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Konrad-Adenauer-Stiftung: Extremismus-Studie: So links- und rechtsradikal ist Deutschland

Stern 

Eine neue Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hat extremistische Einstellungen untersucht – mit überraschenden Ergebnissen. Die wichtigsten Punkte im Überblick. 

Wer ist empfänglich für extremistische Positionen? Warum? Und in welchen Altersgruppen sind Links- und Rechtsextreme besonders stark vertreten? Das hat die der CDU nahestehenden Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in einer breit angelegten Studie untersucht. Die Studie liegt dem stern exklusiv vor. Demnach findet jeder Dritte Gewalt gegen Rechte legitim, außerdem stellten die Forscher zum Teil Schnittmengen zwischen Extremismusaffinen beider Seiten fest. Die überraschenden Ergebnisse im Überblick:

Linksextreme Positionen weiter verbreitet

Linksextreme Positionen sind in Deutschland verbreiteter als Rechtsextremismus. Eine Affinität dazu haben nicht nur Menschen, die sich politisch weit links verorten, sondern zum Teil auch Anhänger der AfD, heißt es in der KAS-Studie zur Verbreitung von extremistischen Ansichten in der deutschen Bevölkerung ("'Nur nicht, dass der Verfassungsschutz bei mir klingelt.' Zur Verbreitung rechts- und linksextremistischer Einstellungen in Deutschland").

Ihr zufolge erhalten Aussagen aus dem Bereich der rechtsextremen Ideologie viel seltener Zustimmung in der Gesamtbevölkerung als die aus dem linksextremen Spektrum. Am ehesten finden dabei noch Sätze wie "Wie die Ausländer sich hier benehmen, macht mich wütend" (14 Prozent Zustimmung ) und "Die deutsche Gesellschaft wird durch Muslime unterwandert" (12 Prozent Zustimmung) ein Echo.

Umgekehrt gibt es für antikapitalistische und antiimperialistische Slogans relativ breite Unterstützung in der Bevölkerung. Der Aussage "Die Reichen beuten die Armen aus" stimmten 42 Prozent der Befragten zu. Die Aussage "Der bürgerliche Staat gehört abgeschafft" wollten sich hingegen nur vier Prozent zu Eigen machen. 

Rechte sind eher Extremisten als Linke

Menschen, die sich politisch weit rechts verorten, vertreten deutlich häufiger extremistische Positionen als Personen, die sich als sehr links definieren. Jeder fünfte Rechte stimmte dem Satz "Nur wer radikal handelt, kann die wahren Ideale in der Politik verwirklichen" zu, aber nur acht Prozent der sehr Linken. Die Aussage "Es muss eine Person geben, die allein bestimmt, wo es langgeht", fanden auf rechter Seite 22 Prozent der Befragten richtig, aber nur fünf Prozent auf linker Seite. 

Schnittmengen gab es zwischen Extremismusaffinen auf linker und rechter Seite bei der Aussage "Es gibt Gruppen von Menschen, die ich hasse". Ihr stimmten 23 Prozent der Befragten zu, die sich selbst politisch weit rechts verorteten, aber auch 14 Prozent derer, die sich weit links sehen. Selbst bei denen, die sich in der politischen Mitte sehen, gab es immer noch 13 Prozent Zustimmung. 

Die Akzeptanz von Gewalt als politischem Mittel ist der Studie zufolge nur gering ausgeprägt. Nur vier Prozent der Befragten stimmten der Aussage "Gewalt gegen Personen ist bei der Durchsetzung von politischen Zielen gerechtfertigt" voll und ganz oder eher zu. Allerdings gibt es eine hohe Bereitschaft, Gewalt gegen rechts zu rechtfertigen. Rund ein Drittel der Befragten fand die Aussage "Rechte müssen sich nicht wundern, wenn sie einen draufbekommen" richtig, bei der Aussage "Linke müssen sich nicht wundern, wenn sie einen draufbekommen", waren es nur 16 Prozent. 

Diese Sätze entlarven laut Studie Rechtsextreme

Für die große Studie wurden links- und rechtsextremistische Positionen gemeinsam abgefragt und verglichen. Dafür ließ die Konrad-Adenauer-Stiftung vom 1. Dezember 2021 bis 11. April 2022 rund 5500 Personen telefonisch (Festnetz und Mobilfunk) und repräsentativ befragen. Für junge Menschen zwischen 16 und 20 sowie Muslime wurde die Stichprobe auf 500 Befragte erweitert, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Für die Gesamtbewertung wurden beide Gruppen ihrem Anteil in der Bevölkerung entsprechend gewichtet. 

