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Grundeinkommen: Neuer Vorschlag – drei Jahre 1.500 Euro pro Monat?

Ein regelmäßiger Anspruch auf eine Auszeit vom Job – das verspricht die Idee des Grundeinkommensjahrs. Utopie oder nötig für eine bessere Arbeitswelt? Für viele dürfte es verlockend klingen: ein Jahr raus aus dem Job – um sich neu zu orientieren, weiterzubilden, um Angehörige zu kümmern oder sich schlicht zu erholen. Und das in regelmäßigen Abständen mehrmals während des Erwerbslebens. Möglich ist das theoretisch schon heute, wenn sich Arbeitnehmer ein sogenanntes Sabbatical heraushandeln. Doch das muss man sich erst einmal leisten können. Um die Finanzen bräuchte man sich bei der Idee, die das Netzwerk Grundeinkommen ins Spiel bringt, hingegen keine Sorgen zu machen. Die gemeinnützige Organisation aus Berlin schlägt vor, einen Rechtsanspruch einzuführen, der jeden innerhalb seines Arbeitslebens dreimal dazu berechtigt, ein Jahr lang auszusteigen und dabei jeden Monat 1.500 Euro netto zu erhalten. Und zwar nicht angespart aus dem eigenen Einkommen, sondern finanziert über eine Vermögensabgabe. Die 1.500 Euro entsprechen in etwa der aktuellen Armutsrisikogrenze in Deutschland. Nach ersten Berechnungen des Netzwerks wären bis zu 124 Milliarden Euro jährlich nötig, um das zeitweise Grundeinkommen allen Berechtigten zukommen zu lassen. Darin inbegriffen wären auch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Rentenversicherung , die während der Auszeit übernommen würden. Verluste bei der Einkommensteuer sind ebenfalls eingerechnet. Netzwerk Grundeinkommen setzt auf Umverteilung "Zur Finanzierung könnten die jährlichen Zuwächse der Geldvermögen – nicht die Substanz – genutzt werden", sagte Roland Blaschke, Sprecher des Netzwerks Grundeinkommen, bei der Vorstellung der Idee. "Das würde bedeuten, dass insbesondere diejenigen, die hohe Geldvermögenszuwächse haben, mehr zahlen als die, die geringe Zuwächse haben. Es ist also ein Umverteilungseffekt eingeplant." Wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervorgeht, betrugen die Zuwächse bei Bargeld und Bankeinlagen zuletzt zwischen 214 und 116 Milliarden Euro jährlich. Das Recht auf ein Grundeinkommensjahr soll Arbeitnehmern zustehen, sobald sie zwölf Jahre Erwerbstätigkeit hinter sich haben. Zeiten für Kinderbetreuung, Pflege oder Arbeitslosigkeit würden ebenfalls zählen. Das Netzwerk schlägt außerdem eine Rückkehroption an den alten Arbeitsplatz vor, vermutet aber, dass viele die Auszeit nutzen, um einen passenderen Job zu suchen. Aus der Tretmühle des Alltags aussteigen "Auch wenn das Grundeinkommen nur vorübergehend gewährt wird, kann sich der oder die Einzelne in diesem Jahr beruflich umorientieren, was in der Hektik des Alltags sonst nicht immer möglich ist", sagte Ulrich Schachtschneider, Sozialwissenschaftler und Mitglied des Netzwerks Grundeinkommen. Der Bedarf für eine solche Neuausrichtung sei angesichts des ökologischen Wandels groß. "Die Zeit kann aber auch genutzt werden für soziales und gesellschaftliches Engagement, für private Sorgearbeit, für kulturelle Aktivitäten oder allgemein zur Entschleunigung, um Luft zu holen", so Schachtschneider weiter. Er findet: "Jeder Erwerbstätige sollte die Gelegenheit haben, die Wirkung eines Grundeinkommens einmal persönlich kennenzulernen." Auch gesamtgesellschaftlich erhofft sich der Verein positive Effekte. "Die Möglichkeit einer materiell abgesicherten Auszeit für alle und nicht nur für diejenigen, die es sich leisten können, dürfte ein höheres Gerechtigkeitsgefühl in der Gesellschaft befördern", sagte Netzwerk-Sprecher Blaschke. Außerdem erhöhe sie das Vertrauen in staatliche Organisationen und verbessere die Anerkennung privater Sorgearbeit. Auch gesundheitliche Kosten würden sinken, wenn durch regelmäßige längere Auszeiten Burn-outs vermieden würden und Menschen die Gelegenheit bekämen, sich einen erfüllenderen Job zu suchen. Vorschlag soll neue Debatte anstoßen Allein: Politisch scheint die Idee derzeit nicht umsetzbar zu sein. Dabei gibt es zumindest innerhalb der Parteien des eher linken Spektrums durchaus Initiativen, die sich für ein Grundeinkommen aussprechen. So sprach sich beispielsweise Lars Klingbeil, damals noch Generalsekretär, heute Parteivorsitzender der SPD , im Jahr 2018 für ein Grundeinkommensjahr aus. "Ich glaube, das Grundeinkommen ist ein Weg, mit dem wir die Arbeitswelt verbessern können", schrieb Klingbeil in einem Diskussionsbeitrag . "Mein Konzept des Grundeinkommensjahres will genau das. Es ermöglicht Freiräume, die selbstbestimmt genutzt werden können – ohne staatliche Vorgaben." Offene Türen wie diese will das Netzwerk Grundeinkommen in den nächsten Monaten nutzen. Dafür soll der eigene Vorschlag zunächst dem Freiburg Institute for Basic Income Studies (Fribis) vorgestellt und anschließend dort wissenschaftlich geprüft werden. Anfang des kommenden Jahres will man dann in Kontakt mit Vertretern von SPD, Grünen und Linken, aber auch Gewerkschaften und Kirchen treten, um für die Idee zu werben. Rechtzeitig zum beginnenden Bundestagswahlkampf.

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