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Formel 1: Max Verstappen unter Druck – Der Knall unter zwei Freunden?

Zu Beginn der Formel-1-Saison rechneten noch alle mit einem weiteren Jahr der Dominanz von Max Verstappen. Doch es kam ganz anders. Von Fans wurde die Kombination aus niederländischer und österreichischer Nationalhymne schon als inoffizieller Abspann der Formel 1 verschrien. Wer die Königsklasse des Motorsports verfolgte, musste im vergangenen Jahr Rennen um Rennen dieselben Hymnen für den siegreichen Fahrer und das siegreiche Team hören. Denn der niederländische Weltmeister Max Verstappen war in seinem österreichischen Red-Bull-Gefährt kaum zu schlagen. In 22 Saisonrennen holte ein Red Bull ganze 21-mal den Sieg. Nur zwei davon gingen auf das Konto von Verstappen-Teamkollege Sergio Pérez, 19-mal triumphierte Verstappen selbst. Zur neuen Saison war mit keiner Trendwende zu rechnen. Das Reglement war schließlich weitestgehend unangetastet geblieben – und lieferte damit wenig Hoffnung für eine Veränderung der Kräfteverhältnisse. Der Saisonstart schien diesen Eindruck zu bestätigen: Vier der ersten fünf Rennen gewann Verstappen. Nur beim Großen Preis von Australien gewann Carlos Sainz – nicht etwa, weil er schneller war, sondern weil Verstappen von einem technischen Defekt ausgebremst wurde. Doch seit dem sechsten Saisonrennen in Miami und dem ersten Karrieresieg des Jungstars Lando Norris scheinen die Kräfteverhältnisse aus den Fugen zu geraten. Auf einmal herrscht wieder Spannung in der Formel 1. Wird es jetzt sogar noch chaotisch? McLaren trifft ins Schwarze Es war ein einfaches Update, das die Wende brachte: In der hoch technologisierten Welt der Formel 1 steht die Entwicklung der Autos niemals still. Mehrmals während einer Saison überarbeiten die Teams ihre Boliden, entwickeln neue Einzelteile und versuchen so, die letzte Tausendstelsekunde aus den Autos herauszukitzeln. So weit, so normal. Immerhin hatten die Red-Bull-Konkurrenten ihre Wagen auch in den vergangenen Jahren mehrmals überarbeitet – konnten jedoch nie aufschließen. Doch dann kamen Miami und McLaren. Für das Rennen in der Großstadt des US-amerikanischen "Sunshine State" hatte der britische Traditionsrennstall ein umfangreiches Update mitgebracht. Vom Frontflügel bis zu Teilen des Heckflügels: An insgesamt elf Stellen hatte das Team sein Auto überarbeitet, quasi eine B-Version des Boliden gebaut – und damit voll ins Schwarze getroffen. Aus dem Nichts war der McLaren auf Augenhöhe mit dem Red Bull und nutzte das auch prompt. Jungstar Lando Norris gewann das Rennen und fuhr damit seinen ersten Karriereerfolg ein. Zwar profitierte Norris dabei auch von einem für ihn günstig gelegenen Safety Car. Doch die finale Phase des Rennens, in der sich Norris einen Vorsprung von über sieben Sekunden auf Verstappen herausfuhr, zeigte deutlich: Der McLaren-Pilot war das schnellste Auto auf der Strecke. Norris bleibt Verstappen auf den Fersen Der Erfolg war keinesfalls eine Eintagsfliege. Beim folgenden Rennen in Imola (Italien) kam Norris nur 0,7 Sekunden hinter Verstappen ins Ziel. Eine Runde mehr und der Niederländer wäre wohl fällig gewesen. Noch schlimmer kam es für Red Bull beim prestigeträchtigen Großen Preis von Monaco, als Verstappen beim Heimsieg des monegassischen Ferrari-Piloten Charles Leclerc nur auf Platz sechs ins Ziel kam, während sich McLaren immerhin die Plätze zwei und vier sicherte. Die folgenden zwei Rennen in Kanada und Spanien konnte Verstappen zwar wieder gewinnen. Mit respektive drei und zwei Sekunden Abstand war Norris ihm jedoch immer dicht auf den Fersen – zumal Verstappen dabei zum Teil auch von strategischen Fehlern des McLaren-Rennstalls profitierte. Und dann knallte es Wie sehr Verstappen mittlerweile den Druck des McLaren-Piloten spürt, wurde dann beim Großen Preis von Österreich deutlich. Wieder jagte Norris den in Führung liegenden Niederländer, versuchte ihn mehrfach zu überholen. Der wollte ausgerechnet beim Red-Bull-Heimrennen jedoch keinen Platz machen, schaffte es jedoch nur mit einigen sehr harten Manövern seinen Konkurrenten hinter sich zu halten – bis er es schließlich übertrieb. Die beiden eigentlich guten Freunde krachten zusammen. Norris schied aus. Verstappen zog sich einen Plattfuß zu, bekam zudem eine 10-Sekunden-Strafe und kam nur auf Platz fünf ins Ziel. George Russell im Mercedes staubte den Sieg ab. Apropos Mercedes: Der ehemalige Serienweltmeister, der in den vergangenen Jahren arg in die Krise geraten war, machte quasi im Windschatten des Zweikampfs zwischen Red Bull und McLaren selbst einen großen Schritt nach vorn. Während sie in Österreich den Sieg nur abstaubten, meldeten die "Silberpfeile" dann spätestens beim letzten Rennen in England auch wieder Führungsansprüche aus eigenem Antrieb an. Russell und