Steinmeier verkündet Neuwahlentscheidung
Die Parteien bereiten sich bereits mit Hochdruck auf den 23. Februar als Datum der Bundestagswahl vor. Doch das letzte Wort hat der Bundespräsident. Und erst kommt noch ein anderer Schritt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gibt heute seine Entscheidung zur Auflösung des Bundestags und zu dessen Neuwahl bekannt. Es gilt als sicher, dass er der Bitte von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) folgen wird, das Parlament aufzulösen. Ebenfalls so gut wie sicher ist, dass Steinmeier den 23. Februar als Wahltermin verkünden wird. Auf diesen Tag hatten sich die Fraktionsspitzen von SPD und Union geeinigt. Scholz hatte am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt, nachdem im November die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach nur rund drei Jahren zerbrochen war. Scholz erhielt für seinen Antrag – wie von ihm beabsichtigt – keine Mehrheit. Er bat daraufhin Steinmeier, den Bundestag aufzulösen, um den Weg für eine Neuwahl freizumachen. Bundespräsident ist Herr des Verfahrens Nach Artikel 68 Grundgesetz kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen, wenn dieser die Vertrauensfrage verliert. Artikel 39 schreibt vor, dass die Neuwahl dann innerhalb von 60 Tagen stattfinden muss. Steinmeier lässt sich mit seiner Entscheidung nur 11 und nicht die ihm zur Verfügung stehenden 21 Tage Zeit. Er führte aber nach der Entscheidung des Bundestags über die Vertrauensfrage zunächst Gespräche mit den Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppen. So wollte er herausfinden, ob es nicht doch noch einen Weg für eine stabile politische Mehrheit im Bundestag gibt. Diese ist jedoch nicht in Sicht. Nach welchen Kriterien er seine Entscheidung treffen wird, hatte Steinmeier unmittelbar nach dem Zerbrechen der Ampel angekündigt: "Unser Land braucht stabile Mehrheiten und eine handlungsfähige Regierung. Das wird mein Prüfungsmaßstab sein." Vorzeitige Auflösung des Bundestags ist Ausnahme Dass der Bundestag vorzeitig aufgelöst wird, ist der absolute Ausnahmefall in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Vertrauensfrage von Scholz war erst die sechste seit 1949. In drei Fällen endete anschließend die Wahlperiode vorzeitig. Dies betraf die Kanzler Willy Brandt (SPD) 1972, Helmut Kohl (CDU) 1982 und Gerhard Schröder (SPD) 2005. Schröder hatte auch schon 2001 die Vertrauensfrage gestellt, aber nicht, um sie zu verlieren. Vielmehr wollte er so seine in Teilen widerspenstige rot-grüne Koalition für die Beteiligung der Bundeswehr am Anti-Terror-Kampf in Afghanistan hinter sich bringen. Ähnlich disziplinierend war die Vertrauensfrage von Helmut Schmidt (SPD) 1982 angelegt, der damit die Zustimmung der SPD/FDP-Koalition zu seiner Sicherheits- sowie Arbeitsmarktpolitik erzwingen wollte. Beide SPD-Kanzler gewannen die Vertrauensfrage, der Bundestag wurde nicht aufgelöst. Parteien vor kurzem und intensiven Winterwahlkampf Die Parteien bereiten sich bereits intensiv auf die Neuwahl vor. Freie Wochenenden wird es für die Wahlkämpfer bis zum Wahltag kaum noch geben. So wollen zum Beispiel die SPD und die AfD am Wochenende 11./12. Januar endgültig ihre Kanzlerkandidaten bestimmen und die Wahlprogramme verabschieden. Am 26. Januar halten die Grünen ihren Parteitag ab, am 3. Februar die CDU , am 8. Februar die CSU und am 9. Februar die FDP. An diesem 9. Februar wird es abends in ARD und ZDF auch das erste Fernsehduell von SPD-Kanzler Scholz und seinem CDU-Herausforderer Friedrich Merz geben. Eine Woche später hat RTL die beiden Kontrahenten ins Fernsehstudio eingeladen. Zur Wahlkampfschlacht dürfte auch die voraussichtlich letzte Sitzung des Bundestags vor der Wahl werden – am 11. Februar trifft man sich zur Generaldebatte. Klagen gegen Bundestagsauflösung eher unwahrscheinlich Bislang deutet nichts darauf hin, dass Abgeordnete gegen die Auflösung des Bundestags vor das Bundesverfassungsgericht ziehen werden. Nach der Parlamentsauflösung 1982 und 2005 machten dies einzelne Politiker, die sich in ihren Abgeordnetenrechten verletzt sahen. Sie blieben allerdings erfolglos. Kohl und Schröder hatten jeweils eine Mehrheit im Bundestag und wollten mit ihrer fingierten und daher hochumstrittenen Vertrauensfrage nur Neuwahlen erzwingen. Das wollte zwar auch Scholz – ihm kam jedoch mit dem Ampel-Crash die Mehrheit abhanden. Das Karlsruher Urteil von 1983 könnte auch für die heutige Situation geschrieben worden sein. Dort heißt es, der Kanzler solle das Verfahren nach Artikel 68 Grundgesetz nur anstrengen dürfen, wenn es politisch für ihn nicht mehr gewährleistet sei, mit den im Bundestag bestehenden Kräfteverhältnissen weiterzuregieren. "Die politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, dass er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag." Neuer Bundestag wird erheblich kleiner Unabhängig davon, wie die Wahl ausgehen wird, steht fest: Der neue Bundestag wird ganz anders zusammengesetzt sein als der bisherige. Vor allem wird er viel kleiner. Denn nach der nun greifenden Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition wird die Zahl der Mandate auf 630 begrenzt. Erreicht wird dies vor allem durch das Wegfallen von Überhang- und Ausgleichsmandaten. Zum Vergleich: 2021 waren noch 735 Abgeordnete in den Bundestag gewählt worden. Und zahlreiche prominente Gesichter werden künftig nicht mehr im Reichstagsgebäude zu sehen sein. Der zurückgetretene SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert , die Bundestagsvizepräsidentinnen Yvonne Magwas (CDU) und Petra Pau (Linke) sowie die einstige Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) sind nur vier von zahlreichen Abgeordneten, die nicht wieder kandidieren.