Jessica von Bredow-Werndl: Olympiasiegerin über ihren Umgang mit Druck und Versagensangst

Mit Doppel-Gold sorgte Jessica von Bredow-Werndl für einen der größten deutschen Olympia-Momente in Paris. Ein Gespräch über Erwartungshaltung und die Leere nach dem Sieg.

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei RTL.de

Sie ist wieder mal unterwegs: RTL erreicht Jessica von Bredow-Werndl gerade auf dem Weg zur Gala der "Sportlerin des Jahres 2024". Erneut eine Ehrung und wieder ein Termin, der sie an das Erreichte erinnert. Doppel-Olympiasiegerin. Dabei sind die Medaillen und der Ruhm nur ein kleiner Teil des Erfolgs. Denn der Erfolg bringt enorme Anstrengung mit sich.

Von Bredow-Werndl erzählt: "Ich war nach Paris wahnsinnig erschöpft und hatte keine Energie mehr. Bei mir hat es bis Dezember gedauert, meinen Alltag wieder einigermaßen zurückzubekommen." Ein Aspekt, der aus ihrer Sicht unterschätzt wird. Sie sagt: "Die Menschen denken, ich würde als Olympiasiegerin auf einer Wolke schweben. Aber eigentlich ist es eine Challenge, in meinen Alltag zurückzufinden."

"Die Menschen unterschätzen oft, dass man als Sportler danach keine Kraft mehr hat für große Emotionen. Man ist einfach nur leer"

Etwas, das sie schon mal erlebt hat: Nach ihrem ersten großen Gold-Erfolg bei Olympia 2021 in Tokio fiel sie in eine Art "postolympische Depression." Sie erklärt: "Da ging es mir wirklich schlecht. Jetzt hat mich das wahrscheinlich davor geschützt, dass das diesmal nicht so war. Trotzdem war und bin ich erschöpft und habe es nicht geschafft, auf Wolke sieben zu schweben. Ich wollte danach eigentlich nur noch zu Hause bei meinen Kindern und den Pferden sein." Und weiter: "Die Menschen unterschätzen oft, dass man als Sportler danach keine Kraft mehr hat für große Emotionen. Man ist einfach nur leer. So richtig realisiert habe ich es, glaube ich, auch immer noch nicht, dass ich noch mal Doppel-Olympiasiegerin geworden bin."

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Jessica von Bredow-Werndl über Druck und Angst vor Olympia

Ein anderer Aspekt sind Druck und Angst. Die Erwartungshaltung war vor Olympia enorm – drei Jahre war sie ungeschlagen. Eine Bilanz, die sie zur absoluten Top-Favoritin gemacht hat. "Ich habe mir die ganzen Artikel, in denen gestanden hat, dass Gold erwartet wird, gar nicht durchgelesen", erzählt sie. Und dennoch kann sie der Konfrontation damit nicht ganz entfliehen.

"Natürlich habe ich Versagensangst. Ich glaube, jeder Sportler hat die"

Beispiel: "Ich war im letzten Jahr auf einer anderen Sportlerehrung und plötzlich sagt jemand ganz leichtfertig zu mir auf der Bühne und ins Mikro: "Wir erwarten Doppel-Gold". Sie schafft es. Zugleich betont sie, wie "schwer" das war.

"Natürlich habe ich Versagensangst. Ich glaube, jeder Sportler hat die. Du wachst in Paris morgens auf und hast Angst, im entscheidenden Moment Fehler zu machen." Inzwischen hat sie gelernt, mit dieser Angst umzugehen und in ihr etwas Positives zu sehen. "Hätte ich keine Angst, wäre mir egal, was passiert. Zugleich können mich die Angst und das Adrenalin in einen wahnsinnig fokussierten Zustand bringen."

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Sie beschäftigt sich seit Jahren mit mentaler Stärke und Persönlichkeitsentwicklung, arbeitet auch mit Coaches, um mit beidem besser umgehen zu können. So hat sie gewisse "Tools", wie zum Beispiel Meditationen und Atemübungen, die sie vor dem Wettkampf macht. Und diese macht sie bereits, bevor sie zu ihrem Pferd geht. "Das Pferd spiegelt mich. Daher ist es für mich wichtig, schon vorher meine Übungen zu machen, um auf ein optimales Aktivierungsniveau zu kommen."

Etwas mehr als vier Monate ist ihr zweiter Doppel-Olympiasieg her. Weihnachten steht vor der Tür. Die Zeit der Besinnlichkeit. Und auch von Bredow-Werndl kann inzwischen wieder durchatmen. "Ich habe mich wieder gefunden und bin in meinem Leben wieder angekommen. Und natürlich bin ich sehr dankbar für alles, was ich in diesem Jahr erleben durfte."

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