit euroskeptischen Aussagen auf, auch fährt er einen klar pro-palästinensischen Kurs und wird selbst innerhalb seiner Partei, der französischen Linken, heftig für seine zum Teil radikalen Positionen kritisiert. Unter anderem plädiert er für Verhandlungen mit Russlands Diktator Wladimir Putin . Mélenchon wettert gegen deutsche Verlogenheit "Für Macron wird es die Hölle", polterte Mélenchon schon vor den Wahlen 2022. Für die einfachen Leute aber werde die Hölle, als die er die Macron-Regierung betrachtet, enden – mit ihm als Premierminister Frankreichs werde die "Luft leichter" und die "Sonne schöner" sein. Damals kam es bekanntlich anders. Nun könnte seine Stunde tatsächlich geschlagen haben. Deutschland ist eines von Mélenchons liebsten Feindbildern, was auch mit seiner großen EU-Skepsis zu erklären sein dürfte. Im Jahr 2014 attackierte er die deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf Twitter mit den Worten: "Maul zu, Frau Merkel. Frankreich ist frei." Zuvor hatte Merkel Reformen angemahnt. Doch das war längst nicht alles. 2015 publizierte Mélenchon eine Streitschrift, in der es nur so vor anti-deutschen Ressentiments wimmelte. Darin wetterte er gegen die deutsche Verlogenheit, suggerierte, die Deutschen gäben vor, nur an FKK-Baden, Waldspaziergängen und Honigstullen interessiert zu sein, während sie in Wirklichkeit mit ihren Kohlekraftwerken und Chemiefabriken halb Europa vergifteten. "Die Deutschen sterben früher als die anderen" Das Skurrilitätenkabinett seines Deutschland-Hasses ist ebenso lang wie schillernd. So bezeichnete er die deutsche Wiedervereinigung einmal als "illegale Annexion" der DDR, forderte, die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse "auf den Müll", das Aus des DFB-Teams nach der Vorrunde der WM 2018 bejubelte er bei Twitter mit dem Bekenntnis, er verspüre "große Freude". Den Deutschen an sich skizzierte er als grämliche, düstere Gestalt. "Das Deutsche, das ist ein Modell für Menschen, die sich nicht für das Leben interessieren", schimpfte er 2013. "Niemand will Deutscher sein. Sie sind ärmer als der Durchschnitt, sie sterben früher als die anderen, und sie haben keine Kinder." In seinem Pamphlet, das den versponnenen Titel "Deutschland: Der Bismarckhering – das deutsche Gift" trägt, zeichnete Mélenchon Deutschland als "Monster", das die EU fest im Griff hat und den anderen EU-Staaten seinen Willen aufzwingt. Er wettert darin auch gegen das "deutsche Modell", den Weg wirtschaftlicher Solidität und einer rigorosen Austeritätspolitik. Die gilt auch vielen Franzosen als vorbildlich. Schwierige Regierungsbildung unter Macron Mélenchon, den die "NZZ" mal einen "gefährlichen Rüpel" nannte, propagiert hingegen einen antiliberalen, antikapitalistischen Kurs, er unterstützt große staatliche Eingriffe, die Deckelung von Managergehältern und ein Grundeinkommen für junge Leute. Klassische (alt-)linke Positionen also. Was davon bloßes Wahlkampfgetöse bleibt, und was Mélenchon tatsächlich umsetzen kann, sollte er wirklich Premierminister werden, wird sich zeigen. Erst einmal muss überhaupt eine Regierung gebildet werden in Frankreich. Ob die Linken alleine eine Minderheitsregierung auf die Beine stellen können, ist ungewiss. Die anderen Fraktionen könnten eine solche Regierung per Misstrauensvotum stürzen. Die Linken könnten auch versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen, entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen Koalition. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte. Einen kleinen Erfolg konnte Mélenchon allerdings am Sonntag noch verbuchen: Der noch amtierende Premierminister Gabriel Attal zog erste Konsequenzen und kündigte seinen Rücktritt an.

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