Atlantik West-Ost – diesmal mit Katamaran!
Eine ganze Weile habe ich mich nicht zu Wort gemeldet, es gab keine Törns über die ich interessantes berichten kann oder will. Aber jetzt geht es wieder Schlag auf Schlag weiter.
Aber bevor es losgeht: Ich habe versprochen, hier in meinem Blog Sarah-Sophie zu grüßen, ein junges Mädchen auf einem Nachbarschiff hier auf Rügen, wo ich zur Zeit bin. Ist hiermit erledigt.
Ende April flog ich von Hamburg über Paris und St. Martin nach Road Town auf den Britischen Jungferninseln, um dort den Katamaran Tiraminelli zu übernehmen. Das ist eine Bali 4.4 von immerhin 44 Fuß Länge, die äußerst seetüchtig und außergewöhnlich vollständig ausgestattet ist.
Das Boot hat vier Kabinen, die katamarangemäß sehr geräumig sind, und eine Ausstattung, die ihresgleichen sucht:
- starker Dieselgenerator
- riesiger Wassermacher
- Klimaanlage im Salon und in allen Kabinen
- während der ganzen Reise nicht nur 12 Volt, sondern auch 230 Volt in allen Kabinen und im Salon
- dazu natürlich die komplette Sicherheitsausstattung, die man für eine Atlantiküberquerung braucht
- und für das Ankern Davits, an denen einen Schlauchboot mit einem 20 PS-Motor hängt.
Es handelt sich um einen Charter-Katamaran, der im Winter auf den BVIs unterwegs ist und im Sommer in seinem Heimatland Kroatien. Die Überführung von da nach dort war mein Job.
Insgesamt waren wir mit drei Skippern auf drei Katamaranen unterwegs. Das war erstens ganz lustig, und zweitens natürlich aus Sicherheitsgründen sehr praktisch, weil man immer jemanden zum helfen in der Nähe hatte. Wir fuhren zwar nicht direkt nebeneinander, hatten uns aber verabredet, immer in Funkreichweite zu bleiben.
Ein Boot, das für Amerikaner pro Woche einen fünfstelligen Charterbetrag kostet, empfing uns natürlich mit einer sehr gastlichen Kabinenausstattung. An Platz und Stehhöhe mangelte es auch nicht.
Die einzige Kritik, die man anbringen könnte: Es mangelte ein wenig an Schränken und Unterbringungsmöglichkeiten in den Kabinen. Aber man kann ja auch einen Teil seiner Sachen in der Reisetasche lassen.
Mein Arbeitsplatz sah natürlich auch großzügig aus. Auch da war das Boot sehr gut ausgestattet.
Das Problem war nur das – wie im Katamaran üblich – Sitzen auf so einer Art Gartenstuhl am Naviplatz. Leider sind nacheinander zwei dieser Stühle unter mir zusammengebrochen. Nun kann man natürlich sagen (und das musste ich mir von meiner Crew natürlich auch anhören), dass das am Gewicht des Skippers liegt, aber es war wohl mehr das Alter und die billige Qualität der Stühle.
Gottseidank passierte das erste Mal gleich am ersten Tag, sodass wir beim Zwischenstopp auf St. Martin noch einen Ersatzstuhl auftreiben konnten. Der allerdings war noch unstabiler, aber mein lieber (schon mehrfacher) Mitsegler Wulf alias “McGyver” hat auch den provisorisch hinbekommen.
Zur Schiffsausrüstung kam dann noch zum ersten Mal meine eigene mitgebrachte Starlink-Anlage, aber dazu später mehr.
Einkaufen auf den BVIs ist extrem teuer – muss ja auch sein, weil in so einem kleinen Land (nicht viel mehr als 20.000 Einwohner) alles importiert ist. Wir sind deshalb mit einem Mini-Einkauf losgefahren und haben auf St.Martin im französischen Teil vor dem Ort Marigot geankert – in der Hoffnung, dass es in einem französischen Übersee-Departement billiger wäre. War es auch, aber nicht viel. Jedenfalls haben wir dort sehr gut und reichlich eingekauft. Kulinarisch war unsere Reise erste Klasse!
