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"Was soll mit Maduro geschehen?"

Preview Ganz nach Gutsherrenart warf der Lateinamerika Experte der renommierten britischen Denkfabrik RUSI vor wenigen Tagen diese Frage auf. Die Aussicht auf sechs weitere Jahre Maduro stellt die USA und die EU vor die komplexe Herausforderung, eine wirksame Antwort zu formulieren, um die angebliche "Krise in Venezuela" zu beherrschen.

Von Rainer Rupp

Ein bereits am Dienstag letzter Woche (30. Juli) veröffentlichter Bericht der ältesten politisch-militärischen Denkfabrik der Welt, des britischen "Royal United Services Institut (RUSI)", geht trotz der Klagen über angeblichen Wahlbetrug in Venezuela davon aus, dass Präsident Maduro weitere sechs Jahre das Land regieren wird. Zugleich gesteht der RUSI-Bericht allen Tricks der USA zum Trotz die Niederlage des versuchten Regimewechsels in Caracas ein, obwohl Washington den Wahlverlierer bereits zum neuen Präsidenten Venezuelas ernannt hat. Aber an diesen außenpolitischen Mätzchen des US-Hegemons hält sich der Bericht nicht auf und stellt stattdessen bereits Überlegungen an, welche Probleme auf das US-geführte globale neokoloniale Ausbeutersystem zukommen werden, das sich hinter dem harmlosen Begriff der neoliberalen "regelbasierten Ordnung (NbO)" versteckt.

Der Titel des RUSI-Berichts lautet "Venezuelas bolivarischer Albtraum geht weiter: Was bedeutet das für den Westen?" (der englische Originaltext ist hier verlinkt). Der Autor ist der Lateinamerika Spezialist Dr. Carlos Solar, ein Senior Research Fellow im Team für internationale Sicherheitsstudien bei RUSI. Und eines muss man Dr. Solar lassen, er ist wahrhaft ein Spezialist in der Auslassung unangenehmer Wahrheiten. Von der inzwischen jahrzehntelangen, massiven Einmischung des kollektiven Westens unter Führung der USA in die inneren Angelegenheiten des Landes erfährt der Leser nichts.

Und viel wichtiger noch: Über die Auswirkungen der umfangreichen Sanktionen der USA und EU, die die einst boomende Wirtschaft des Landes verkrüppelt und die Bevölkerung verarmt haben, verliert Dr. Solar kein Wort. Denn sonst müsste er thematisieren, dass das Volk Venezuelas deshalb bestraft wird, weil es auf seiner Souveränität und auf seinem Recht besteht, einen eigenen Weg der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zu gehen. Unter Aussparung dieser Aspekte kann Dr. Solar seine Krokodilstränen mit humanitären Sorgen um die Armut in Venezuela begründen.

Wenden wir uns nun dem RUSI-Bericht zu:

Venezuela sei einst eine der wohlhabendsten Nationen Lateinamerikas gewesen, aber das Land befinde sich seit über zwei Jahrzehnten in einer Abwärtsspirale, schreibt Dr. Solar. Die jüngste Wiederwahl von Nicolás Maduro, begleitet von Vorwürfen eines betrügerischen Wahlprozesses, signalisiere daher die Fortsetzung des autoritären Kurses Venezuelas und seine Ausrichtung auf antiwestliche Staaten wie Russland, China und Iran.

Die jüngste, hochumstrittene Wiederwahl von Nicolás Maduro habe die politische Krise in Venezuela weiter verschärft. Die Opposition, angeführt von dem ehemaligen Botschafter Edmundo González, behauptet, Beweise für Wahlbetrug zu haben. Diese Behauptung wird durch weitverbreitete regierungsfeindliche Proteste und internationale Verurteilungen gestützt.

Hierzu ein Kommentar: Auch die Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten im November 2019 war von massiven, monatelangen Protesten gekennzeichnet, mit dem Höhepunkt am 6. Januar 2020. Vor den großen Systemmedien hat kein einziges von Wahlbetrug gesprochen, und wer das in den USA in alternativen Medien trotzdem tat, musste mit Strafverfolgung rechnen.

Dr. Solar führt weiter aus, die Fortsetzung von Maduros Regime bedeutet, dass Venezuela wahrscheinlich weiterhin mit antiwestlichen Ländern verbündet bleibt. Maduros Außenpolitik war in der Vergangenheit durch enge Beziehungen zu Russland, China, Kuba und Iran geprägt. Diese Allianz hat nicht nur ideologische, sondern auch praktische Gründe, da diese Länder wichtige wirtschaftliche und militärische Unterstützung für Venezuela bieten und ihm helfen, den westlichen Sanktionen zu widerstehen.

