Moskau: Französischer Forscher wegen Agententätigkeit verurteilt
Ein Moskauer Bezirksgericht hat einen französischen Staatsbürger zu drei Jahren Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft warf Laurent Vinatier vor, ohne die erforderliche Registrierung als ausländischer Agent "gezielt Informationen im Bereich militärischer und militärtechnischer Aktivitäten" gesammelt zu haben.
Der 48-Jährige arbeitete als Berater für das Zentrum für humanitären Dialog, eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Genf. Nach Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes soll Vinatier zahlreiche Kontakte zu Politikwissenschaftlern, Soziologen, Ökonomen, Militärexperten und Beamten in Russland gehabt haben. Diese Informationen könnten möglicherweise an ausländische Geheimdienste weitergegeben worden sein und somit der nationalen Sicherheit Russlands geschadet haben.
Den Ermittlungen zufolge reiste Vinatier mehrmals nach Russland, unter anderem nach Moskau, wo er sich mit mindestens drei Russen traf, um sie über die politische Lage und die Mobilisierung zu befragen. Wem genau er diese Fragen stellte, ist nicht bekannt. Der Forscher wurde im Juni 2024 verhaftet. Bei seiner Anhörung bekannte er sich schuldig, gab aber an, nicht gewusst zu haben, dass er sich als ausländischer Agent habe registrieren müssen.
In seinem Schlusswort zitierte er den berühmten Dichter Alexander Puschkin: "Hat das Leben dich betrogen, traure nicht und zürne nicht! Mit dem neuen Tageslicht ist dein Leid vielleicht verflogen."
Zudem bat er um ein mildes Urteil:
"Ich habe keine Angst zu sagen, dass ich mich in Russland verliebt habe. Mein persönliches Leben bestätigt das, meine Frau ist Russin, meine Freunde sind Russen. Ich lebte und lebe ein russisches Leben, sogar in den vergangenen vier Monaten habe ich eine russische Atmosphäre erlebt. Ich bitte Sie, das Leben meiner Familie zu berücksichtigen. Alles, worum ich Sie bitte, ist eine gerechte und nachsichtige Entscheidung."
Vinatiers Anwalt bezeichnete das Urteil als unangemessen hart und plädierte für eine Geldstrafe anstelle einer Haftstrafe. "Unser Mandant hat zum ersten Mal in Russland ein Verbrechen begangen und seine Schuld vollumfänglich zugegeben", sagte er. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Verteidigung Berufung einlegen will.
Das russische Gesetz über ausländische Agenten, das 2012 verabschiedet und 2022 erheblich erweitert wurde, verpflichtet Personen und Organisationen, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten oder unter dem Einfluss ausländischer Akteure stehen, sich registrieren zu lassen. Wer gegen das Gesetz verstößt, muss mit Geldstrafen von bis zu fünf Millionen Rubel (rund 50.000 Euro) oder mit Freiheitsstrafen rechnen.
Das französische Außenministerium forderte die sofortige Freilassung Vinatiers. "Das Gesetz über ausländische Agenten trägt zur systematischen Verletzung der Grundfreiheiten in Russland bei", sagte Außenamtssprecher Christophe Lemoine laut AFP. Die Behörde sei bereit, Vinatier jegliche Unterstützung zukommen zu lassen.
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