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Schwangerschaftsabbrüche: SPD & Grüne drängen auf legale Abtreibung

Sollten Abtreibungen legal sein? Experten halten das für angezeigt, die Ampel war bislang zurückhaltend. Doch nun könnte Bewegung in die Debatte kommen. SPD und Grüne im Bundestag arbeiten weiter daran, Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland noch in dieser Wahlperiode zu legalisieren. "Es ist an der Zeit, die Kriminalisierung von Frauen und auch von Ärztinnen und Ärzten zu beenden", sagt die bei der SPD zuständige Rechtspolitikerin Carmen Wegge t-online. "Es wäre toll, wenn wir das Vorhaben aus der Ampel heraus angehen und die progressive parlamentarische Mehrheit bei dem Thema nutzen würden." Bei den Grünen sehen sie das ebenso. "Eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ist in Deutschland überfällig", sagt die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, t-online. "Wir Grüne wollen, dass noch in dieser Legislaturperiode eine gesetzliche Änderung zur Entkriminalisierung und Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs beschlossen wird." Das sehe Umfragen zufolge eine deutliche Mehrheit in Deutschland genauso. Die FDP bleibt allerdings skeptisch, wenn es um eine Initiative der Ampelkoalition geht. Illegal, aber straffrei Bislang sind Abtreibungen in Deutschland nach Paragraf 218 grundsätzlich illegal. Sie bleiben aber für die Schwangeren straffrei, wenn die eine Beratung wahrgenommen haben und die Abbrüche in den ersten zwölf Wochen nach Empfängnis vorgenommen werden. Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen zu stärken, und zudem formuliert, kostenfreie Schwangerschaftsabbrüche gehörten zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Ein expliziter Verweis auf Paragraf 218 findet sich jedoch nicht. Im April war nach einem Jahr Beratung der Abschlussbericht einer Expertenkommission zu dem Thema erschienen. Die Forscher kommen darin zu dem Schluss, dass die grundsätzliche Rechtswidrigkeit eines Abbruchs "in der Frühphase der Schwangerschaft nicht haltbar" sei. Damit sind für gewöhnlich die ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft gemeint. Ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Baby außerhalb des Mutterleibs überleben kann, muss ein Abbruch aus Sicht der Experten hingegen verboten bleiben. Dazwischen habe der Gesetzgeber "einen ganz großen Gestaltungsspielraum". Die Forderung der Experten: Die Regierung müsse tätig werden. Nach Veröffentlichung des mehr als 600 Seiten umfassenden Berichts hatte die Ampel jedoch zunächst gebremst. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) bezeichnete die Empfehlungen der Kommission als "gute Grundlage für den nun notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs". Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte, es brauche am Ende einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens. Der für eine Änderung des Strafrechts zuständige Justizminister Marco Buschmann (FDP) verwies für etwaige Gesetzesinitiativen gleich aufs Parlament und zeigte sich besonders skeptisch. "Was wir nicht gebrauchen können, das sind Debatten, die die Gesellschaft in Flammen setzen oder gar spalten", sagte Buschmann. SPD veröffentlichte Positionspapier Im Juni dann versuchte die SPD-Fraktion, die Debatte mit einem Positionspapier zu beleben. Darin setzen sich die Sozialdemokraten nicht nur für die Entkriminalisierung ein, die möglicherweise auch für einen längeren Zeitraum als zwölf Wochen gelten soll. Sie spricht sich auch dafür aus, die Beratungspflicht in ein Recht auf Beratung umzuwandeln. Der FDP geht das zu schnell. Es stehe der SPD frei, eine fraktionsinterne Position zu formulieren, sagt die zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen t-online. "Daraus ergibt sich jedoch kein Handlungsdruck oder Automatismus für die Koalition." Jensen betont: "Obwohl der Bericht der Expertenkommission eine klare Empfehlung ausspricht, bleibt die gesellschaftliche Debatte um Paragraf 218 schwierig." Es gebe in vielen Ländern hitzige Debatten, wohin eine restriktivere oder liberalere Regelung führen könne. "Für uns Freie Demokraten stellt sich daher besonders die Frage: Warum sollten wir bewusst riskieren, einen stabilen gesellschaftlichen Konsens, der über Jahrzehnte und verschiedene Mehrheiten hinweg Bestand hatte, jetzt ohne Not aufzugeben?" Befürworter der Legalisierung argumentieren neben dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen unter anderem damit, dass sich die Zahl der Praxen, die Schwangerschaftsanbrüche anböten, in den vergangenen 20 Jahren halbiert habe. Die Entkriminalisierung werde die Versorgung für Frauen verbessern, weniger von ihnen sähen sich gezwungen, für eine Abtreibung ins Ausland zu gehen. SPD: Passt eigentlich zum Profil der FDP SPD-Politikerin Wegge hält die Skepsis bei vielen Liberalen für "sonderbar, weil die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs eigentlich zum Profil der FDP passen würde". Sie betont: "Wir hoffen daher, dass wir durch gemeinsame Gespräche noch zueinanderfinden." Die Grünen teilen diese Hoffnung. Die Kommission habe mit ihrem Bericht "eine sehr gute Grundlage für diese überfällige Reform gelegt", sagt Grünen-Politikerin Schauws. "Ihr gerecht zu werden, ist ein klarer Handlungsauftrag an alle und sollte sehr bald in den zuständigen Ausschüssen beraten werden." Man werde jetzt insbesondere mit SPD und FDP die nächsten Schritte besprechen. Falls sie die FDP nicht überzeugen können, wollen SPD und Grüne aber noch nicht aufgeben. "Wenn die FDP weiter blockiert, müssen wir uns nach Alternativen umsehen", sagt SPD-Politikerin Wegge. "Es gibt auch andere Wege, um eine Streichung von Paragraf 218 zu erreichen. Wir halten uns alle Optionen offen." Wie ein solcher Weg aussehen könnte, hatte zuletzt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) skizziert. Ende Juli sprach sie sich bei einer Diskussionsveranstaltung der "Zeit" für eine parteiübergreifende Entscheidung im Bundestag ohne Fraktionszwang aus. Schwangerschaftsabbrüche seien "keine Frage für Koalitions- oder parteipolitische Scharmützel". Es gehe um "so eine wichtige gesellschaftlich-politische Frage, dass man gruppenübergreifende Anträge macht". Für diesen Weg gibt es auch in der FDP Sympathien. "Eine Debatte verhindern sollten wir auf keinen Fall", sagt Fraktionsvize Jensen. "Wie bei anderen grundlegenden ethischen Sachfragen sollten wir auch hier mit Gruppenanträgen arbeiten." Der Nachteil: Ob auf diese Weise im Bundestag eine Mehrheit dafür zustande käme, ist unsicher – auch weil Union und AfD die Legalisierung bislang vehement ablehnen.

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