Rechtsextremistische Einstellungen wurden über sechs Dimensionen abgefragt, die in konkrete Aussagen gefasst wurden. Der Satz "Reiche Juden sind die eigentlichen Herrscher der Welt" stand dabei für die Dimension Antisemitismus. Der Satz "Wir sollten darauf achten, dass wir das Deutsche rein halten und Völkervermischung unterbinden" für Rassismus. Weitere Aussagen waren "Die Deutschen sind anderen Völkern überlegen" (Sozialdarwinistische Haltung), "Wie die Ausländer sich hier benehmen, macht mich wütend" (Ausländerfeindlichkeit) oder "Muslime/Linke/Juden müssen sich nicht wundern, wenn sie einen draufbekommen" (Freund-Feind-Wahrnehmung).

Diese Sätze entlarven laut Studie Linksextreme

Für linksextremistische Positionen wurden vier Dimensionen abgefragt: Ablehnung des bürgerlichen Staates ("Der bürgerliche Staat gehört abgeschafft"), Antikapitalismus (unter anderem "Die Reichen beuten die Armen aus"), Antiimperialismus ("Alle Kriege sind imperialistisch") und Freund-Feind-Wahrnehmung ("Rechte müssen sich nicht wundern, wenn sie einen draufbekommen"). 

Abgefragt wurde aber auch ein grundsätzlicher Hang zum Extremismus. Dazu gehörten Aussagen wie "Mir ist egal, was der Staat regelt. Ich habe meine eigenen Regeln" oder "Es muss eine Person geben, die allein bestimmt, wo es langgeht" oder auch "Gewalt gegen Personen ist bei der Durchsetzung von politischen Zielten gerechtfertigt".

Dabei reichte nicht die Zustimmung zu einer einzelnen Aussage. Erst, wer bei fünf Aussagen zum allgemeinen oder rechten Extremismus oder bei drei linksextremistischen Aussagen auf einer Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 5 (stimme voll und ganz zu) einen Durchschnittswert von mehr als 4 erhielt, wurde von den Autoren der Studie als "Extremismus-affin" eingeordnet. Befragte, die einen Durchschnitt von mehr als 3 erreichten, sind laut Studie "partiell anschlussfähig" an extremistische Positionen.

Bricht man diese Definition auf Wählergruppen herunter, so zeigt sich laut Studie, dass fast jeder dritte Linken-Wähler partiell anschlussfähig an linksextremistische Einstellungen ist. Unter den AfD-Wählerinnen und -Wähler sind nur 16 Prozent partiell anschlussfähig an eine allgemein extremistische Grundhaltung. Allerdings ist hier die Zahl derer höher, die zugleich für eher linksextreme Positionen wie antikapitalistische Aussagen offen ist. 

Diese Altersgruppe neigt häufiger zu rechtsextremen Positionen

Geschlechterunterschiede bei der Haltung zu extremistischen Positionen konnten die Forscher nicht ausmachen. Nur im Alter gab es Unterschiede. So zeigte sich bei jüngeren Befragte zwischen 16 und 25 Jahren sowie älteren Befragten über 75 Jahren eine größere Tendenz zu extremistisch geprägten Aussagen als bei anderen Altersgruppen. Die Neigung zu rechtsextremen Aussagen war bei Menschen über 75 Jahren am höchsten. Bei den Jüngeren äußerten sich Menschen mit Migrationshintergrund häufiger Extremismus-affin als ihre Altersgenossen. 

Bei Muslimen zeigte sich bei einzelnen Aussagen eine höhere Akzeptanz als beim Durchschnitt. So fanden 43 Prozent von ihnen, dass für ein gutes Leben die heutige Gesellschaft überwunden werden müsse (gesamt: 27 Prozent). Jeder Fünfte lehnte Homosexuelle als Freunde ab (gesamt: 9 Prozent). Sowohl bei Muslimen als auch bei AfD-Wählern war die Zustimmung zur Aussage, dass das Deutsche reingehalten und eine "Völkervermischung" unterbunden werden muss, deutlich ausgeprägter als bei anderen Gruppen.

Wann Extremismus besonders gefährlich ist

In ihrem Fazit kommen die beiden Autoren, die Soziologin Sabine Pokorny und der Soziologe Jürgen Roose, zu dem Ergebnis, dass es "meist ein kleiner Anteil der Bevölkerung in Deutschland (ist), der Extremismus-nahen Einstellungen zustimmt". Grund zur Entwarnung sehen sie in diesem Befund nicht: "Dabei bleibt aber zu bedenken, dass auch ein kleiner Bevölkerungsanteil mit extremistischen Einstellungen Demokratie gefährden kann, vor allem, wenn sich diese Personen regional konzentrieren." Schon zwei bis vier Prozent seien bereits viele Menschen in Deutschland: "Liegt die Zustimmung bei 10 oder 12 Prozent, ist dies schon eine recht erhebliche Minderheit."

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