Im Soll

Borussia hat sich keine Blöße gegeben und die Pflichtaufgabe "Holstein Kiel zuhause" souverän gemeistert. An diesem eiskalten Nachmittag im Borussia-Park hat die Mannschaft einen reifen Auftritt hingelegt, nicht perfekt, selten spektakulär, aber erfolgreich. Mit 21 Punkten ist das Hinrundensoll erreicht, sofern man weiter den möglichst rechtzeitigen Klassenerhalt als primäres Saisonziel definiert. Es waren noch längst nicht alle Zuschauerinnen und Zuschauer auf ihren Plätze, als das Spiel begann, der Anreiseverkehr per PKW und Shuttle erwies sich in dieser Saison schon häufiger als nicht bundesligatauglich. Und so verpassten nicht wenige Fans das 1:0 durch Tim Kleindienst, dessen Kopf eine Maßflanke von Franck Honorat erreichte. Wenngleich in der 1. Spielminute, so war es dennoch nicht annähernd das schnellste Bundesligator der Borussia. Das erzielte Martin Dahlin im Jahr 1997 nach 16 Sekunden bei Borussia Dortmund. Aber auch in der jüngeren Vergangenheit gab es schnellere Tore: Robin Hack traf vor weniger als einem Jahr gegen den VfB Stuttgart schneller als Kleindienst jetzt. 

Eben dieser Robin Hack beendete nach 26 Minuten des Spiels gegen Kiel seine Torflaute. Der beste Schütze der vergangenen Saison erzielte seinen ersten Treffer in der laufenden und damit war das Spiel eigentlich schon entschieden. Kiel hatte sich vom 1:0 nicht sonderlich beeindruckt gezeigt und gut mitgespielt, dabei aber in der Abwehr immer wieder große Lücken offenbart. So hätte Kleindienst schon nach 20 Minuten seinen zweiten Kopfballtreffer machen müssen, eine Flanke von Reitz drückte der Torjäger aber nicht gut genug, so dass der Ball knapp über die Latte ging. Später machte er es nach einer Honorat-Flanke genauso. Dazwischen fiel der Kieler Anschlusstreffer quasi aus dem Nichts. Ein unhaltbarer Fernschuss von Gigovic ließ sogar Borussen-Fans anerkennend nicken, wobei man bemängeln darf, dass nur Reitz versuchte, dem Mittelfeldspieler den Weg zu verstellen, bevor er diesen perfekten Schuss absetzen konnte.

Trotz des Anschlusstreffers blieb die Stimmung im Stadion aber fröhlich-gelassen, denn Borussia machte weiter das Spiel und man hatte den Eindruck, dass die ganz offensichtlich höhere Qualität der Mannschaft schon ausreichen würde, um den Gegner in Schach zu halten. Wie zum Beweis köpfte Plea nach Honorat-Ecke am kurzen Pfosten ein zur verdienten 3:1-Halbzeitführung.

Nach der Pause bot sich zunächst das gleiche Bild, Kiel aber hatte zwischen der 55. und 75. Minute eine starke Phase, während der Borussia sich kaum befreien konnte und in der Abwehr gelegentlich nicht ganz sattelfest wirkte. Der zur Halbzeit gekommene Bernhardsson stand plötzlich völlig alleingelassen im Strafraum, verzog dann aber um mehrere Meter (und stand möglicherweise auch im Abseits), Kiel hatte die rechte Abwehrseite nicht ganz zu Unrecht als mögliches Einfallstor ausgemacht und so versuchten die Holsteiner es immer wieder auf diesem Weg. Auffällig: Bevor Lucas Ullrich bei Borussia links verteidigte, war eher das die Seite, über die viele Gegner Borussia (nicht selten erfolgreich) zu knacken versuchten. Aber diesmal hielt die Defensive Stand. Den größte Schreckmoment entschärfte der genannte Ullrich mit der Brust auf der Linie. 

Borussias seltene Konterversuche wurden in dieser Phase nicht konsequent ausgespielt - aber dann, in der 79. Minute, geschah etwas Merkwürdiges. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, kam man sich als Zuschauer plötzlich vor, wie in einem Spiel im Jahr 2012 oder 2013. Konzentrierte Kurzpässe über ichhabnichtmitgezähltwieviele Stationen bis in den Strafraum, Doppel- und Dreifachpässe bis in den Strafraum bis Alassane Plea den Ball völlig überzeugt aus ca. elf Metern ins linke untere Kieler Toreck schob. Sowas geht mit dieser Mannschaft? SEITENWAHL staunt. 

Das 4:1 war ein schöner Schlusspunkt, das 5:1 wäre ein noch schönerer gewesen. Aber Kleindienst, der einen Abpraller vom Pfosten verwandelte, soll im Vorfeld im Abseits gestanden haben. Bilder, die das eindeutig belegen, blieb der Kölner Keller schuldig, aber am Ende ist es aller Wahrscheinlichkeit nach egal, dass der Treffer nach DöpDöp und Jubelarie aberkannt wurde, als der Ball schon wieder auf dem Anstoßpunkt lag. 

Ein wenig grummelte nach der Partie der eine oder andere Anhänger, weil Gerardo Seoane im Angesicht des sicheren Sieges den erstmals im Kader stehenden Nachwuchsspielern Noah Pesch und Niklas Swider nicht die ersten Bundesligaminuten schenkte, aber so denkt Seoane nicht. In dieser Saison gilt gelegentlich eben doch das Leistungsprinzip, und so war es richtig, zehn Minuten vor Schluss Marvin Friedrich zu bringen, wenn man ihn schon nicht von Beginn spielen lässt. Und es war genauso richtig, Lainer, Stöger und Chiarodia zu bringen. Was wäre das sonst für eine Message an Spieler, die doch "nah an der ersten Elf" sein sollen? Eine Schlagzeile wie "jetzt ist der als Leistungsträger geholte Kevin Stöger in der Hierarchie schon hinter A-Jugend-Talent Pech zurückgefallen" kann im Moment wirklich niemand brauchen. 

Alles gut also kurz vor Weihnachten im Borussia-Park. Noch wärmer würde uns vor dem Fest ums Herz, wenn die Mannschaft die vermaledeite Serie des Nichtzweimalinfolgegewinnenkönnens in Hoffenheim noch beenden könnte, aber wir wollen nicht übermütig werden. Borussia hat 21 Punkte und zwei Mal 21 macht Klassenerhalt.

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