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Macron wirbt für Parlamentsmehrheit "republikanischer Kräfte" in Frankreich

Stern 
Macron wirbt für Parlamentsmehrheit

Drei Tage nach der vorgezogenen Parlamentswahl hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erstmals deren Ergebnis kommentiert. "Niemand hat sie gewonnen", betonte er in einem am Mittwoch veröffentlichten Brief an die Französinnen und Franzosen. Eine absolute Mehrheit hätten allenfalls die "republikanischen Kräfte". Das Wahlergebnis lasse einen "klaren Willen nach Veränderung und mehr Teilhabe an der Macht" erkennen, räumte Macron ein. 

Der Präsident appellierte an "alle politischen Kräfte, die die republikanischen Institutionen, den Rechtsstaat (...) und eine proeuropäische Position anerkennen", einen Dialog aufzunehmen, um eine Mehrheit zu finden. Die Franzosen hätten sich für eine "republikanische Front" entschieden, diese müsse nun konkretisiert werden, betonte Macron

Die "republikanische Front" bedeutete in Frankreich bisher, dass linke und rechte Kräfte gemeinsam einen Wahlsieg der Rechtspopulisten verhindern, etwa durch den taktischen Rückzug von Kandidaten. 

"Im Lichte dieser Prinzipien werde ich über die Ernennung des Premierministers entscheiden", schrieb Macron. Damit erteilte er indirekt dem Linksbündnis eine Absage, das als größtes Lager den Anspruch erhebt, einen Kandidaten zu benennen - ohne sich bislang auf einen Namen geeinigt zu haben. 

Die aktuelle Regierung bleibe vorerst geschäftsführend im Amt, bekräftigte Macron. Der Brief wurde veröffentlicht, als Macron bereits nach Washington zum Nato-Gipfel gereist war. 

Es war erwartet worden, dass Macron versuchen wird, eine Art große Koalition der Mitte mit gemäßigten Kräften des linken und rechten Lagers zu bilden. Derzeit scheinen sich allerdings sämtliche möglichen Beteiligten uneins zu sein. 

Innenminister Gérald Darmanin und eine Gruppe von Abgeordneten sprachen sich ähnlich wie Macron für ein breites Bündnis aus. Der frisch gewählte Fraktionschef der konservativen Republikaner Laurent Wauquiez lehnte dies jedoch umgehend ab. Und das linke Wahlbündnis Neue Volksfront, in dem die von der Regierung abgelehnten Linkspopulisten die größte Gruppe bilden, hält bislang noch zusammen. 

Koalitionsverhandlungen wie in Deutschland sind in Frankreich derzeit undenkbar, da in vielen Fällen nicht einmal die Zugehörigkeit einzelner Abgeordneter geklärt ist. 

Der Nebel sollte sich am 18. Juli lichten, bis dahin können sich die Abgeordneten in Fraktionen zusammenschließen, die allerdings nicht unbedingt den Bündnissen vor der Wahl entsprechen. Es müssen sich lediglich mindestens 15 Abgeordnete zusammenfinden. Die Neue Volksfront wird sich voraussichtlich in mehrere Fraktionen aufspalten. 

Bis zum Donnerstag kommender Woche wollte das Linksbündnis auch einen Kandidaten für das Amt des Premierministers vorschlagen. 

Unterdessen trafen erstmals die neu gewählten Abgeordneten des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) in der Nationalversammlung ein. Die bisherige Fraktionschefin Marine Le Pen wurde erneut in dieses Amt gewählt. 

Ihre Fraktion umfasst mindestens 123 Abgeordnete, deutlich mehr als die 88 vor der Auflösung der Nationalversammlung. 

Le Pen kritisierte erneut den taktischen Rückzug vieler Kandidaten der anderen Lager, der den Sieg mancher RN-Kandidaten in der Stichwahl am Sonntag verhindert hatte. "Es gab Manöver, die uns der absoluten Mehrheit beraubt haben", sagte sie. 

Sie betonte, dass der RN die meisten Stimmen bekommen habe. Es ist eine Folge des in Frankreich geltenden Mehrheitswahlrechts, dass der RN mit zehn Millionen Stimmen weniger Abgeordnete hat als das Linksbündnis, das auf sieben Millionen Stimmen gekommen ist. 

RN-Parteichef Jordan Bardella rief die Abgeordneten seiner Partei zu einem seriösen Auftreten auf. Sie müssten "in ihren Wahlkreisen und in den Medien absolut einwandfrei auftreten", betonte er. Auf dem Gruppenfoto trugen alle männlichen Abgeordneten Anzug und Krawatte, die weiblichen Kostüm oder Hosenanzug.  

In den vergangenen Tagen waren zahlreiche RN-Kandidaten durch provokante Äußerungen aufgefallen. Der neu gewählte Abgeordnete Daniel Grenon etwa hatte der früheren Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem einen "Loyalitätskonflikt" unterstellt, da sie auch die marokkanische Staatsangehörigkeit hat. Er soll nicht zur RN-Fraktion gehören. 

Macron hatte die Parlamentswahl nach dem Erfolg der Rechtspopulisten bei der Europawahl am 9. Juni ausgerufen. Das Ergebnis war die Bildung von drei politischen Blöcken, die jeweils nicht die absolute Mehrheit erreichten und deren Programme kaum miteinander vereinbar sind.

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