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Bundesparteitag der Christdemokraten: Wehrpflicht und Leitkultur: Das steht im neuen Grundsatzprogramm der CDU

Stern 
Bundesparteitag der Christdemokraten: Wehrpflicht und Leitkultur: Das steht im neuen Grundsatzprogramm der CDU

2011 schaffte ein CDU-Mann die Wehrpflicht ab. Über zehn Jahre später rückt die Partei nun davon ab. Und sonst noch?

Die CDU hat erstmals seit 2007 ein Grundsatzprogramm beschlossen. Dies soll nach Angaben von Parteichef Friedrich Merz den Kurs der Partei für die nächsten zehn Jahre abstecken. Es hat den Titel: "In Freiheit leben. Deutschland sicher in die Zukunft führen." Eine Auswahl der wichtigsten Beschlüsse:

Verschärfte Asylpolitik

"Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen", lautet der entscheidende Satz in dem Kapitel über die Asylpolitik. Eine Umsetzung des Konzepts würde eine radikale Wende in der bisherigen deutschen und europäischen Asylpolitik bedeuten. Mit dem Drittstaat sollten Abkommen vereinbart werden, um Asylbewerber bei einem positiven Bescheid auf europäische Staaten zu verteilen. An deutschen Binnengrenzen sollen diejenigen Personen zurückgewiesen werden, die in einem anderen Schengen-Staat bereits Asyl bekommen oder beantragt haben.STERN PAID Experte Asyl-Einigung 17.36

Soziales und Rente

Die Betonung wird darauf gelegt, dass arbeitende Menschen belohnt und staatliche Hilfe auf diejenigen konzentriert werden soll, die Hilfe brauchen. "Wer arbeiten kann, soll arbeiten", heißt es. Wer nach dem Rentenbeginn freiwillig weiter arbeitet, soll steuerlich entlastet werden. Niedrige Einkommensgruppen sollen bei Sozialversicherungsbeiträgen entlastet werden. Die Politik soll sich nicht in die Tarifbildung einmischen.

Finanzen und Steuern

Die CDU will kleinere und mittlere Einkommen entlasten, der Spitzensteuersatz soll später greifen, eine Vermögenssteuer wird abgelehnt. Überstunden sollen steuerfrei sein, fordert die CDU - ähnlich wie die FDP. Zudem will die CDU die private Vermögensbildung gerade für kleine und mittlere Einkommen fördern. Allerdings scheiterte ein Vorschlag des Bundesvorstands, Neugeborene mit einem Startkapital zur Vermögensbildung auszustatten. CDU-Chef Merz kündigte daraufhin an, bis Jahresende ein Konzept zur Vermögensbildung von Beschäftigten vorzulegen. Die Partei bekennt sich erneut zur Schuldenbremse.

Rückkehr zur Wehrpflicht

Der Bundesparteitag sprach sich für eine Rückkehr zur Wehrpflicht aus. Bis zur Umsetzung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres soll eine Kontingentwehrpflicht eingeführt werden. Dabei wird ein ganzer Jahrgang gemustert, aber nur die Zahl an Rekruten eingezogen, die die Bundeswehr jeweils benötigt. Schweden hat ein ähnliches Modell. Die Bundeswehr soll stärker als bisher im Inneren eingesetzt werden können.PAID STERN 2020_08 Plädoyer für die Pflicht 14.30

Außen- und Sicherheitspolitik

Die CDU gibt ein klares Bekenntnis zu EU, Nato, der transatlantischen Partnerschaft und der Unterstützung Israels ab. Sie will einen nationalen Sicherheitsrat in der Bundesregierung. "Der deutsch-französische Motor und das Weimarer Dreieck mit Polen sind dabei für uns elementar", heißt es. In der EU müsse man zu Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik übergehen. Die EU-Kommission soll spürbar verkleinert werden. Man brauche einen "360-Grad-Blick" gegen Extremismus und eine Verschärfung des Strafrechts etwa gegen Hetze und Gewalttaten.

Handelswege schützen

Der Parteitag bekennt sich zum Freihandel. "Zudem machen wir uns für die Freiheit der Handelswege stark. Diese müssen wir gegebenenfalls auch militärisch schützen", heißt es im Grundsatzprogramm.

Atomkraft – ja bitte!

Die CDU hält sich die Option Atomkraft offen, bleibt aber vage. Deutschland könne derzeit "auf die Option Kernkraft" nicht verzichten. Die CDU bekräftigt, dass auch sie zum Ziel steht, Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.

Ernährungssicherheit im Grundgesetz

Gegen den Willen der Parteiführung entschied der Parteitag, dass Ernährungssicherheit als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden soll.

Gesellschaftspolitik

Die CDU betont die Bedeutung von Familien, die stärker gefördert werden sollen - allerdings erkennt die Partei größere Diversität bei Familien an. Ein "Gender-Zwang" wird abgelehnt, aber eine geschlechtergerechte Sprache angestrebt.

Leitkultur und Island

Die CDU will eine Leitkultur, die mehr umfasst als das Grundgesetz. "Nur wer sich zu unserer Leitkultur und damit auch zu unseren Werten bekennt, kann sich integrieren und deutscher Staatsbürger werden", heißt es.

Zu der im Vorfeld diskutierten Formulierung zum Islam heißt es nun: "Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft. (...) Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland."

Merz will mit neuem Programm Wechselwähler erreichen

Laut Parteichef Friedrich Merz will die CDU mit ihrem neuen Grundsatzprogramm vor allem Wechselwähler von sich überzeugen. "Wir müssen über unsere eigenen Mitglieder hinaus, auch über unsere festen Wählerinnen und Wähler hinaus diejenigen erreichen, und deren Zahl wird größer, die bei allen Wahlen neu entscheiden, wen sie wählen sollen", sagte er. "An die ist dieses Grundsatzprogramm in ganz besonderer Weise gerichtet." Merz sprach von einem historischen Tag für die CDU. Auf der Basis werde nun das Wahlprogramm erarbeitet."Herz statt Merz" - heimlicher Stargast auf dem Grünen-Parteitag

Daneben habe das Programm auch die Funktion einer "Selbstvergewisserung einer Partei nach innen", sagte Merz. "Wir müssen von uns selber wissen, wer wir sind, wo wir stehen, was wir wollen. Das ist uns gelungen." Das Programm solle daneben ein "kraftvolles Zeichen und Signal nach außen" sein. "Es gibt Orientierung, es gibt Halt, es gibt den Menschen auch Zuversicht in unsicherer Zeit." Dies sei die wichtigste Aufgabe der Union.

Zum knapp 70 Seiten langen Entwurf des Grundsatzprogramms lagen den 1001 Delegierten 2120 Änderungsanträge vor. Es löst das Programm von 2007 ab. Mit der Verabschiedung des insgesamt vierten Grundsatzprogramms in der Parteigeschichte wollte die CDU ihre inhaltliche Erneuerung nach dem Desaster bei der Bundestagswahl 2021 abschließen.

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