Die Wirtschaftskrise in Venezuela ist eine der schlimmsten in der modernen Geschichte. Unter der Führung von Hugo Chávez und Nicolás Maduro ist das BIP des Landes seit 2013 um mehr als 75 Prozent gesunken. Die einst blühende Ölindustrie liegt in Trümmern und leidet unter Missmanagement und Korruption. Infolgedessen leben mehr als 95 Prozent der Bevölkerung jetzt unter der Armutsgrenze. … Angesichts der bisherigen Bilanz des Regimes gibt es jedoch wenig Hoffnung. Private Investoren, die unter einer möglichen González-Regierung optimistisch waren, sind nun vorsichtig gegenüber Maduros unberechenbarer Politik, die oft die Verstaatlichung privater Vermögenswerte umfasst. Die wirtschaftspolitische Ausrichtung des Regimes wird wahrscheinlich weiterhin von seinen geopolitischen Allianzen beeinflusst, was Venezuela weiter von den westlichen Märkten und Institutionen isoliert.

Kommentar: Hier folgt eine Lüge auf die andere:

Der Absturz des BIP um mehr als 75 Prozent und die Zertrümmerung der einst blühenden Ölindustrie sind angeblich schuld am Missmanagement und der Korruption. Missmanagement und Korruption gibt es sicher auch in Venezuela, genau wie in Deutschland und in anderen Ländern Lateinamerikas. Wenn Dr. Solar damit allein den dramatischen Absturz der Wirtschaft begründet und die verheerende Wirkung der Sanktionen nicht erwähnt, dann soll Herr Solar seinen Doktortitel zurückgeben, denn das ist pure ideologische Manipulation. 

Solar schreibt, dass private Investoren mit der Aussicht auf einen erfolgreichen neoliberalen Regimewechsel "optimistisch waren" und nun weiter "vorsichtig gegenüber Maduros unberechenbarer Politik" sind, "die oft die Verstaatlichung privater Vermögenswerte umfasst". Das sind zwei Lügen in einem Satz:

Erstens: Die US-Sanktionen beinhalten auch empfindliche Strafen gegen alle Unternehmen, amerikanische oder nichtamerikanische, die in die Ölindustrie Venezuelas investieren. Fast die ganze Welt hielt sich daran, mit Ausnahme von russischen und chinesischen Unternehmen, die sich von dem US-amerikanischen Schaum vor dem Mund nicht haben beeindrucken lassen.

Und zweitens: Herr Solar spricht auch von Maduros "unberechenbarer Politik, die oft die Verstaatlichung privater Vermögenswerte umfasst". Er spricht hier hauptsächlich die Verstaatlichungen in der Ölindustrie an. Hintergrund ist, dass die Ölindustrie Venezuela fast gänzlich von US- und einigen anderen westlichen Unternehmen betrieben wurde. Aber auch diese westlichen Unternehmen wurden mit US-Sanktionen bedroht, wenn sie ihre Tätigkeit dort nicht einstellten. Die Versuche von nicht ausgebildeten Venezolanern, die Unternehmen und die Produktion weiterzuführen, führten zu dem von Herrn Solar beklagten "Missmanagement".

Im Hinblick auf Venezuelas geopolitische Partnerschaften und militärische Beziehungen erwartet Herr Solar, dass Maduros Regierung ihre geopolitischen und militärischen Beziehungen zu Russland, China und Iran aufrechterhält und sogar weiter vertieft. Die Zusammenarbeit Venezuelas mit diesen Ländern umfasst militärische Übungen, Technologietransfers und strategische Dialoge. Diese Beziehungen stärkten nicht nur Maduros Regime, "sondern bieten diesen Ländern auch in Lateinamerika einen Fuß in der Tür und fordern den westlichen Einfluss in der Region heraus".

Russland und China waren insbesondere instrumental in der Unterstützung Venezuelas bei der Entwicklung einer alternativen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur. Diese Unterstützung umfasst die Bereitstellung von Drohnen, Cybertechnologien und Informationssystemen, die für Maduros Regime entscheidend sind, um die Kontrolle über das Land zu behalten und benachbarte Staaten einzuschüchtern. Diese Ausrichtung habe bedeutende Auswirkungen auf die internationale Sicherheit, so der RUSI-Autor

Auch die interne Instabilität in Venezuela habe weitreichende Konsequenzen für seine Nachbarn, warnt der Autor. Die Beziehungen zu Kolumbien, die bereits angespannt sind, könnten sich weiter verschlechtern, wenn Maduro seine Razzien gegen das organisierte Verbrechen intensiviert und kriminelle Gruppen jenseits der Grenze einen sicheren Hafen suchen.

