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Fachkräftemangel: Das ist die "wichtigste Talentpipeline" einer Personalchefin

Stern 
Fachkräftemangel: Das ist die

Deutschland fehlen Fachkräfte, besonders in technischen Berufen. Hier erklärt Gabriele Fanta, die Personalchefin des Technologiekonzerns Körber, wie sie noch welche findet.

Disclaimer Capital

Frau Fanta, Körber kümmert sich unter anderem um Digitalisierung, Maschinenbau und Softwarelösungen – Bereiche, in denen händeringend Fachkräfte gesucht werden. Wie viele Stellen sind bei Ihnen gerade offen?
Im Moment sind es weltweit mehrere hundert und tatsächlich fehlen uns vor allem Menschen mit MINT-Hintergrund, also aus den Bereichen Naturwissenschaften und Technik. Rekord ist diese Anzahl gerade noch nicht, aber wir werden dort hinkommen, wenn in drei bis fünf Jahren die Babyboomer in Rente gehen. 

Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Da kommt eine ziemlich große Welle auf uns zu. Wir werden dann auch Menschen brauchen, die schon Berufserfahrung haben und nicht nur welche, die direkt von der Uni kommen. Neben der Aus- und Weiterbildung schauen wir uns daher auch an, wie wir für erfahrene Mitarbeitende Anreize schaffen, länger im Unternehmen zu bleiben. 

Bio Gabriele Fanta Personalchefin

Wie groß schätzen Sie den Bedarf an Fachkräften für die kommenden Jahre bei sich ein?
Bei unserer aktuellen Unternehmensgröße von mehr als 12.000 Mitarbeitenden gehe ich davon aus, dass wir pro Jahr 800 bis 1000 offene Stellen zusätzlich haben werden.

Und wie wollen Sie diesen Bedarf decken?
Wir setzen auf eine Mischung aus aktiver Suche, zum Beispiel über Linkedin, und aus mitarbeitergetriebenen Formaten. In der Corona-Zeit haben wir ein sehr erfolgreiches Eventformat ins Leben gerufen, durch das wir unsere Bewerberzahl um 40 Prozent steigern konnten. Aber grundsätzlich ist die eigene Aus- und Weiterbildung für uns die wichtigste Talentpipeline, egal ob kaufmännisch oder technisch. Die bewährteste Laufbahn mit Erfolgsgarantie bietet weiterhin die klassische Ausbildung oder auch ein duales Studium. Das Gute an beidem ist, dass die Azubis das Unternehmen gut kennenlernen und sich dann weiter qualifizieren können.

Ihr Unternehmen ist weltweit tätig. Ist es in anderen Ländern einfacher Personal zu finden als in Deutschland? 
Es kommt darauf an. In Volkswirtschaften, die ähnlich wie Deutschland nach den Babyboomern keine geburtenstarken Jahrgänge mehr hatten, gibt es ebenfalls ein geringeres Angebot an Fach- und auch Arbeitskräften, zum Beispiel in Frankreich. Im asiatischen Ausland ist es hingegen deutlich einfacher, weil dort viele erstmalig nach dem Schul- oder Studienabschluss weiterführende Berufsoptionen anstreben.

Fachkräftemangel Pixel Photonics6.05

Wenn in ein paar Jahren vor allem berufserfahrenes Personal fehlen wird, wie wichtig ist dann die Umschulung bestehender Fachkräfte aus anderen Bereichen?
Das ist auf jeden Fall eine wichtige Maßnahme. Künftig wird der klassische Maschinen- und Anlagenbau noch mehr mit Software- und Datenlösungen verschmelzen. Das erfordert eigentlich für alle Berufsbilder, für Lernoptionen offen zu bleiben. Die Fachkräfte müssen aber zum einen dazu bereit sein, sich umschulen zu lassen. Denn es wird nicht erfolgreich sein, jemanden in ein Berufsprofil zu zwängen, das nicht zu ihm passt. Zum anderen müssen wir es schaffen, für eine größere Standortattraktivität zu werben, um die Bereitschaft für einen Umzug zu erhöhen.

Brauchen wir vielleicht schlicht mehr Frauen in MINT-Berufen, um den steigenden Personalbedarf dort zu decken?
Ja, das Thema Berufstätigkeit der Frau halte ich für einen sehr wichtigen Wert. Wir haben als Technologiekonzern aktuell einen Frauenanteil von nur rund 20 Prozent. Damit der größer wird, müssen wir uns gesamtgesellschaftlich vor allem um zwei Themen kümmern: Wie regeln wird die Sorgearbeit? Und was können Unternehmen Frauen anbieten, die berufstätig sein wollen? Ich denke da etwa an flexiblere Teilzeit- oder Jobsharingmodelle. Grundsätzlich muss erst einmal ein größerer Fokus auf technische Berufsprofile bei weiblichen Talenten gelegt werden.

Was meinen Sie genau?
Die ganze Prägung der Kinder von der Kita bis zum Abitur muss sich verändern. Naturwissenschaftliche Profile werden gerade für Frauen bisher kaum als anstrebenswert wahrgenommen. Die Gesellschaft ist immer noch überrascht, wenn eine Frau als Technikerin oder Ingenieurin arbeitet. Da müssen wir in unserem Denken flexibler und wertschätzender werden. Talentförderung für MINT kann nicht früh genug starten und sollte eigentlich schon im Kindergarten beginnen, um gesellschaftliche Sichtweisen und Prägungen nachhaltig zu verändern.

Glücklich arbeiten 21.04

Was muss denn passieren, damit sich mehr junge Frauen und junge Menschen generell für MINT-Fächer begeistern? 
Ich denke, wir müssen Kindern und Jugendlichen vor allem zeigen, dass sie sehr viel Spaß machen können, zum Beispiel mit Experimenten. Außerdem müssen die Perspektiven klarer sein, also: Welchen Beruf kann ich wählen, wenn ich gut in Chemie, Mathe oder Physik bin? Wir bieten beispielsweise Praktika oder Orientierungstage für Schulklassen an. Diese Komponente der Inspiration kommt im Schulalltag meiner Meinung nach oft zu kurz.

Würden Sie sagen, gerade jetzt lohnt es sich für junge Menschen, eine Ausbildung oder ein Studium im MINT-Bereich zu absolvieren?
Wenn man sich den Standort Deutschland anschaut, der durch Industrialisierung und Technologie groß geworden ist und nun durch die Demographie viele Talente verliert, dann werden MINT-Profile besonders stark gefragt sein. Deswegen lohnt es sich auf jeden Fall.

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