Unglück im Glück
Nach 89 Minuten des Auswärtsspiels in Mainz begann man sich als Fan von Borussia Mönchengladbach an den Gedanken einer Punkteteilung zu gewöhnen. Es waren 89 Minuten energischen Fußballs, nichts für Freunde großer Spielkunst und es schien eine Punkteteilung zu werden, die man aus Gladbacher Sicht als Punktgewinn hätte betrachten können. Nach 95 Minuten stand es zwar immer noch 1:1 - aber als Fan von Borussia Mönchengladbach war man gebeutelt von mehreren Adrenalinschüben, war mehrfach aufgesprungen und wieder niedergesunken und ärgerte sich am Ende über eine ganze Reihe vergebener Großchancen. Der Lucky Punch, er lag in der Luft. Und zwar nur der für Borussia. Gemessen an den erwähnten 89 Minuten vor der Schlussphase war das nichts, was zu erwarten gewesen wäre.
Gerardo Seoane war mit derselben Mannschaft angetreten, die am vergangenen Samstag gegen Heidenheim gewonnen hätte. Zunächst suchte diese Mannschaft ganz offenbar den schnellen Weg nach vorne, wobei Mainz schon da wusste, gefährliche Situationen zu vermeiden. Mit zunehmender Spieldauer übernahmen die Gastgeber die Kontrolle, auch das frühe Ausscheiden von Nationalspieler Burkardt verkraftete das Team augenscheinlich gut. Borussia stand tief und ermöglichte Mainz immer wieder gefährliche Schüsse von der Strafraumgrenze. Mehrmals rettete Nicolas, einmal gar spektakulär gegen den starken Nebel. Amiri verfehlte einmal das Tor nur äußerst knapp. Borussia konnte froh sein, zur Pause nicht zurückzuliegen. Nach vorne ging spätestens ab der 20. Minute bei den Gladbachern gar nichts mehr. Immer wieder gingen Bälle im Aufbau verloren, Mainz attackierte den jeweils ballführenden Spielern mit drei bis vier Mann und kaufte den Borussen auf diese Weise vollkommen den Schneid ab. Dazu kamen gelegentlich haarsträubende Abspielfehler. Es roch nach Augsburg.
Nach der Pause zunächst dasselbe Bild, Mainz agierte, Borussia reagierte. Die Mainzer Führung war dann aber dennoch ein Zufallsprodukt. Nebel brachte einen Ball scharf vor das Tor, wo aber kein Mitspieler stand. Stattdessen stand dort ein Gegenspieler. Stefan Lainer ging unbeholfen zum Ball und bugsierte ihn völlig unbedrängt ins eigene Tor.
Die Messe schien angesichts der Kräfteverhältnisse zu diesem Zeitpunkt fast gelesen - aber Kleindienst. Quasi im Gegenzug gewann der ansonsten vollumfänglich indisponierte Alassane Plea seinen möglicherweise einzigen Zweikampf, eroberte den Ball, spielte zu Honorat, der flankte gefühlvoll in die Mitte, wo der Neu-Nationalspieler Kleindienst völlig unbehelligt von Mainzer Abwehrspielern einköpfen konnte. Danach folgte Borussias stärkste Phase während der regulären Spielzeit. Kleindienst hatte eine weitere gute Chance, aber ansonsten ergab sich wenig Zwingendes. Der für Plea eingewechselte Kevin Stöger fand nicht in die Partie und spielte einige Pässe und Standards zum Abgewöhnen. Mainz hatte noch zwei recht ordentliche Gelegenheiten - aber es deutete sich das für die eindeutig schwächere Mannschaft glückliche Unentschieden an.
Die letzten fünf Minuten war es dann auf einmal ein völlig anderes Spiel. Das hatte nur noch eine Richtung. Mainz' Torwart Zentner vereitelte kurz nacheinander beste Gelegenheiten von Stöger, Kleindienst und Weigl, entschärfte einen Kopfball seines eigenen Mitspielers Jenz. Außerdem setzte Itakura einen Abpraller neben das Mainzer Tor. So fühlt sich der Punktgewinn am Ende ein bisschen wie ein Punktverlust an.
Gefühle beiseite bleibt es aber dabei: Borussia machte kein gutes Spiel, es war über weite Strecken erneut kein Plan zu erkennen, die Mannschaft war selten mutig und strahlte wenig Selbstvertrauen aus, trotz viel Ballbesitzes zeigen die Gladbacher wenig Ballsicherheit. Mainz hätte den Sieg verdient. Erst nach den beiden Toren konnten die Gladbacher das Spiel etwas offener gestalten. Die letzten Minuten zeigen uns allen aber wieder, wie viel im Fußball Glück und Zufall bedeuten. Um ein Haar wäre der zweite Sieg in Folge gelungen und vermutlich hätte danach niemand mehr gefragt, wie er zustande kommen konnte. Und so fühlt man sich an diesem Abend genau so, wie das Spiel ausgegangen ist: Unentschieden.