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Hamas-Chef Hanija in Teheran getötet: Wie reagiert der Iran jetzt?

Bei einem mutmaßlich israelischen Angriff in Teheran stirbt Hamas-Chef Ismail Hanija. Die Spannungen in der Region könnten sich weiter verschärfen. Ismail Hanija ist tot – mutmaßlich durch einen israelischen Raketenangriff, ausgerechnet in der iranischen Hauptstadt Teheran. Der Hamas-Chef war Ehrengast bei der Vereidigung des iranischen Präsidenten Massud Peseschkian. Kurze Zeit später starb Hanija, als Raketen sein Haus in Teheran trafen. Eigentlich lebte er in Katar. Mit dem Tod des Hamas-Chefs verschärft sich der Nahostkonflikt vermutlich weiter. Doch was folgt nun? t-online hat mit dem Nahost-Experten Carsten Wieland über die Auswirkungen auf die Konfliktparteien gesprochen. Die iranische Schwäche Der Tod des Hamas-Chefs auf iranischem Boden sei blamabel für das Regime. "Zu sehen, dass der Iran so angreifbar ist, ist eine Blöße", erklärt Carsten Wieland im t-online-Interview. Dass Israel Ziele im Iran treffen kann, sei zwar nicht neu, aber doch "ein Zeichen der Schwäche des Iran". Der oberste politische und religiöse Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, drohte Israel am Mittwochvormittag mit "harter Bestrafung". Das "kriminelle zionistische Regime (Israel)" habe "unseren Gast in unserem Haus ermordet". Mit einer überharten Antwort rechnet Wieland jedoch nicht. "Der Iran hat immer gesagt, dass er die Hamas unterstützt, ist damit bisher aber nicht in die Vollen gegangen." Das Regime in Teheran sei nicht an einem großen Krieg mit Israel interessiert. "Jetzt müssen sie eine Antwort finden, bei der sie das Gesicht wahren, aber doch keinen Flächenbrand auslösen." Die Tötung Hanijas ist nicht der erste mutmaßlich israelische Schlag gegen das islamistische Regime des Iran: Am Ostermontag hatten israelische Raketen ein Haus in Damaskus zerstört, ein benachbartes iranisches Botschaftsgebäude schwer beschädigt. Dabei wurden sechs Menschen getötet, unter ihnen Mohammad Reza Zahedi, General der Quds-Fraktion der Iranischen Revolutionsgarden. Der Iran hatte auch damals Rache geschworen und wenige Tage später mit mehreren Raketenangriffen auf Israel reagiert, die von Expertinnen und Experten allerdings eher als Warnschüsse denn als Angriff mit voller Kraft interpretiert wurden. Der im Iran geborene und in Berlin lebende Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad erklärte schon im April bei t-online, der Iran stecke in einer Zwickmühle : Eine als angebracht wahrgenommene Reaktion könnte die Konflikte in der Region weiter eskalieren lassen – und den Iran in einen offenen Krieg mit Israel und möglicherweise den USA bringen. Damit würde das islamistische Regime allerdings seine eigene Sicherheit gefährden. Die breite Bevölkerung stehe nicht hinter den Mullahs, so Fathollah-Nejad: "Dass diese sich im Falle eines Krieges geschlossen hinter die Regierung stellen würde, ist unwahrscheinlich." Israels Spiel mit der Gewalt Bisher hat Israel nicht die Verantwortung für den tödlichen Angriff in Teheran übernommen. Dennoch gehen viele Expertinnen und Experten davon aus, dass die Raketen aus Israel kamen. Dass die israelische Regierung Krieg mit dem Iran will, glaubt Carsten Wieland nicht. "Dafür gibt es auch unter Netanjahu keine Mehrheit." Das bedeute aber kein Ende des Konflikts: Der israelische Ministerpräsident wolle die "kämpferischen Handlungen köcheln lassen", mindestens bis zu den US-Wahlen im November – und dann auf einen Trump-Sieg hoffen, der als Unterstützer Netanjahus gilt. "Die Gewaltkulisse wird aufrechterhalten, auch, um Netanjahus Lager politisch zu helfen." Dieses Kalkül hält Wieland für gefährlich. "Die Lage ist so angespannt wie seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten nicht mehr." Selbst, wenn der Iran eine "kalibrierte Antwort" beabsichtige, könnten doch Ziele getroffen werden, die wiederum zu einer militärischen Reaktion Israels führen würden – die Situation könnte weiter eskalieren. Der Schlag gegen Hanija zeigt laut Wieland allerdings, dass Israel in der Lage sei, präzise Schläge gegen militärische Ziele zu führen – in diesem Falle auf ein Haus mitten in feindlichem Gebiet: "Das ist eine Fähigkeit, die das israelische Militär besitzt und für die sie viele auf der Welt beneiden", so Wieland. "Die Frage ist, warum man diese Fähigkeiten nicht in Gaza einsetzt und statt präziser Schläge flächendeckende Bombardierungen durchführt." Ein "schwerer Schlag" für die Hamas Ibrahim Madhoun, ein der Hamas nahestehender Analyst, bezeichnete den Tod von Hanija als "schweren Schlag" für die Terrorgruppe. Er galt als einer der wichtigsten politischen Anführer der Organisation. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem Tausende Zivilisten getötet worden waren, feierte und betete Hanija zusammen mit anderen Hamas-Vertretern, wie ein Propagandavideo der Gruppe zeigt. Ob und wie nachhaltig die Tötung Hanijas die Hamas schwächen wird, bleibt abzuwarten. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hatte nach dem Terror des 7. Oktober erklärt, Israel werde alle Hamas-Anführer ausfindig machen und töten. Allerdings sind viele von ihnen weiter am Leben, unter anderem Jihia al-Sinwar, der als Drahtzieher der Angriffe gilt. Ob ein israelischer Angriff Anfang Juli den berüchtigten Hamas-Militärkommandeur Mohammed Deif tatsächlich getötet hat, ist auch heute noch unklar. Härte statt Verhandlungen Die Verhandlungen zwischen der Hamas und Israel dürften durch den Angriff verkompliziert werden. Denn Netanjahu habe mit dem Angriff seine Prioritäten deutlich gemacht, erklärt Wieland: "Mit Hanija trifft man sicherlich keinen Falschen, aber er war nicht der politische Hardliner der Hamas. Hanija war stattdessen ihr internationaler Kopf. Wenn man ihn, den Verhandler, in einer solchen Situation ermordet, priorisiert man volle Härte gegen die Hamas, nicht Verhandlungen oder das Heimbringen der Geiseln."

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