Viertagewoche: Firmen bei Arbeitszeitverkürzung eher "konservativ" - mehr Bewerber
Die Verkürzung der Arbeitszeit fällt Unternehmen in Deutschland einer Untersuchung zufolge vergleichsweise schwer, könnte aber positive Auswirkungen auf die Personalsuche haben. Wie die Unternehmensberatung Intraprenör als Initiator eines Pilotprojekts zur Viertagewoche am Montag mitteilte, reduzierte der Großteil der 45 teilnehmenden Betriebe die Arbeitszeit um weniger als 20 Prozent. Viele Unternehmen hatten zudem Schwierigkeiten bei der Vorbereitung.
Die internationale Organisation 4 Day Week Global, mit der Intraprenör zusammenarbeitet, wirbt mit dem Konzept 100-80-100, also 100 Prozent Leistung, 80 Prozent Zeit und 100 Prozent Bezahlung. Im Projekt reduzierten aber lediglich 38 Prozent der 45 teilnehmenden Unternehmen ihre Arbeitszeit tatsächlich um 20 Prozent. 48 Prozent verkürzten zwischen zehn und elf Prozent, weitere 15 Prozent zwischen elf und 19 Prozent.
Die Viertagewoche "scheint ein Synonym für kreative Arbeitszeitmodelle zu sein. Dabei sind wir in Deutschland konservativer mit der Arbeitszeitverkürzung als in anderen Ländern", erklärte Carsten Meier von Intraprenör. So werde bei vielen Unternehmen beispielsweise an vier Tagen die Woche etwas mehr gearbeitet, sodass der fünfte Tag frei bleibt, insgesamt gebe es zwölf verschiedene Modelle.
Bei knapp 40 Prozent der teilnehmenden Firmen wird die verkürzte Arbeitszeit zudem nicht auf die gesamte Firma, sondern nur auf bestimmte Teams oder Mitarbeitende angewandt. Von den ursprünglich 45 teilnehmenden Firmen verschob eine den Zeitraum des Projekts auf 2025. Zudem startete nur etwa die Hälfte pünktlich im Februar in das Experiment, die anderen stiegen erst in den Folgemonaten ein. Zwei Betriebe sind mittlerweile gar nicht mehr dabei.
Das könnte laut Meier auch mit der wirtschaftlichen Lage in Deutschland zu tun haben. "Unternehmen, die mit Herausforderungen zu kämpfen haben, verzichten dann in diesem Jahr vielleicht eher auf die Teilnahme", sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Oftmals unterschätzten die Betriebe laut Intraprenör "die Umstellung von Arbeitsweisen und Prozessen, die für eine erfolgreiche Viertagewoche notwendig sind". Manche Organisationen stellten zudem fest, dass sie nicht genügend Anpassungen definiert hatten und nachjustieren mussten.
Über alle Unternehmen hinweg arbeiten mittlerweile knapp 60 Prozent der Beschäftigten mit der verkürzten Arbeitszeit. "Bei einigen klappt es aber auch noch nicht, die verkürzte Arbeitszeit einzuhalten", erklärte Julia Backmann von der Universität Münster, die das Projekt wissenschaftlich begleitet.
Trotz der Herausforderungen sieht Intraprenör auch Potenziale. Die Modelle in den jeweiligen Firmen seien teilweise auch von Mitarbeitenden entwickelt worden. "Dadurch kann das Projekt wie ein Produktivitätsbooster wirken, weil die Beschäftigten selbst überlegen, wo das Unternehmen noch schneller werden kann und wo es Optimierungspotenziale gibt", sagte Meier. Außerdem berichteten Teilnehmende von höheren Bewerberzahlen.
Einige Unternehmen digitalisierten Prozesse und setzten dazu auch Künstliche Intelligenz (KI) ein. Durch veränderte Arbeitsweisen in Meetings, Fokuszeiten oder ein neues Kommunikationsverhalten wurde dazu beigetragen, die neuen Arbeitszeitregelungen einzuhalten. Am Ende des Projekts sollen Stresshormone aus Haarproben und Fitnesstracker, die den Schlaf aufzeichnen, Aufschluss über die Auswirkungen der verschiedenen Modelle auf die Beschäftigten geben.
Laut Intraprenör hat mehr als die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen zwischen zehn und 49 Beschäftigte, aber auch größere und kleinere Betriebe nehmen teil. Am stärksten vertreten ist demnach die Beratungs- und Agenturbranche, aber auch Handwerksbetriebe, Gesundheitsanbieter und soziale Einrichtungen sind dabei.
In anderen Ländern liefen bereits ähnliche Studien. In Großbritannien nahmen 61 Unternehmen an einem Pilotprojekt teil. 56 davon gaben an, die Viertagewoche auch nach dem Ende der Testphase beibehalten zu wollen. Durchschnittlich beobachteten die Forschenden aus Boston und Cambridge damals eine Umsatzsteigerung von rund 1,4 Prozent. Die Krankheitstage verringerten sich um rund zwei Drittel und die Zahl der Angestellten, die kündigten, ging um 57 Prozent nach unten.