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Modernisierungsprogramm: Die Risiken der Wiederaufnahme von US-Atombombentests

Von Rainer Rupp

Die USA planen, über einen Zeitraum von 30 Jahren bis zu 1,5 Billionen US-Dollar für die Überholung ihres Atomwaffenarsenals auszugeben. Dies umfasst den Wiederaufbau jedes Teils der nuklearen Triade (landgestützte Interkontinentalraketen, von U-Booten abgefeuerte ballistische Raketen und strategische Bomber) und der dazugehörigen Infrastruktur. Weil die USA seit 1992 keinen Atomtest mehr durchgeführt haben, hat sich jetzt in führenden Kreisen sowohl der Demokratischen als auch der Republikanischen Partei die Idee verfestigt, die Zuverlässigkeit und Sicherheit des nuklearen Arsenals mit neuen Atomtests zu gewährleisten.

Insbesondere unter denjenigen, die dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump in seiner Amtszeit von 2016 bis 2020 tun sich die Befürworter neuer Tests hervor, wobei nicht garantiert ist, dass Trump bei seiner möglichen Wiederwahl diese Leute erneut einstellt. Robert O’Brien, Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater, argumentierte bereits vor Jahren ebenfalls in einem Aufsatz für die einflussreiche, sicherheitspolitische Zeitschrift Foreign Affairs, dass die USA die Atomtests wieder aufnehmen sollten, um die technische Überlegenheit gegenüber China und Russland zu bewahren. Er behauptete, dass Computermodelle allein nicht ausreichten, um die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Atomwaffen zu gewährleisten, und schlug vor, dass reale Tests notwendig seien.

Allerdings formieren sich inzwischen auch die Gegner neuer Tests, die argumentieren, dass in diesem Fall die Gefahr besteht, dass die USA ihre strategischen Vorteile verlieren und zugleich ihr globales politische Prestige selbst untergraben werde. Die Tatsache, dass z. B. Foreign Affairs dem prominenten Gegner, Professor Jeffrey Lewis, die Gelegenheit gegeben hat, seine Bedenken in einem Artikel mit dem Titel "Warum Amerika verlieren könnte, wenn es die Atomtests wieder aufnimmt" darzulegen, zeigt das deutlich.

Die aktuelle Debatte in den USA spielt sich vor dem historischen Kontext ab, dass der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT), der im Jahr 1996 von 187 Ländern, einschließlich der Vereinigten Staaten, Russland und China, unterzeichnet wurde, alle Nuklearexplosionen verbietet. Der Vertrag wurde jedoch nie vollständig ratifiziert, da der US-Senat ihn abgelehnt hatte und China die Ratifizierung bis zur Ratifizierung durch die USA zurückgehalten hat. Russland ratifizierte den Vertrag im Jahr 2000, zog seine Ratifizierung jedoch 2023 zurück. Trotz dieser Rückschläge besteht eine starke internationale prinzipielle Ablehnung weiterer Atomtests. Seit 1998 hat nur noch Nordkorea derartige Tests durchgeführt.

Die Kritiker der Wiederaufnahme von Tests heben nachfolgende Risiken hervor:

1. Erosion des strategischen Vorteils der USA

Die USA haben in der Vergangenheit mehr Atomtests (1.149) durchgeführt als Russland (969) und China (45) zusammen. Diese umfangreiche Testgeschichte hat eine Fülle von Daten geliefert, die in Kombination mit fortschrittlichen Supercomputing-Fähigkeiten den USA ermöglicht haben, ihr nukleares Arsenal ohne weitere Tests auf aktuellem Stand zu halten. Die Wiederaufnahme von Tests könnte jedoch Russland und China ermöglichen, durch eine Vielzahl von eigenen Tests die Wissenslücke zu den USA zu schließen, zumal sie nun auch über die Fähigkeiten von Supercomputern verfügen. Mit anderen Worten, sie könnten neue Tests nutzen, um ihr Verständnis und ihre Fähigkeiten zu verbessern und somit den technologischen Vorsprung der USA aufzuholen oder gar zu überholen.

2. Förderung der globalen Proliferation

Wenn die USA die Tests wieder aufnehmen, ist es wahrscheinlich, dass andere Nuklearmächte diesem Beispiel folgen werden. Dies könnte auch aufstrebende Nuklearstaaten wie Iran oder Saudi-Arabien dazu ermutigen, ihre eigenen Tests durchzuführen, was zu einer gefährlicheren und instabileren Welt führen würde. Der Zusammenbruch der CTBT-Norm könnte ein neues Wettrüsten auslösen, bei dem sich Länder gezwungen fühlen, ihre eigenen nuklearen Fähigkeiten durch Tests zu demonstrieren.

