Steuerrabatt für Fachkräfte: Große Zweifel an Rechtmäßigkeit
In Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Das Problem ist im Kern auf ein Versagen der Bundesregierungen der letzten Dekaden zurückzuführen. Sie haben versäumt, Ausbildung und Arbeitsmarkt entsprechend zu steuern und am Bedarf auszurichten. Das selbst verschuldete Problem wird auf die Demographie geschoben. Es soll mit Zuwanderung gelöst werden. Auch das ist keine brandneue Idee.
Bereits unter der ersten Regierung Schröder versuchte man das Problem, dass es in Deutschland massiv an gut ausgebildeten IT-Spezialisten mangelte, durch Zuwanderung zu lösen. Man blickte dabei vor allem nach Indien und führte im Jahr 2000 die sogenannte Blue-Card ein, mit der hoch qualifizierten Fachkräften ein leichterer Zuzug nach Deutschland ermöglicht werden sollte. Das Projekt gilt als gescheitert.
Nun unternimmt die aktuelle Bundesregierung einen neuen Anlauf. Dieses Mal will sie mit Steuerrabatten ausländische Fachkräfte ins Land locken. In Deutschland angekommen, sollen sie von einem Teil ihrer Steuerlast befreit werden. Das BSW gab beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages ein Gutachten in Auftrag. Der Dienst hat erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der geplanten Rabatte mit gängigem Recht. Die Benachteiligung der deutschen Steuerzahler gegenüber zugewanderten Fachkräften sei nicht angemessen. Ein tatsächlicher Steuerungseffekt entfalle zudem, denn die Steuerzahler können mit ihrem Verhalten nicht beeinflussen, ob sie den Steuerrabatt erhalten oder nicht.
Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren einen gestaffelten Rabatt auf ihre Lohnsteuer erhalten. So sollen im ersten Jahr einer Arbeitstätigkeit in Deutschland 30 Prozent des Bruttolohns steuerfrei gestellt werden, im zweiten 20 und im dritten noch zehn Prozent.
Ob diese Maßnahme verbunden mit einer versprochenen Senkung der bürokratischen Hürden ausreicht, um qualifizierte Zuwanderer in einem relevanten Ausmaß nach Deutschland zu locken, kann bezweifelt werden. Das Statistische Bundesamt veröffentlichte erst Anfang des Monats ein Ranking der Lebenshaltungskosten nach Kaufkraftparitäten. Ergebnis: Das Leben in Deutschland ist vergleichsweise teuer. Um seine Lebenshaltungskosten zu bestreiten, muss man in den meisten anderen Ländern deutlich weniger arbeiten. Lediglich in den USA arbeiten die Menschen länger für die Deckung ihrer Lebenshaltungskosten.
Das Ranking umfasst die Ausgaben für Dienstleistungen und Konsum ohne Einbeziehung der Kosten fürs Wohnen. Da lauert aber gleich das nächste Problem. In Deutschland herrscht Wohnungsnot. Zwar wirbt Deutschland Fachkräfte an, stellt aber den für die Zuwanderung notwendigen Wohnraum nicht zur Verfügung. 700.000 neue Wohnungen benötigt Deutschland laut Experten jedes Jahr. Gebaut werden faktisch deutlich weniger als 300.000.
Und noch etwas steht dem massenweisen Zuzug von Fachkräften im Weg. Vor allem Hochqualifizierten im IT-Bereich ist nur schwer zu vermitteln, dass man in Deutschland noch Faxe schickt und mit Behörden am besten per Brief korrespondiert. Deutschland ist technologisch in einem Ausmaß rückständig, das abschreckt. Das ist die bittere Wahrheit.
Die Wahrnehmung deutscher Politik von Deutschland als Hochtechnologieland und die Realität fallen weit auseinander. Es kommen daher wenige und die, die kommen, sind schnell wieder weg. Mehr als eine Million Zugereiste verlassen Deutschland jedes Jahr wieder, berichtete der Spiegel im Herbst letzten Jahres. Deutschland ist schlicht nicht attraktiv. Ein rechtlich fragwürdiger Steuerrabatt ändert daran nichts.
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