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Panne bei Sachsen-Wahl: Das steckt hinter dem "Softwarefehler"

Der sächsische Landeswahlleiter verwirrt mit falschen Angaben, die AfD verliert gegenüber ersten Angaben ein Mandat, was erhebliche Folgen hat. Kein Grund für Verschwörungsgeraune, erklärt ein Wahlrechtsexperte. Hat die AfD in Sachsen die Macht, manche Entscheidungen blockieren zu können oder hat sie diese Macht nicht? Nach der Landtagswahl in Sachsen löste der Landeswahlleiter bei der brisanten Frage Verwirrung aus und musste sich korrigieren: Erst hatte die Behörde angegeben, dass die AfD ausreichend Mandate erreicht hat für die sogenannte Sperrminorität, dann galt das nicht mehr - falsche Berechnung. Wie man zum richtigen Ergebnis kommt, erklärt Wahlexperte Matthias Cantow, einer der Betreiber der Seite wahlrecht.de. Dort war das korrekte Ergebnis bereits in der Nacht zu lesen. t-online: Herr Cantow, die sächsischen Behörden mussten ihre Sitzverteilung korrigieren. Was ist der Unterschied zwischen beiden Ergebnissen? Matthias Cantow: Das erste vorläufige Ergebnis des Landeswahlleiters in der Nacht sah bei der Verteilung der 120 Sitze im neuen Landtag 42 für die CDU und 41 für die AfD vor. Wir haben auf wahlrecht.de dagegen 41 für die CDU und 40 für die AfD errechnet. Seine Sitzverteilung hat der Landeswahlleiter am Morgen korrigiert. Stattdessen haben SPD und Grüne jeweils einen Sitz mehr. Brisant ist das, weil die AfD mit der Korrektur eine mögliche Sperrminorität verliert. Mit der neuen Sitzzahl hat die AfD nicht mehr genug Abgeordnete, um Gesetze blockieren zu können, für die es eine Zweidrittelmehrheit braucht. Sie kann auch nicht mehr die Wahl von Verfassungsrichtern oder der Spitze des Landesrechnungshofs verhindern. Dafür braucht es in Sachsen jeweils 41 Abgeordnete. Das Hin und Her könnte für AfD-Anhänger Anlass sein, an eine Verschwörung zu glauben – nach dem Motto: "Da haben sie so lange gerechnet, bis die AfD doch nicht genug hat." Das ist das Schöne: Das Verfahren ist im Gesetz festgelegt und genau beschrieben, jeder kann selbst nachrechnen und kommt zu dem gleichen Ergebnis, das für AfD und die CDU ein Mandat weniger ergibt. Es ist einfache Mathematik. Sie hatten es bei wahlrecht.de in der Nacht schon richtig angegeben. Was dachten Sie, als der Landeswahlleiter ein anderes meldete? Wir haben zuerst gedacht, dass wir nicht mit den richtigen Stimmenzahlen gerechnet haben. Aber sie waren mit denen des Landeswahlleiters identisch, da hatte sich nichts mehr geändert. Da lag die Vermutung nahe, dass es am Verfahren zur Verteilung der Sitze liegt. Mit einem in Sachsen nicht mehr verwendeten Verteilungsverfahren kommt man auf die Werte, die der Landeswahlleiter angegeben hatte. Die Vermutung lag nahe, dass das falsche Verteilungsverfahren angewendet wurde. Der Landtag hatte es im vergangenen Jahr im Wahlgesetz geändert. Wenn das alte Verfahren genutzt wurde, wäre das schon etwas peinlich. Peinlich würde ich das nicht nennen. Unglücklich. So eine Gesetzesänderung nicht zu berücksichtigen, ist auch keine Kleinigkeit. Die Leute, die beim Statistischen Landesamt zu den Wahlen arbeiten, sind durchaus sehr fit und vor Wahlen wird auch alles noch einmal durchgegangen. Wir hatten vermutet, dass für die Berechnung noch eine alte Vorlage oder Ähnliches genutzt wurde. Vom Landeswahlleiter heißt es aber jetzt, dass die Änderung in der Software berücksichtigt und die Software auch bei den Kommunalwahlen bereits erfolgreich im Einsatz war und es eine andere Erklärung gibt. Und die lautet? Demnach hat es bei der Zuteilung der Sitze ab dem 117. Mandat den Fehler gegeben, dass die Sitze nicht mehr an den mathematisch höchsten Teiler zugewiesen wurden. Der IT-Dienstleister analysiert das. Dann wäre es ein Softwarefehler. Klar ist aber: Fehler sind menschlich und es ging um ein vorläufiges Ergebnis. Da muss man immer damit rechnen, dass sich bis zum endgültigen Ergebnis noch etwas ändert. Da stecken oft noch Fehler drin. Welche Fehler können das sein? Häufig sind es Übermittlungsfehler in den telefonischen Schnellmeldungen, die meistens Grundlage für das vorläufige Ergebnis sind. Landesweit können das dutzende sein. Beim späteren Abgleich mit den Niederschriften stellt sich dann heraus, wenn etwa in der Nacht die telefonisch durchgegebenen Zahlen vom Wahlamt in der falschen Zeile erfasst wurden. Das gleicht sich aber im Saldo häufig aus oder die geänderten Stimmenzahlen bewirken keine Veränderung der Sitzverteilung im endgültigen Ergebnis, deshalb bemerkt die Öffentlichkeit meistens keinen Unterschied zwischen dem vorläufigen und dem endgültigen Ergebnis. Ich kann mich aber an keinen Vorfall erinnern, dass einmal eine falsche Sitzverteilung berechnet wurde. Warum wurde die Methode geändert? Das bisherige Verfahren nach D’Hondt bevorteilt systematisch Parteien mit hohem Stimmenanteil, wie man ja auch hier sehen kann: AfD und die CDU erhalten mehr Sitze als nach dem Verfahren nach Sainte-Laguë, das nach der Änderung gilt. Das neue Verfahren ist neutral und setzt die Gleichheit der Wählerstimmen besser um. Diese Änderung wurde übrigens im vergangenen Jahr auch mit Zustimmung der AfD in der Debatte im Landtag umgesetzt. Danke für das Gespräch!

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