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Australien: Uran statt Sonne und Wind? Plan für Atomkraftwerke sorgt für Debatte

Politische Machtspiele untergraben oftmals den nötigen Fortschritt. Ein brisanter Fall davon ist derzeit auch in Australien zu beobachten. Anna-Lena Janzen berichtet aus Brisbane Der einstige Polizeibeamte Peter Dutton hat es weit gebracht, doch er hat auch noch große Ambitionen. "Natürlich möchte ich eines Tages Premierminister werden", sagte Dutton im Jahr 2018. Zu diesem Zeitpunkt war er Innenminister Australiens und hatte gerade versucht, seinen Parteikollegen Malcolm Turnbull aus dem Amt des Premierministers zu drängen. Obwohl er mit seinem damaligen Coup knapp scheiterte, ließ sein Ehrgeiz nicht nach. Im Gegenteil. Heute ist der 53-Jährige wieder auf der Zielgeraden: 2025 wird in Australien gewählt und Dutton ist mittlerweile zum Parteichef der Liberalen aufgestiegen. Nun will er Anthony Albanese, den Chef der Labor-Partei, als Premierminister ablösen. Dafür hat er sich ein kontroverses Wahlversprechen zurechtgelegt. Dutton will sieben Atomkraftwerke im Land bauen und in zwei sogenannte Minireaktoren (SMRs) investieren. Obwohl Australien bisher vollständig auf Atomkraft verzichtet und die Nutzung von Uran als Energiequelle seit den 1990er-Jahren verboten ist. Während Deutschland nach Jahrzehnten seine Atomkraftwerke vom Netz genommen hat, wird in Australien über die mögliche Errichtung neuer Atommeiler diskutiert. Uran – statt Sonne und Wind? "Wir haben eine Vision für unser Land, um sauberen und zuverlässigen Strom zu liefern", erklärte Dutton vor Reportern am Parlament in Canberra. "Unser Plan wird bis 2050 zu einer Netto-Null-Stromerzeugung, niedrigeren Stromrechnungen und einer starken und widerstandsfähigen Wirtschaft führen". Damit trifft er auf einen Nerv, denn viele Australier leiden unter der sogenannten Energiekrise und den ausufernden Lebenshaltungskosten. Albanese setzt auf erneuerbare Energien Sein Konkurrent Albanese verfolgt ein ganz anderes Ziel. Bis 2030 will er einen Anteil der erneuerbaren Energien im Stromnetz von 82 Prozent erreichen (derzeit sind es rund 39 Prozent). Dafür setzt Albanese hauptsächlich auf den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie. Er hat heroische Klimaziele vorgelegt, die allerdings nicht alle im Land überzeugen. Dort greift Dutton mit seiner umstrittenen Forderung nach Atomkraft als "kosteneffizientere" Lösung für die Energiekrise an. Schon in den vergangenen Jahren hatte er konsequent populistische Themen besetzt und konnte so vor allem in den Vorstädten und abgelegenen Regionen Australiens punkten. Jetzt bringt er sein Anliegen in den Mainstream, die Großstädte, um die nächste Wahl für seine Liberalen zu sichern. Oder doch lieber Uran – statt Sonne und Wind? Doch Dutton spielt auf Risiko. Denn so grandios sein Plan klingt, er hat zahlreiche Kritiker. Professor Ian Lowe von der Griffith University bezeichnete ihn gar als "rechtlich unmöglich, wirtschaftlich unerreichbar und ökologisch unverantwortlich". In einer Analyse für "The Conversation" betonte Tony Wood, Direktor am renommierten Grattan Institut, dass Duttons Kernenergiepolitik weder jetzt noch in Zukunft den Kostendruck der Australier lindern werde. Die Faktenlage scheint somit nicht gerade zugunsten von Dutton zu sprechen. 1. Laut einem Bericht der führenden australischen Forschungsorganisation CSIRO sind die Kosten für Atomstrom etwa doppelt so hoch wie die Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien. Zudem müssten die Steuerzahler die Kosten für den Bau der neuen Atomkraftwerke tragen – Experten sprechen von einer "nuklearen Steuer" von mindestens 100 Milliarden australischen Dollar. 