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Zeitdiagnosen | Dekadent – und stolz darauf! Was Putin verachtet, sollten wir bewahren

Der Westen sei schwächlich, verkünstelt und unecht: Das glauben nicht nur seine Gegner, es ist auch eine Selbstbeschreibung. Wir sollten die Ambivalenz unserer Kultur nicht aufgeben – auch nicht, um sie zu verteidigen

Es gehört zu den Binsenweisheiten im globalen politischen Kulturkampf, dass der Westen dekadent sei. Seine Gegner – Wladimir Putin, Xi Jinping oder der Ajatollah Chamenei – lassen keine Gelegenheit aus, die moralische Krise der euroatlantischen Länder zu beschwören: zu wenig Glauben, Einheit, Rückgrat.

Die Pointe ist dabei freilich, dass sich diese Diagnose auf eine historisch tief verankerte Selbstbeschreibung des Westens berufen kann. Sei es bei Charles Baudelaire, sei es bei Paul Bourget oder Friedrich Nietzsche – das Dekadenzverdikt durchzieht die Kulturdiagnostik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Im Kern bezieht sich dieses Verdikt auf eine Gesellschaft, die sich pluralisiert und differenziert. Die Moderne wird aber nicht neutra

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