Kommentar: Kaum zu glauben, dass der Autor hier vorschlägt, sanfter mit dem organisierten Verbrechen umzugehen, aus Rücksicht auf Kolumbien, das tief in der US-amerikanischen Tasche steckt.

Die Migrationskrise sei ein weiteres bedeutendes Problem. Seit 2015 seien etwa 8,4 Millionen Venezolaner aus dem Land geflohen, um bessere Chancen in Nachbarländern wie Kolumbien, Peru und Chile zu suchen. Diese Migranten sind oft harten Bedingungen und begrenzten Jobperspektiven ausgesetzt, was den sozioökonomischen Druck in ihren Gastländern erhöht. Die anhaltende Massenflucht von Venezolanern unterstreicht das Versagen des Regimes, die Ursachen der Krise anzugehen.

Kommentar: Das ist menschenverachtender, purer Zynismus, den man jedoch inzwischen von westlichen Denkfabriken gewohnt ist.

Zum Abschluss wendet sich der Autor den wahrscheinlichen Reaktionen des Westens und den zukünftigen Perspektiven Venezuelas zu.

Nach außen hin werde Maduro seine etatistisch orientierte Politik fortsetzen, die die liberale internationale Ordnung ablehnt und damit einen Punkt markiert, an dem es kein Zurück mehr gibt für die Handelsbedingungen der westlichen Gemeinschaft und deren multilaterale Institutionen und Kreditgeber.

Obwohl Maduros Herausforderungen im eigenen Land einen Großteil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen sollten … ist zu erwarten, dass er sich für eine internationale Agenda einsetzt, bei der Venezuela in geopolitischer und geoökonomischer Hinsicht mit dem gegen den Westen gerichteten Länderblock eng verbunden bleibt. Dort wird er die ausländische Entwicklungs- und Wirtschaftsunterstützung finden, die sein Regime dringend braucht.

Westliche Länder, insbesondere die USA, die EU und das Vereinigte Königreich, haben eine Reihe von Sanktionen gegen Venezuela verhängt, um das Maduro-Regime zu demokratischen Reformen zu drängen. Diese Bemühungen waren jedoch nur bedingt erfolgreich, denn Maduro habe es verstanden, den internationalen Druck geschickt zu umgehen, indem er die Unterstützung seiner geopolitischen Verbündeten nutzte, um sein Regime aufrechtzuerhalten.

Fazit

Der Westen stehe also vor der komplexen Herausforderung, eine wirksame Antwort auf die Krise in Venezuela zu formulieren. Während Sanktionen auch in Zukunft ein wichtiges Instrument bleiben, müssten sie durch strategische diplomatische Bemühungen und die Unterstützung der venezolanischen Opposition ergänzt werden. Darüber hinaus müssten westliche Länder die humanitären Aspekte der Krise angehen und Hilfe und Unterstützung für die Millionen Venezolaner leisten, die von dem wirtschaftlichen Zusammenbruch betroffen sind.

Ganz nach Gutsherrenart wendet sich der RUSI-Autor zum Abschluss der Frage zu: "Was soll mit Maduro geschehen?" Und er gibt folgende Antwort: "Seine Zukunft ist düster, und er könnte zum Ziel weiterer Sanktionen und des Drucks der internationalen Gemeinschaft werden, wo er im (westlichen) Ausland unerwünscht und der Gefahr der Vollstreckung internationaler Haftbefehle ausgesetzt sein wird. Das US-Außenministerium beschuldigte Maduro im Jahr 2020 des Drogenterrorismus, warf ihm die "Erleichterung von Drogenlieferungen" vor und setzte eine Belohnung von 12,5 Millionen Pfund für Hinweise aus, die zu seiner Festnahme führen. Es liegt in der Hand der US-Regierung, ob sie seine Verhaftung durchsetzt oder nicht." Diesbezüglich setzt der Autor auf Trump:

"Wenn Donald Trump, der eine Politik des maximalen Drucks gegenüber Venezuela verfolgte, Anfang nächsten Jahres an die Macht kommt, wird Maduro dem Druck der USA möglicherweise nicht widerstehen können, da Joe Biden eine sanftere Politik gegenüber dem Regime verfolgt. Was dem Westen jedoch am meisten am Herzen liegen sollte, ist die Tatsache, dass angesichts des sich anbahnenden Konflikts mit Russland der Zugang von Wladimir Putin zu billigem Öl ein entscheidender Faktor sein könnte. Die jüngste Erfolgsbilanz des Westens bei der Durchsetzung eines Wandels in Venezuela ist jedoch lückenhaft, und dieses Mal werden wesentlich bessere Ideen und eine bessere politische Umsetzung erforderlich sein."

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