Hier vielleicht noch eine Anmerkung: Die Crew war bei uns nach dem System “Hand gegen Koje gegen Kostenbeteiligung” unterwegs, was die Sache relativ preiswert machte. Wir haben das diesmal anders gemacht als andere: In dieser Kostenbeteiligung waren alle Kosten bereits enthalten: Treibstoff, Verpflegung, Liegeplatzgebühren usw. Dies System wurde von allen sehr begrüßt, funktioniert aber kalkulatorisch nur, wenn man als Skipper mit solchen Törns ausreichend Erfahrung hat.
Als nächstes habe ich meine StarLink Anlage aufgebaut. Dazu gibt es eine Vorgeschichte.
Eines der größten navigatorischen Probleme bei meinen zehn bisherigen Atlantiküberquerungen war es, an ausreichend ausführliche Wetterinformationen heranzukommen. In den ersten Jahren machte ich das per E-Mail über ein Iridium Satellitentelefon. Das war tierisch langsam (2,4 kbit/s für die Fachleute unter Euch. Wohlgemerkt Kilobit und nicht Megabit pro Sekunde!) Außerdem kämpfte man mit ständigen Abbrüchen.
Seit 2019 fuhr ich ja dann mit der Mola über den Atlantik. Die hatte eine Kurzwellen-SSB-Funkanlage an Bord, die ich von den Seefunkfrequenzen auf die Amateurfunkfrequenzen erweitert hatte. Damit ging es dann mit dem geeigneten (teuren) Pactor-Modem schon mal viermal so schnell, was aber immer noch langsam ist. Aber aufgrund meiner Amateurfunklizenz konnte ich Daten übertragen und mailen soviel wie ich wollte – ohne Kosten. Darüber freute sich auch meine Crew, die regelmäßig Erlebnisberichte nach Hause mailen konnte.
Man hörte dann schon mal gelegentlich Wunderdinge über das StarLink System von Elon Musk, aber irgendwie hatte ich das für Yachten noch nicht auf der Rechnung. Als ich dann aber im Dezember letzten Jahres nach der ARC in Rodney Bay auf St. Lucia ankam, sah ich, dass bestimmt fast die Hälfte aller Boote neuerdings so eine komische Antenne an Bord hatte.
Ich habe mich dann bei meinem netten Mitbewerber Wolfgang Hass auf seiner Gian eingeladen und der hat mir seine Starlink-Anlage vorgeführt. Ich war nur baff: Das, wozu ich auf meinem Boot teilweise über eine Stunde zum Herunterladen gebraucht habe (wenn es denn überhaupt ging), rauschte bei ihm in wenigen Sekunden auf den Laptop!!! Das MUSSTE ich auch haben.
Also, wieder zuhause im Januar eine Anlage bestellt. Im Elon-Musk-Sonderangebot kostete die Hardware nur 249 Euro, das war bezahlbar. Nachdem ich mich durch den Dschungel der möglichen Tarife durchgewühlt hatte, entschied ich mich für den im Volksmund so genannten “Caravan-Mobiltarif”. Offiziell heißt der “Mobile Priority”, wenn man sich darunter etwas vorstellen kann. Jedenfalls kostet dann der Basistarif monatlich etwas über 50 Euro und beinhaltet unbegrenzten Up- und Download auf dem Heimatkontinent. Wenn man sich allerdings mehr als ca. 15 km von der Küste entfernt, kommen 2,27€ pro Gigabyte Datenverkehr hinzu. Das wäre ja nicht sooo schlimm, wenn man so sparsam wäre wie vorher auf dem Satellitentelefon. Wenn man aber auf dem Atlantik Übertragungsraten von über 200 Mbit/s hat, kommt der Appetit beim Essen –und dann wird’s halt teuer. Ich habe aber von der Crew natürlich eine Kostenbeteiligung verlangt, um Zugang zu erhalten. Leider hab ich mich damit ziemlich verrechnet, weil die Standardversion von Starlink keine vernünftige Messung des Datenvolumens zulässt – schon gar nicht pro Teilnehmer. Da werde ich beim nächsten Mal noch ein bisschen nacharbeiten müssen.