Hamilton holten sich die ersten zwei Startplätze und am Ende eines spannenden Rennens triumphierte Hamilton. Die Zeiten der Dominanz sind vorbei In den vergangenen fünf Rennen gab es also vier verschiedene Sieger. Mindestens drei Autos scheinen siegfähig. In den bisherigen zwölf Rennen der laufenden Saison schafften es sogar ganze sechs verschiedene Fahrer auf den obersten Podestplatz. Zum Vergleich: In der gesamten vergangenen Saison konnten lediglich drei Fahrer ein Rennen gewinnen. Hinzu kommt: Selbst Rennen, bei denen Verstappen am Ende siegreich ist, verlaufen spannend. Die Zeiten der einsamen Dominanz, wo der dreifache Weltmeister Kreise um die Konkurrenz fuhr, sind vorbei. Es war Verstappen selbst, der nun vor dem Großen Preis von Ungarn ein äußerst ernüchterndes Fazit zog: "Ich denke, dass wir in den letzten Rennen nicht das schnellste Auto waren, also erwarte ich nicht, dass das jetzt anders sein wird", sagte er. "Die letzten Wochenenden waren für mich eine große Herausforderung, um das Beste aus den Fahrzeugen herauszuholen", so der 26-Jährige weiter. "Realistisch gesehen haben andere Teams größere Schritte gemacht." Klar: Verstappen führt die Fahrerwertung immer noch genauso an, wie Red Bull die Teamwertung beherrscht. Verstappen hat mit seinen 255 Punkten ein großzügiges Polster auf den Zweitplatzierten Norris mit seinen 171 Zählern. Auch Red Bull liegt in der Teamwertung mit 373 Punkten immer noch 71 Zähler vor Ferrari auf Platz zwei (302). Dass die beiden Weltmeistertitel am Ende doch wieder in den Händen von Verstappen und Red Bull landen: nicht ausgeschlossen, vielleicht sogar wahrscheinlich – aber eben keine Selbstverständlichkeit mehr. Red Bull hat Sorgenfalten auf der Stirn Dass man auch bei Red Bull selbst mittlerweile die ein oder andere Sorgenfalte auf der Stirn trägt, wird aktuell jedenfalls mehr als deutlich. Anzeichen eins: Berichten zufolge spielt das Team aktuell mehr denn je mit dem Gedanken, seinen zweiten Fahrer Sergio Pérez auszutauschen. Der Mexikaner zeigt schon seit Jahren inkonstante Leistungen, die ihn eigentlich den Job hätten kosten können. Red Bull hielt aber an ihm fest. Der Grund: Das Team brauchte keine Topleistungen von Pérez. Verstappen allein holte genug Punkte, um auch die Teamwertung zu gewinnen. Warum also einen besseren Fahrer holen und die gute Teamchemie gefährden? Mittlerweile dämmert den Red-Bull-Verantwortlichen jedoch, dass diese Strategie in Zukunft nicht mehr aufgehen wird. Sie merken, dass die anderen Teams näher gekommen sind. Deshalb werden sie künftig auch von ihrem zweiten Fahrer jeden WM-Punkt brauchen, um die Konstrukteurs-Krone nicht zu verlieren. Obwohl der Vertrag von Pérez erst Anfang des Jahres noch verlängert wurde, möchte man ihn deshalb nun wohl doch loswerden. Teamchef Christian Horner sagte vor dem Rennen in Ungarn: "Natürlich ist Checo unter Druck – das ist normal in der Formel 1. Aber wenn du nicht ablieferst, wird der Druck immer größer, und das weiß er auch." Zuvor hatte er ihm bereits "unhaltbare" Leistungen attestiert. Angeblich soll es in Pérez' neuem Kontrakt eine Leistungsklausel geben, die er aktuell nicht erfüllt. Im Qualifying am Samstag dann unterlief Pérez erneut ein Fehler, der 34-Jährige crashte im ersten Abschnitt, startet beim Rennen am Sonntag nur von Platz 16. Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko deutete danach eine zeitnahe Entscheidung an (mehr dazu lesen Sie hier ). Eine Trennung schon in der Sommerpause soll möglich sein . Verstappen fährt wieder die Ellenbogen aus Und auch Verstappen selbst scheint den Druck zu spüren. War der Niederländer in seinen ersten Formel-1-Jahren noch als Heißsporn verschrien, der für Rennsiege auch zu grenzwertigen Mitteln griff und häufiger mal in den ein oder anderen Crash verwickelt war, galt er in den vergangenen Jahren als gereift. Dosierte Aggressivität statt Brechstange schien das Motto zu sein. Der sonst so unnachgiebige Racer steckte auch mal zurück. Doch der Vorfall mit Norris in Österreich zeigt: Die sanfte Art des Niederländers war wohl nur seiner Dominanz geschuldet. Kaum hat er wieder einen ernst zu nehmenden Konkurrenten, fährt er die Ellenbogen aus – selbst wenn es gegen einen engen Freund wie Norris geht. Sollte Verstappen künftig häufiger unter Druck geraten, könnte es entsprechend wieder regelmäßig knallen. Erinnerungen werden wach an die Saison 2021, als sich Verstappen und Hamilton einen erbitterten Kampf um den WM-Titel lieferten und sich mehrmals gegenseitig ins Auto fuhren. Hitzige Diskussionen zwischen den Teams und unter Experten sowie Fans waren die Folge. Ein ähnliches Chaos könnte der Formel 1 nun wieder drohen. Im Gegensatz zu Red Bull würden die Fans das jedoch nach Jahren der Langeweile wohl mit Kusshand nehmen.

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