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Compact-Verbot: Die Folgen können verheerend sein

Preview Über das Verbot des "Compact"-Magazins wird auf zwei Ebenen diskutiert: Zum einen auf der juristischen und zum anderen auf der moralischen. Doch man muss ganz konkret über Nancy Faeser (SPD) sprechen. Sie ist die gefährlichste Frau Deutschlands.

Von Tom J. Wellbrock

Die exakten Worte Nancy Faesers auf X lauteten am 16. Juli 2024:

"Ich habe heute das rechtsextremistische 'Compact-Magazin' verboten. Es agitiert auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Muslime und gegen unsere Demokratie. Unser Verbot ist ein harter Schlag gegen die rechtsextremistische Szene."

"Ich" – das war das erste Wort des Tweets, und es sagt viel aus über Nancy Faeser. Völlig losgelöst von der Tatsache, dass ihre Begründung bis ins letzte Detail unsinnig und (theoretisch) unhaltbar ist, hat sie ein Verbot ausgesprochen, das verheerende Folgen haben kann. Ja, verheerend ist schon das Verbot isoliert betrachtet. Doch schlimmer kann sein, was danach kommt.

Denn es besteht die Gefahr, dass Faeser damit durchkommt. Schön und gut, dass sich Juristen und sogar eine Handvoll Journalisten kritisch gegenüber Faesers Entscheidung äußern. Doch trotz aller juristischen Details und der Differenzierung zwischen einem Verbot von Medien, Parteien und Vereinen kann die Kernbotschaft in diesem Fall nur lauten: Das Verbot ist zutiefst undemokratisch und somit auf ganzer Linie abzulehnen.

Zur Seite springt Faeser ein Autor vom Spiegel, der in einem Meinungsbeitrag lang und breit erklärt, warum das Verbot von Medien komplett unakzeptabel ist. Und das nur, um im zweiten Teil seines Textes sämtliche (guten) zuvor vorgetragenen Argumente in "die Tonne zu treten". Anton Rainer schreibt zunächst richtig:

"Wann immer der Rechtsstaat mit voller Härte gegen Journalisten und Journalistinnen ausreitet, ist Vorsicht angesagt. Deutschlands Presseorgane, egal wie unappetitlich sie in der Öffentlichkeit manchmal auch auftreten mögen, genießen schon aus historischen Gründen besonderen Schutz: Keine Zeitung, kein Magazin kann mal eben verboten, keine Redaktion einfach so von Polizisten auf den Kopf gestellt werden."

Rainer schmückt diesen Teil seines Kommentars noch weiter aus, um dann zum Schluss zu kommen, dass alles, was er schrieb, auf das Compact-Magazin nicht zutreffe. Er "analysiert" im Anschluss:

"Muss ein wehrhafter Rechtsstaat ein Magazin wie 'Compact' aushalten? Das Gegenteil ist richtig: Ein Magazin wie 'Compact' muss den Rechtsstaat aushalten."

Womit wir wieder bei Nancy Faeser sind. Denn genau so interpretiert sie ihre Rolle als Ministerin. Sie entscheidet, wer ein Existenzrecht hat, und wenn sie entscheidet, wer auch immer habe keines, spricht sie ein Verbot aus. Das ist nicht nur einer Demokratie nicht würdig, es ist schlicht ein anderes politisches System, es ist autokratisch und diktatorisch.

Es zeichnet den Diktator aus, dass nur er allein entscheidet, was richtig oder falsch ist. Das diktatorische System hat weitere Unterstützer hinter sich, die beim Vollzug helfen, aber das letzte Wort trifft der Diktator selbst. Die Diktatorin heißt in diesem Fall Nancy Faeser, und es ist das offenkundige Scheitern der Demokratie, dass sie dieses Medienverbot überhaupt aussprechen konnte, denn offenbar gab es keine Instanz, die sie daran hindern konnte oder wollte.

Doch das sind nur 50 Prozent der schlechten Nachrichten.

Hat Compact eine Chance?

Es mag Zeiten gegeben haben, da konnte man voller Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht blicken, wenn schwerwiegende Ungerechtigkeiten oder Verfassungsbrüche praktiziert wurden. Doch diese Zeiten sind spätestens seit Corona vorbei. Wir haben in Teilen ein Gericht erlebt, das die politischen Entscheidungen, die zu erheblichen Einschränkungen der Grundrechte führten, mit lauwarmen Begründungen rechtfertigte und ihre Fortführung oder Steigerung erlaubte und beförderte.

Es ist also keinesfalls sicher, dass der eklatante Tritt ins Herz der Demokratie durch die diktatorische Innenministerin rückgängig gemacht wird, wenngleich in unfreiwilliger Komik ein Reporter der Welt die rechtliche Ausgangslage so beschrieb:

"Man versucht natürlich jetzt, von Seiten der Behörde Beweise zu finden, um dieses Verbot aufrechtzuerhalten."

Erst verbieten, dann nach Beweisen suchen, das ist "faeserische" Politik in Reinkultur. Sollte es am Ende auf eine richterliche Entscheidung zugunsten Faesers hinauslaufen, sind weiteren kriminellen Handlungen Tür und Tor geöffnet. Schon jetzt ist die Junge Welt ins Visier der undemokratischen Behörde Faesers geraten, die Zeitung soll – wie auch Compact – umstürzlerische Pläne haben und – anders als bei Compact – Haupteigentümerin "linksextremistischer Zusammenschlüsse" sein. Ein Verbot soll ermöglicht werden, indem einfach behauptet wird, die Junge Welt sei in Wahrheit nicht primär ein journalistisches Produkt. So soll ihr also der Status eines Mediums entzogen werden, um sie von der Bildfläche verschwinden zu lassen.

Doch wie auch immer man die Sachlage betrachten und bewerten will, Ausgangspunkt muss das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 sein, in dem es heißt:

"Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer 'Vergiftung des geistigen Klimas' ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte."

Das moralische Gerede über vermeintlich edle Gründe für das Verbot von Medien, aus welcher Richtung sie auch kommen mögen, ist nichts weiter als die Verteidigung einer Entwicklung hin zur Autokratie. Und jeder, der sich daran beteiligt, ist ein Mittäter, mindestens aber ein Ahnungsloser.

Apropos "ahnungslos" – Wolfgang Kubicki (FDP), selbst immerhin Jurist, sieht das Vorgehen Nancy Faesers sehr kritisch. Für den Fall einer juristischen Niederlage Faesers sagte der FDP-Mann:

"Sollte der Beschluss aufgehoben werden, ist ein Rücktritt der Innenministerin unvermeidlich."

Man darf, man muss die Hoffnung Kubickis teilen, dass das Verbot womöglich durch ein Gericht rückgängig gemacht wird. Wäre dem nicht so, wäre das, wie gesagt, ein weiterer Sargnagel für die letzten spärlichen Reste der Demokratie.

Ahnungslos ist der Mann dennoch. Denn wie kommt er darauf, dass irgendjemand der politischen Kaste im Jahr 2024 wegen was auch immer zurücktreten würde?

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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