Jedenfalls ging das alles perfekt. Hier mal ein paar Sachen, die wir so gemacht haben:
- Wir alle haben reichlich per WhatsApp oder sogar VoIP Handy-Client nach Hause telefoniert
- ich habe ALLE meine Wetterdaten in Sekundenschnelle erhalten, so ausführlich wie noch nie!
- Ein Mitsegler hat sogar vom Atlantik per Zoom ein Bewerbungsgespräch geführt (und den Job bekommen!)
- Ein anderer Mitsegler wollte unbedingt ein HSV-Spiel sehen und wir alle die EM-Vorrunde im Fußball (das war ein bisschen schwieriger, aber nicht wegen Starlink, sondern wegen Blockierungen der Übertragungsrechte)
Alles Sachen, die noch vor kurzem undenkbar waren.
So langsam stellte ich dann die übliche Atlantikroutine ein: Schlafen, Wache gehen, Freizeit, der übliche Dreiklang. Wir kamen auch ganz gut voran.
A propos kulinarische Highlights. Hatte ich schon erzählt, dass wir über einen tollen Außen-Gasgrill verfügten? Der wurde dann auch prompt benutzt:
Insgesamt gesehen hatten wir dann doch eine halbwegs langsame Überfahrt. Ich habe in all den Jahren den Atlantik noch nie mit so wenig Wind erlebt. Nun bin ja mit Abfahrt am 1. Mai bald zwei Monate später unterwegs gewesen als sonst, aber das allein kann es nicht sein. (Es ging dann übrigens später im Mittelmeer mit genauso wenig Wind weiter).
Wenigstens können solche Flauten ja auch mal für Abwechslung sorgen. So haben wir uns mit den drei Booten verabredet, mal eine gemeinsame Badepause einzulegen. Dazu haben wir uns getroffen und gemeinsam treiben lassen. Aus Sicherheitsgründen einen Fender an langer Leine ins Wasser und dann konnte es losgehen. Warm genug war das Wasser ja.
Die “Movelli” mit Skipper Ronald
Die “Laurencia” mit Skipper Markus
Nach der Badepause haben wir dann mal alle unsere Leichtwind-Vorsegel gesetzt. Hauptsächlich deshalb, weil das einfach ein schönes Bild ist. Leider haben die auch diesmal nicht lange gehalten. Traditionell haben die sich irgendwann mit Rissen verabschiedet, nicht nur auf meinem Boot.
Immer wieder schön auf dem Atlantik ist die Abendstimmung mit dem Sonnenuntergang. Allerdings sagen viele, dass der Sonnenaufgang morgens am Ende der Nachtwache noch viel schöner sei. Ich kann mich da nicht entscheiden, das muss jeder selbst für sich herausfinden. Jedenfalls kommen dann solche Fotos zustande. Und in der Stimmung sieht sogar der Arbeitsplatz des Skippers schön aus.
Aus dem Bordleben hier mal ein paar kleine Ausschnitte:
Ganz wichtig ist es, die Crew vorher über alle sicherheitsrelevanten Dinge an Bord aufzuklären. Dazu gibt es eine Sicherheitseinweisung, die bei mir traditionell sehr ausführlich ist und mehrere Stunden dauert. Am Ende dieser Einweisung unterzeichnet mir jedes Crewmitglied, dass er diese Einweisung erhalten und verstanden hat.
