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Scholz stellt Vertrauensfrage im Bundestag: Mehr Schulhof als Plenum

Es war ein historischer Moment, als der Bundeskanzler an diesem Montag die Vertrauensfrage im Bundestag stellte. Doch viele dürften ihn sich anders vorgestellt haben. Es dauert nur ein paar Minuten, dann ist der Tenor klar. Als Olaf Scholz im Plenum ans Rednerpult tritt, erklärt er gleich zu Beginn, dass er die Vertrauensfrage stellen will. Ein historischer Moment, denn es ist erst das sechste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Bundeskanzler das tut. Fakt ist: Die Ampel ist unter der Führung von Scholz gescheitert. An diesem Montag entziehen die Abgeordneten ihm das Vertrauen. Dann wird der Bundestag aufgelöst. Und dann neu gewählt. Man könnte also durchaus erwarten, dass Scholz im Bundestag reflektiert, was in der Vergangenheit schiefgelaufen ist. Es wäre angemessen gewesen. Stattdessen sagt der Kanzler: "Politik ist kein Spiel, liebe Kolleginnen und Kollegen! In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife." Gemeint ist die FDP , allen voran Christian Lindner . Der Kanzler spricht von einer wochenlangen "Sabotage der eigenen Regierung durch die Freien Demokraten". Und so geht es den Rest der Debatte auch weiter: Scholz attackiert Lindner. Merz attackiert Scholz. Und Robert Habeck attackieren irgendwie alle ein bisschen. Jeder mit dem Finger auf die anderen. Erst wird sich gegenseitig die Schuld für das Scheitern der Ampel in die Schuhe geschoben, dann erklärt jeder in epischer Länge, warum die anderen für den Job des Kanzlers nicht geeignet sind, man selbst aber schon. War das wirklich der Sinn der Sache? Eigentlich wollten Scholz, Merz und Habeck es anders machen Zumal gerade die drei Kanzlerkandidaten Scholz, Merz und Habeck einen anderen Umgang miteinander angekündigt hatten. Noch vor kaum einer Woche haben die drei Männer dafür bei einer Aktion der beiden Fernsehmoderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf mitgemacht. In einem 15-minütigem Clip zur besten Sendezeit durfte jeder der Kandidaten etwas zu Politik und Anstand erzählen. Es waren warme Worte, die einen anderen Politikstil ankündigten. Anders als der bisherige Umgang innerhalb der Ampel. Aber auch anders als der Umgang zwischen Kanzler und Oppositionsführer. Hart in der Sache, sachlich im Ton. So das Versprechen. Im Bundestag scheint dieser selbst auferlegte Kodex vergessen. So wie Scholz gegen Lindner keilt, keilt Merz gegen Scholz. Es ist eine persönliche Abrechnung nach der anderen. "Sie haben heute viel von Respekt gesprochen. Ganz offensichtlich hört ihr Respekt dort auf, wo es andere politische Meinungen gibt", schmettert der CDU-Chef Scholz gleich zu Beginn in der Aussprache entgegen und fügt noch hinzu: Das sei nicht nur respektlos, es sei "eine blanke Unverschämtheit". Applaus kassiert der Oppositionsführer dafür nicht nur von den eigenen Leuten, sondern auch von der FDP-Fraktion. Fast so, als habe es die Ampel nie gegeben. Auch als Merz sich Habeck vorknöpft, wird bei den Liberalen ordentlich applaudiert. Es ist Wahlkampf durch und durch. Und schon klar, dass das so kurz vor der Wahl irgendwie unausweichlich war. Im Wahlkampf ist es auch in Ordnung, wenn die Angriffe mal persönlich werden, denn immerhin geht es auch um die Eignung des Einzelnen für den Posten. Aber: Erst zu versprechen, nicht zu überdrehen, es dann aber doch zu tun – das trägt nicht zur Glaubwürdigkeit bei. Und: Ein bisschen mehr hätte man bei so einem Anlass doch wohl erwarten können. Politik sollte immer eine gewisse Ernsthaftigkeit wahren. Darüber sind sich auch die Parteien der demokratischen Mitte einig. Zum beteuern sie das wieder und wieder. Wenn von den Abgeordneten auf die Aussagen von Scholz, Merz und Habeck jedoch so laut mit Gejohle und Gelächter reagiert wird, dass man sie kaum noch verstehen kann, ist diese Ernsthaftigkeit nicht mehr wirklich gegeben. Normalerweise ist die AfD der Störenfried im Plenum, an diesem Montag braucht sie gar nichts zu sagen.

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