3. Untergrabung internationaler Normen und Verträge

Die Wiederaufnahme von Atomtests würde jahrzehntelange internationale Bemühungen zur Eindämmung der nuklearen Proliferation untergraben. Es würde die Missachtung internationaler Normen und Verträge durch die USA signalisieren und könnte den Ruf und die Führungsrolle der USA in Fragen der Nichtverbreitung von Atomwaffen beschädigen. Dies könnte das globale Nichtverbreitungsregime schwächen und es schwieriger machen, andere Rüstungskontrollabkommen durchzusetzen.

4. Umwelt- und Gesundheitsfolgen

Atomtests haben erhebliche Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen, einschließlich radioaktiver Kontamination und langfristiger ökologischer Schäden. Die Wiederaufnahme von Tests könnte Bevölkerungen und Ökosysteme schädlicher Strahlung aussetzen, was zu erhöhten Krebsraten und Umweltzerstörungen führen würde.

5. Technologische Überlegungen zu Atomwaffen-Lagerverwaltung

Die USA haben erheblich in ein wissenschaftsbasiertes Lagerverwaltungsprogramm investiert, das Supercomputing mit Daten aus früheren Tests kombiniert, um die Zuverlässigkeit ihres nuklearen Arsenals zu gewährleisten. Dieser Ansatz war erfolgreich, um das Vertrauen in das nukleare Abschreckungspotential der USA ohne die Notwendigkeit von Live-Tests aufrechtzuerhalten. Einrichtungen wie die National Ignition Facility, die 3,5 Milliarden US-Dollar gekostet hat, führen subkritische Experimente und andere fortschrittliche Forschungen durch, die dazu beitragen, die Effektivität des Arsenals zu sichern.

6. Supercomputing und Daten

Während China heute einige der weltweit schnellsten Supercomputer besitzt, fehlen ihm die umfangreichen Testdaten, die die USA gesammelt haben. Diese Daten sind entscheidend für die Validierung von Computermodellen und die Erstellung genauer Vorhersagen über die Leistung von Atomwaffen. Ohne diese Daten stehen chinesische Nukleardesigner vor größeren Herausforderungen bei der Verbesserung und Miniaturisierung ihrer Sprengköpfe.

7. Strategische Implikationen

Die Wiederaufnahme von Atomtests würde wahrscheinlich einen Nettoverlust für die USA bedeuten, sowohl strategisch als auch diplomatisch. Die technische Überlegenheit der USA ist teilweise auf ihre historische Testgeschichte und die anschließenden Investitionen in wissenschaftliche Forschung und Supercomputing zurückzuführen. Russland und China die Gelegenheit zur Wiederaufnahme von Tests zu geben, würde diesen Vorteil verringern und es den USA erschweren, ihre Führungsposition zu behaupten.

Schlussfolgerung

Die Argumente für die Wiederaufnahme von Atomtests basieren auf veralteten Vorstellungen von der Aufrechterhaltung der Überlegenheit durch Demonstration der Fähigkeiten. In Wirklichkeit haben die USA mehr zu verlieren als zu gewinnen, indem sie das derzeitige Testmoratorium brechen. Die strategischen, ökologischen und diplomatischen Kosten überwiegen bei weitem die wahrgenommenen Vorteile. Die Beibehaltung des derzeitigen Ansatzes der wissenschaftsbasierten Lagerverwaltung in Kombination mit diplomatischen Bemühungen zur Verstärkung der internationalen Normen gegen Tests bleibt der beste Weg, um die Zuverlässigkeit des US-Atomarsenals zu gewährleisten und die globale Sicherheit zu fördern.

Darüber hinaus könnte die Wiederaufnahme von Tests eine globale Proliferationskaskade auslösen, bei der neue und bestehende Nuklearstaaten ihre eigenen Tests durchführen. Dies würde die Welt gefährlicher machen und Bemühungen zur Förderung der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung untergraben.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in dem Originalartikel von Jeffrey Lewis mit dem Titel "Why America Stands to Lose If It Resumes Nuclear Testing" in Foreign Affairs vom 30. Juli 2024

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