Der Bundesliga-Check - Teil 6

Bayer Leverkusen (Michael Oehm)

Bayer Leverkusen kann jetzt ehrfürchtig in einem Atemzug mit Skonto Riga aus Lettland genannt werden. Beide Mannschaften wurden ungeschlagen Meister in der heimischen Liga. Und außerdem interessiert sich außerhalb der Stadtgrenzen kein Borstenvieh und auch keine Cauda für sie.  

Naja, das stimmt natürlich nicht ganz, aber in so einer kurzen Einschätzung so früh in der Saison reicht auch eine klare Tendenz für eine Einordnung. Apropos, sportlich ist diese Tendenz noch keineswegs abzulesen. Zunächst hat man – durchaus etwas überraschend - noch keine nennenswerte Abgänge hinnehmen müssen. Das war schon anders erwartet worden. Aber selbst der von Bayern München umworbene und damit als Abgang nahezu feststehende Tah könnte nach einer unerwarteten Volte nun doch in in Leverkusen verbleiben, obwohl sein Vertrag kommendes Jahr ausläuft. Der nach Hoffenheim abgewanderte Adam Hlozek spielte in der letzten Saison nur eine winzige Rolle als meist sehr später Einwechselspieler. Der von den Bayern ausgeliehene Stanisic verließ den Meister erwartungsgemäß.  

Geldzuflüsse blieben also bisher eher bescheiden. Talent Iker Bravo (guter Name für einen Fußballer) wechselte für nur 600,000 EUR nach Italien, dem Vernehmen nach allerdings handelte Bayer eine ordentliche Beteiligung am Weiterverkauf aus. Für Sardar Azmoun, im vergangenen Jahr nach Rom verliehen, erhielt man 5 Mio. EUR dafür, dass man ihn in die Wüste schickte. Da aber einen Werksclub ein ordentliches Transferminus nicht anficht, griff man schon mal in die Schatulle und verpflichtete vom Kaufhaus Frankreichs mit dem Namen Stade Rennes die Offensivkraft Martin Terrier (aus Borussensicht totaler Supername für einen Fußballer). 7 Tore in 24 Einsätzen, da kann man schon mal 20 Mio. EUR auf den Tisch legen. Zumindest wenn man ein konzerngestützter Verein ohne finanzielle Sorgen ist. Immerhin sparte man Reisekosten ein und verpflichtete auch noch den 19jährigen Innenverteidiger Belocian vom gleichen Verein. Dazu kam noch Aleix García vom FC Girona. Da der aus Spanien kam, war er natürlich der erklärte Wunschspieler von Coach Xavi Alsonso, ist doch klar. Sicherlich soll er Xhaka ein wenig entlasten, der in der vergangenen Saison quasi durchspielte.  

Beim kicker ist man ganz obsessiv mit der Frage beschäftigt, ob Leverkusen im letzten Jahr die Championsleague hätte gewinnen können, wenn sie dort gespielt hätten. Die Antwort ist übrigens nein, denn es reichte ja noch nicht einmal für die Europaleague. Trotzdem wird sie in jedem Spielerinterview gestellt. Das zeigt so ein bisschen die Erwartungshaltung, der sie sich in Leverkusen gegenübersehen. Die vergangene Saison zu bestätigen, es scheint eigentlich unmöglich. Aber nicht weniger wird man von ihnen erwarten. Das mangelnde Interesse (siehe oben) und damit einhergehend geringere mediale Beachtung als an durchschnittlichen Bundesligastandorten wird natürlich für mehr Ruhe im Verein sorgen. Was eigentlich beste Voraussetzung dafür wäre, wieder ein Wort um den Titel mitzureden. Uns deucht aber dennoch, dass dieses Wort eher wieder “Vize” lauten wird. Gut möglich, dass es auch noch weiter runter geht.  

Holstein Kiel (Uwe Pirl)

Holstein Kiel verlängert die Reihe von Bundesligaaufsteigern, bei denen sich das Publikum im Grunde genommen schon vorab darüber einig ist, dass dieser Aufsteiger auch einer der Absteiger der kommenden Saison sein wird. Die Reihe beginnt in den Neunzigern mit Freiburg und Mainz und setzt sich fort über Braunschweig, Darmstadt, Greuther Fürth bis hin nach Heidenheim.

In der Reihe sind mit Freiburg und Mainz (ja, damals waren die Zeiten noch andere und der finanzielle Abstand zwischen den Ligen noch nicht so groß) zwei Vereine, die sich etablieren konnten, mit Darmstadt und Heidenheim zwei weitere, die es wenigstens für (mindestens) zwei Jahre schafften, die Bundesliga zu halten. Ganz aussichtslos ist es also nicht, das Kieler Unterfangen …

Kiel war in den letzten Jahren in der zweiten Bundesliga einer der unbestrittenen fußballerischen Lichtblicke – eine Mannschaft, die in erster Linie Fußball spielen und nicht nur kämpfen wollte. Diese Mannschaft wurde weitgehend zusammengehalten, die einzigen erwähnenswerten Abgänge sind Philipp Sander (Gladbach) und Tom Rothe, der nach einer Leihe nach Dortmund zurückmusste und nun Union Berlin verstärkt. Die Neuzugänge sind Spieler, die in der Bundesliga bzw. in Deutschland noch nicht in Erscheinung getreten sind – damit ist schwer einzuschätzen, ob Kiel sich verstärkt hat oder nicht.  Angeleitet wird Holstein Kiel von Marcel Rapp, einem interessanten Trainer, der wie Nagelsmann, Materazzo oder auch Tedesco seine ersten Schritte in Hoffenheim machen durfte.

Klar ist – Kiel versucht den Klassenerhalt mit der gewachsenen Zweitligatruppe zu erreichen. Das spricht für wirtschaftliche Vernunft, das Abstiegsrisiko ist wahrscheinlich eingepreist. Andererseits hatte Heidenheim mit genau der Vorgehensweise Erfolg. Ob Kiel Gleiches gelingt, hängt von vielen Faktoren ab: Erlebt Lewis Holtby noch einmal einen x-ten Frühling in der Bundesliga? Schaffen Spieler wie Steven Skrzybski, Fiete Arp oder Finn Porath (doch noch) den Durchbruch in der Bundesliga? Funktioniert das Kollektiv?

Alles in Allem ist ein Abstieg von Holstein Kiel der wahrscheinlichste Ausgang. Aussichtslos ist die Lage aber nicht. Vereine wie Heidenheim nach dem Aderlass, Bochum ohne Stöger oder auch der Mitaufsteiger St. Pauli sind nicht besser, dazu wird wie jedes Jahr die eine oder andere Negativüberraschung aus dem Kreis der Etablierten kommen. 

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