„Grjadka“: Ein Schnellrestaurant aus der Provinz macht Karriere
In Russland läuft es in der Regel so: Was in Moskau funktioniert, kommt Jahre später vielleicht auch in der Provinz an. Dass es in seltenen Fällen auch anders herum geht, hat Dodo Pizza gezeigt. Russlands größte Pizzakette wurde 2011 im nordrussischen Syktywkar gegründet. Und nicht nur der Ort klingt so exotisch, dass das eine Geschichte ist, die der in Syktywkar geborene Unternehmens-Chef Fjodor Owtschinnikow bis heute immer wieder erzählen muss.
Mit „Grjadka“ schickt sich nun ein weiteres gastronomisches Projekt an, die Hauptstadt zu erobern, obwohl es seine Wurzeln ganz woanders hat. Dmitri Romanow und seine Frau Alexandra aus Archangelsk haben den Familienbetrieb 2011 aus der Taufe gehoben. Heute gehören zwölf Standorte in der 1000 Kilometer nördlich von Moskau gelegenen Großstadt zu der Kette.
Die bessere Stolowaja
„Grjadka“ ist eine zeitgemäße Version der sowjetischen Kantine, Stolowaja genannt. Die Preise sind immer noch knapp kalkuliert, aber die Ansprüche deutlich höher: mit reichhaltigem Angebot, reichlichen Portionen, viel Platz und gemütlicher Inneneinrichtung. Abwechslungsreiche und nahrhafte Kost für jedermann heißt das Rezept. Ein Mittagsmahl zum Sattessen schlägt im Schnitt mit 600 bis 700 Rubel, umgerechnet etwa sechs bis sieben Euro, zu Buche. Zum Feierabend wird es in manchen der Schnellrestaurants noch erschwinglicher, weil in der letzten oder den letzten zwei Stunden vor Schließung 20 Prozent Preisnachlass gelten.
In Moskau hat „Grjadka“, was Russisch für Gartenbeet ist, mittlerweile fünf sogenannte „Volksrestaurants“ eröffnet, sozusagen auf den Spuren von Michail Lomonossow. Der berühmte Gelehrte war als junger Mann vor fast 300 Jahren zu Fuß aus der Archangelsker Gegend nach Moskau ausgezogen, um hier sein Glück zu machen.
Für die ganze Familie
Kein Wunder, dass sowohl Archangelsk als auch Moskau ihren Lomonossow-Prospekt haben. In Archangelsk befindet sich dort das Aushängeschild von „Grjadka“ schlechthin: „Grjadka Family“. Geöffnet ist an sechs Tagen in der Woche von 9 bis 21 Uhr, sonntags macht man eine Stunde später auf. Das Restaurant nimmt eine ganze Etage ein. Es gibt eine Spielecke für Kinder und eine verglaste Außenterrasse. Von den 230 Plätzen sind am Morgen noch nicht viele belegt, doch um die Mittagszeit wird es voll und an den Kassen bilden sich Schlangen.
Der Tag beginnt mit einem vollwertigen Frühstück. Die Auswahl ist überwältigend und reicht von drei Sorten Kascha über Kartoffelpuffer, Omelette und Würstchen bis zu verschieden belegten Toastschnitten. Dazu kommt ein breites Angebot an Backwaren und Kaffee. Da viele Russen beim Essen aber nicht zwischen Frühstück, Mittagessen und Abendbrot unterscheiden, sind auch um diese Zeit schon einige Optionen an Fleisch und Beilagen verfügbar.
Am späteren Vormittag wird dann komplett auf Hauptmahlzeit umgestellt. Russische, europäische und asiatische Küche – alles ist vertreten. Selbst das Geschirr und das Besteck hinterlassen einen gediegenen Eindruck.
Nicht immer ist in Moskau alles besser
Ein solches Fest für die Augen und den Gaumen sind die „Grjadka“-Standorte in Moskau nicht. Doch auch hier sitzt und isst man gut. Alle Moskauer Restaurants der Kette befinden sich in Businesszentren, einige wurden von der Kette „Tarelka“ übernommen, die sich aus Moskau zurückgezogen hat.
Die Lage bringt es mit sich, dass die Restaurants nur bis zum frühen Abend geöffnet und am Wochenende ganz geschlossen sind. Da haben es die Archangelsker besser. Nicht immer hat eben Moskau die Nase vorn. Aber das ist ja nur fair.
Tino Künzel
Запись „Grjadka“: Ein Schnellrestaurant aus der Provinz macht Karriere впервые появилась Moskauer Deutsche Zeitung.