2. Die Nutzung von Uran als Energiequelle ist in Australien seit den 1990er-Jahren verboten. Bei einem Wahlsieg von Dutton müsste dieses Verbot aufgehoben werden. Ein komplizierter Prozess. Zudem haben die Bundesstaaten ihre eigenen Regeln, einige haben schon angekündigt, sich gegen Duttons Pläne zu stellen. 3. Australien verfügt über keine Erfahrung im Bau von Kernkraftwerken. Laut den CSRIO-Experten würde ein solches Projekt in Australien mindestens 15 Jahre dauern. Bis dahin müsste der Energiebedarf weiterhin mit fossilen Brennstoffen gedeckt werden, was die Klimaziele in Gefahr bringen würde. 4. Die von Dutton angepriesene neue Technologie der kleinen modularen Reaktoren (SMR) ist noch unerprobt. Bisher gibt es keinen kommerziell betriebenen SMR. Daher bleibt fraglich, ob SMRs in Zukunft tatsächlich eingesetzt werden können. 5. Auch stellt sich die Frage nach der Entsorgung des Atommülls, welche bei der lokalen Bevölkerung auf Widerstand stößt. Uran ist eine endliche Ressource, genau wie Kohle oder Öl, und muss aus der Erde abgebaut werden. Dies ist mit ernsten Sicherheits- und Umweltbedenken verbunden. All das ist kein Hindernis für Dutton. Der Liberale kann in seinem Machtstreben nicht beirrt werden. Ein Jahr vor seiner möglichen Wahl zum Premierminister ist ihm das Risiko, das seine politische Kampagne bedeutet, eindeutig die mögliche Belohnung wert: der starke Mann Australiens zu werden. Doch nicht nur Duttons nukleare Zukunftspläne sind umstritten. Schon vielfach stand er wegen seiner kruden Äußerungen und rassistischen Kommentare in der Kritik. Auch seine harte Flüchtlingspolitik ist vielen im Land in Erinnerung geblieben. Einst versuchte der frühere Innenminister sein Image aufzupolieren, indem er die Löschung eines "wenig schmeichelhaften" Bildes bei X (damals Twitter) erwirken wollte. Das Foto war 2016 bei einer Pressekonferenz entstanden und zeigte ihn wie den Beelzebub im Halbdunkel vor einer australischen Flagge. Das Bild ging stattdessen viral und zog Hunderte Memes nach sich. Dutton blieb dennoch bei seinen politischen Ambitionen. Nun könnte Duttons kühnes und kompromissloses Auftreten ihm zum Vorteil gereichen. Denn es steht im harten Kontrast zum Erscheinungsbild des derzeitigen Premierministers Albanese, den viele Australier nicht als starke Führungspersönlichkeit wahrnehmen. Australische Wähler sind offenbar "Doppelhasser" Bislang reagieren die Wähler allerdings auf keinen der beiden Kandidaten mit Euphorie. Das zeigt ein aktueller Stimmungstest bezüglich der beiden Spitzenkandidaten. Experten ziehen bereits Parallelen zum derzeitigen US-Wahlkampf und zitieren die Theorie der "Double Haters". Hierbei handelt es sich um Wähler, die beide Kandidaten ablehnen. "Wie ihre amerikanischen Mitmenschen fühlt sich diese australische Kohorte entfremdet und ist sowohl mit der Labor-Party als auch mit der Koalition unzufrieden. Typischerweise haben sie keine Markentreue zu einer der beiden großen Parteien", sagte der Meinungsforscher Tony Barry gegenüber dem australischen Sender ABC. Die nächste Wahl werde davon abhängen, welcher Parteichef es schaffe, mehr "Doppelhasser" dazu zu bringen, ihn weniger zu hassen. Und auch bei Australiens künftiger Energiepolitik bahnt sich ein ähnliches Dilemma an. "Die Australier haben bei der nächsten Wahl eine klare Entscheidung in der Energiepolitik zu treffen: zwischen dem Unwahrscheinlichen und dem Unmöglichen", schreibt der Energieexperte Matthew Warren in der "Australian Financial Review". Ob Dutton mit seiner Haltung zur Kernkraft die Wähler überzeugen kann, bleibt abzuwarten.

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