Bei langen Törns, also z.B, über den Atlantik, gehört dazu auch eine sog. Notrolle, in der wir vorher festlegen, wer in einem Notfall was zu tun hat. Das führt hoffentlich dazu, dass dann nicht alle wie aufgescheuchte Hühner herumlaufen, sondern dass jeder weiß, wo in einem Notfall sein Platz ist.
Genauso wichtig ist natürlich die Wacheinteilung. Bei mir hat sich seit vielen Jahren ein System mit sieben Wachen pro Tag bewährt: 4x nachts zu je drei Stunden und 3x tags zu je vier Stunden. Auf diesem Törn haben wir es so gehalten, dass wir uns in vier Wachen aufgeteilt haben: Zwei Wachen mit je zwei Leuten, damit die weniger erfahrenen eine “alten Hasen” an der Seite hatten und mein Freund Wulf und ich sind allein Wache gegangen. Durch die Einteilung in vier Gruppen hatten alle nach ihrer Wache 9 bzw. 10 Stunden frei, was sehr angenehm war. Im Prinzip bekamen dadurch alle genug Schlaf, was auf einer solchen Reise durchaus nicht selbstverständlich ist.
Jeden Tag nach 1200 Uhr UTC (also im Laufe der Reise nach Bordzeit immer später) mache ich ein Briefing mit der Crew, damit alle denselben Informationsstand haben wie ich. Da geht es um Dinge wie
- wo sind die beiden anderen Boote (wir haben um 1200 Uhr Positionen ausgetauscht)
- welches Wetter haben wir zu erwarten? Dazu wurden Wetterberichte und vor allem die empfangenen Wetterkarten und die Routenvorschläge des Programms PredictWind vorgestellt
- sonstiges, was sich an Infos angesammelt hat
- Das Etmal, d.h. die gefahrene Strecke der letzten 24 Stunden wurde vorgestellt,was immer auf großes Interesse stieß.
- Die tägliche Mittagsposition wurde in die große Überseglerkarte eingetragen.
Selbst weit draußen auf dem Meer ist man heute vor Umweltsündern nicht mehr sicher. Zweimal hatten wir Probleme mit Leinen bzw. Netzen, die sich in einer unserer Schrauben verfingen. Das erste Mal führte das kurzfristig zu dermaßen starken Vibrationen, dass an der Steuerbordmaschine die Steuerelektronik mit dem Öldrucksensor abriss. Aber wozu habe ich denn meinen Freund Wulf “McGyver”, der alles reparieren kann! Ich bin immer ganz happy, wenn er auf dem Atlantik dabei ist, denn er findet für alles eine Lösung. Insofern (aber nicht nur deshalb) freue ich mich riesig, darauf, dass Du auch im Herbst wieder dabei bist!
Hier sieht man, wie der abgerissene Elektronikkasten wieder befestigt wurde:
Beim zweiten Mal waren wir schon kurz vor den Azoren. Ich habe deshalb gewartet, bis wir in Horta vor Anker lagen (ein Liegeplatz war nicht zu bekommen). Dann hat sich ein Crewmitglied eine Taucherausrüstung ausgeliehen und hat unsere Schraube von dem Unrat befreit.
Nach 21 Tagen (inkl. einem Zwischenstopp auf St. Martin) und 2.692 Seemeilen waren wir dann endlich in Horta auf Faial angekommen. Dort gab es dann natürlich die üblichen Rituale: Essen gehen in meinen zwei Lieblingsrestaurants, reichlich Gin Tonic im “Peter Café Sport”, der berühmtesten Seglerkneipe der Welt usw.
Ansonsten musste ich mich dann wieder einmal von einer liebgewonnenen Crew verabschieden, die nach Hause flog. Nur mein junger Freund und Co-Skipper Leif blieb noch bis Mallorca an Bord.
Aber von der zweiten Hälfte der Reise dann mehr im nächsten Post.
So, as always: Stay tuned!
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